Die Schweiz ist ein Land der Mieter. Die Schweiz ist in zunehmendem Mass aber auch ein Land der Hausbesitzer – und um sie dreht sich nun das neuste Gefecht im Kampf um die Asylgesetzrevision, über die wir am 5. Juni abstimmen.
In einem «offenen Brief» an Justizministerin Simonetta Sommaruga, der seit gestern in ganzseitigen Zeitungsinseraten abgedruckt wird, warnt der Hauseigentümerverband der Schweiz (HEV), dass die Revision «den Weg für möglicherweise massive Eingriffe in fremdes Eigentum ebnet».
Stein des Anstosses ist Artikel 95b des neuen Gesetzes, der das «EJPD ermächtigt, nötigenfalls die Enteignung (von Grundstücken) durchzuführen». Beim HEV läuten die Alarmglocken: Er fürchtet, dass Schweizer Hauseigentümer womöglich «ihren Grund und Boden zwangsweise für die Lösung der Asylproblematik hergeben müssen».
Ein Szenario, das die angesprochene Justizministerin als «sehr theoretisches Argument» abklassiert. In den vergangenen fünf Jahren hätten Bund, Kantone und Gemeinden nie gegeneinander gearbeitet, sondern immer einvernehmliche Lösungen gesucht und gefunden. «Wir arbeiten in der Schweiz nicht so», sagt Sommaruga gegenüber dem «SonntagsBlick».
Enteignungen seien nur «Ultima Ratio» – so wie auch die Armee seit zwanzig Jahren dieses Recht habe, davon aber noch nie Gebrauch gemacht habe.
Die Informationsoffensive des Hauseigentümerverbandes kommt im Abstimmungskampf zu einem zentralen Zeitpunkt, die Bevölkerung beginnt sich erst eine Meinung zu bilden. Und sie spielt der SVP, die den Kampf gegen die Gesetzesrevision anführt, in die Hände.
Denn die grösste Partei der Schweiz hat entschieden, im Gegensatz etwa zur hauseigenen Durchsetzungsinitiative diesmal mit der kleinen Kelle anzurühren. Die Asylgesetz-Kampagne wolle man «im unbezahlten Raum» und nicht etwa über Zeitungsinserate oder Plakate führen, hiess es unlängst aus der SVP-Zentrale.
Da kommt es natürlich nicht ungelegen, wenn eine Drittpartei mit gleichem Ziel die Lücke auffüllt. Vor allem aber hält der Hauseigentümer-Verband den Finger auf ein Argument, das im bisherigen Abstimmungskampf nur eine untergeordnete Rolle spielte: Die SVP erwähnte in ihren Stellungnahmen stets die «Gratisanwälte», die es zu verhindern gelte, und sie stellte in Abrede, dass die Revision die Rückschaffungen beschleunigen würde. Die allfälligen Enteignungen, obwohl Teil des Argumentariums, waren in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zentrales Element.
Soll der HEV also – sozusagen als unverdächtiger Aussenstehender – für die SVP die Kohlen aus dem Feuer holen? Der designierte neue SVP-Präsident Albert Rösti stellt dies in Abrede: Da stecke keinerlei strategische Absicht dahinter, es sei im ureigenen Interesse des HEV sich gegen Enteignungen zu wehren. «Natürlich ist es uns recht, wenn Direktbetroffene wie die Hauseigentümer Stellung beziehen», sagte Rösti gestern gegenüber der «Nordwestschweiz».
Nicht unwichtig: Der Präsident des Hauseigentümer-Verbandes heisst Hans Egloff und sitzt seinerseits für die SVP im Nationalrat. Er betont auf Anfrage, er wolle sich nicht grundsätzlich in die Parteikampagne einspannen lassen. Ihm gehe es um die «zunehmende Erosion des Begriffs ‹Eigentum›».
Als wolle er seine Unabhängigkeit unter Beweis stellen, überrascht der Zürcher mit einer unerwarteten Aussage: «Wenn es den Enteignungs-Artikel nicht gäbe, wäre die Asylgesetz-Revision eine Kröte, die man hätte schlucken können», so Egloff. Sein künftiger Parteipräsident Albert Rösti will ihm dafür nicht die Leviten lesen: «Ich bin nicht gleicher Meinung, ärgere mich aber nicht, da er das Asylgesetz ja auch ablehnt.»
Ärgern, das tut sich dafür Beat Flach, der für ein Ja zur Asylgesetzrevision eintritt. Er nimmt dem HEV die betonte Unabhängigkeit nicht ab: «Er wird als SVP-Vehikel missbraucht», so der Aargauer GLP-Nationalrat. Er sei seit über zwanzig Jahren Mitglied des Verbandes, habe aber je länger, je mehr «grosse Mühe mit der rückwärtsgewandten Politik».
So teile er dessen Positionen in der Energiepolitik nicht und die aktuelle Asylgesetz-Kampagne sei «pure Stimmungsmache und Angstmacherei». Seine Mitgliedschaft wolle er deswegen noch nicht gleich kündigen, «aber es wird immer schwieriger», so Flach.