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Gesellschaft & Politik

Kritik an Eitrea-Reisli: Reiseleiter ist Freund des Militär-Regimes

SVP-Nationalrat Thomas Aeschi und drei weitere Schweizer Politiker reisen in den kommenden Tagen nach Eritrea.
SVP-Nationalrat Thomas Aeschi und drei weitere Schweizer Politiker reisen in den kommenden Tagen nach Eritrea.
Bild: KEYSTONE

Scharfe Kritik an Eritrea-Reisli: Reiseleiter ist ausgewiesener Freund des umstrittenen Regimes

Die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli lässt sich zusammen mit SP-Nationalrätin Yvonne Feri, CVP-Nationalrat und Ex-Post-Präsident Claude Béglé sowie SVP-Nationalrat und Ex-Bundesratskandidat Thomas Aeschi Eritrea zeigen. Der Reiseleiter ist notabene ein ausgewiesener Freund des Regimes in Asmara. Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe ist die Reise denn auch nicht mehr als Propaganda.
01.02.2016, 09:3501.02.2016, 11:33
Lorenz Honegger / aargauer zeitung
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Der Reiseleiter ist kein unbeschriebenes Blatt: Toni Locher gilt als engster Schweizer Verbündeter der eritreischen Militärdiktatur. 2002 verlieh ihm der Aussenminister des nordostafrikanischen Landes den Titel eines Honorarkonsuls. Im Lauf der nächsten zwei Wochen begleitet der Wettinger Frauenarzt mehrere Schweizer Politiker auf ihrer Reise durch Eritrea.

Mit von Partie sind die grüne Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli, SP-Nationalrätin Yvonne Feri, CVP-Nationalrat und Ex-Post-Präsident Claude Béglé sowie SVP-Nationalrat und Ex-Bundesratskandidat Thomas Aeschi. Die Politiker halten sich unterschiedlich lang in Eritrea auf. Ihr Ziel ist laut der «NZZ am Sonntag» aber dasselbe: Sie wollen sich ein eigenes Bild über den Staat machen, aus dem 2015 mit knapp 10'000 Gesuchen die meisten Asylanträge kamen.

Was einleuchtend klingt, stösst bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe auf wenig Begeisterung. «Diese Reise ist etwa so glaubwürdig, wie wenn die nordkoreanische Botschaft eine Reise nach Pjöngjang organisieren würde», sagt Sprecher Stefan Frey auf Anfrage der «Nordwestschweiz». Es erstaune ihn, dass sich die Politiker «auf ein solches Spiel einlassen». Toni Locher sei «seit Jahrzehnten als notorischer und fanatischer Anhänger des eritreischen Regimes bekannt», die Reise eine «reine Propagandaaktion».

Dass sich die Teilnehmer ein Bild von der Situation vor Ort machen wollen, hält Frey für wenig zielführend: «Es ist nicht die Aufgabe von einzelnen Parlamentariern und anderen Würdenträgern, die Menschenrechtslage in Eritrea zu beurteilen.» Dafür brauche es unabhängige Quellen und wiederholte unangemeldete Besuche – all das lasse das Regime bekanntlich nicht zu.

Diffuse Menschenrechtslage

Tatsächlich gibt es wenig erhärtete Informationen über die Menschenrechtslage in Eritrea. Wie gravierend die Situation für die Menschen ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Während Honorarkonsul Locher eritreische Migranten als «VIP-Flüchtlinge» bezeichnet, die ihr Land nur aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, schreibt das Staatssekretariat für Migration, dass gerade Deserteuren im Fall einer Rückkehr «drakonische, willkürliche Strafen für den ‹Verrat an der Nation›» drohten. «Personen, welche die Regierung kritisieren, werden meist ohne Verfahren inhaftiert.»

Eritreische Flüchtlinge in der Schweiz: Vergangenes Jahr wurden rund 10'000 Asylanträge gestellt.  
Eritreische Flüchtlinge in der Schweiz: Vergangenes Jahr wurden rund 10'000 Asylanträge gestellt.  
Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

SP-Nationalrätin Feri will sich die Reise dennoch nicht ausreden lassen: «Ich bin mir bewusst, dass Herr Locher die Positionen der eritreischen Regierung vertritt und dass wir keine Missstände zu sehen bekommen werden. Aber ich werde zumindest einen Eindruck des eritreischen Alltags erhalten.» Nur weil sie im Parlament sitze, müsse sie sich Reisen ins Ausland nicht verbieten lassen. Feris Abflugtermin ist in knapp einer Woche.

Susanne Hochulis Sprecher Balz Bruder betont auf Anfrage, die Reise der Regierungsrätin sei privater Natur und erfolge auf eigene Kosten. Hochuli sei bereits am Freitag nach Eritrea aufgebrochen, und sie wisse, in welcher Beziehung Locher zum eritreischen Regime stehe. Er habe sich ihr anerboten, einige seiner Hilfsprojekte zu zeigen. «Dass es sich um eine Propagandaaktion handelt, muss ich vehement zurückweisen. Frau Hochuli hält sich nicht auf Einladung des Regimes in Eritrea auf», so Bruder.

Gipfeltreffen am Sonntag

SVP-Nationalrat Aeschi sagt, er habe zwar einige Male mit Locher telefoniert. Aber er reise heute Montag auf eigene Faust in die eritreische Hauptstadt Asmara. Von Lochers Reisegruppe habe er zufällig erfahren. Sein Ziel sei es, sich über den Militärdienst in Eritrea zu informieren, der gemäss seinen Informationen «auch in Hotelrezeptionen geleistet werden kann». Er werde fotografieren, Videos drehen, Interviews machen und versuchen, mit Regierungsvertretern in Kontakt zu treten.

Voraussichtlich am nächsten Sonntag kommt es in Asmara zu einem Gipfeltreffen aller Schweizer Politiker in Eritrea – darunter auch CVP-Nationalrat Béglé, der gestern nicht erreichbar war. 

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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meerblau
01.02.2016 11:17registriert Mai 2014
Sollen sie doch auf eigene Kosten und in privater Motivation nach Eritrea reisen, da ist nichts Verkehrtes dran. Schwieriger wird es aber, wenn die Erkenntnisse als Grundlage der politischen Tagesgeschäfte werden.
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Angelo C.
01.02.2016 12:13registriert Oktober 2014
Schon alleine der dümmliche Begriff "Reisli" ist in diesen Zusammenhängen völlig deplatziert.

Gehen Schweizer Parlamentarier, darunter auch völlig unverdächtige wie Feri und Hochueli nach Eritrea, um sich dort ein persönliches Bild zu machen, ob es sich bei Eriträern nicht doch mehrheitlich um Wirtschaftsflüchtlinge handelt, wird genauso stupid argumentiert, wie wenn sich Andere "stets bloss auf dänische und andere Berichte" verlassen wollen

Und so erhöht es die Glaubwürdigkeit der Flüchtlingshilfe in keiner Weise, wenn schon im Vorfeld von CH-Kontrollbesuchen dumme Sprüche geklopft werden.
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Hüendli
01.02.2016 14:46registriert Januar 2014
Toni Locher erhielt den Titel Honorarkonsul in Anerkennung seiner jahrzehntelangen Arbeit im Land. Sein Hilfswerk trägt das ZEWO-Gütesiegel, also macht er gewiss mehr als bloss Propaganda. Und dass man als Entwicklungshelfer nicht zugleich schärfster Kritiker seines Gastlandes sein kann, weil die Hilfsarbeit sonst Repressalien ausgesetzt ist, scheint mir logisch.
Im Übrigen sind die erfahrenen Politiker sicherlich fähig, das Gesehene einordnen zu können.
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