Je höher die Bildung, desto seltener versuchen Menschen, sich das Leben zu nehmen. Das hat sich in einer Befragung von fast 20 000 in der Schweiz wohnenden Menschen deutlich gezeigt. In den zwölf Monaten vor der Befragung hatte im Schnitt jede tausendste Person mit einem Hochschul- oder Fachhochschulabschluss einen Suizidversuch gemacht. Bei denjenigen, die nur die obligatorische Schule abgeschlossen haben, waren es dreizehn von tausend.
Erstaunt sind die Autoren darob nicht. «Wenn wir depressive Symptome betrachten, zeigt sich derselbe Zusammenhang», sagt Psychologe Claudio Peter, der das Projekt am Schweizerischen Gesundheitsobservatorium geleitet hat.
Auftraggeber für die Auswertung war das Bundesamt für Gesundheit. Esther Walter, die dort Projektleiterin für die Suizidprävention ist, sagt: «Die Resultate zeigen, dass wir in der Prävention besonders gut auf Menschen schauen müssen, die weniger gute Bildungsabschlüsse haben.» Es gehe auch um ein soziales Problem, Menschen mit tieferer Bildung seien in diverser Hinsicht schlechter aufgestellt. So ist beispielsweise oft die Arbeitssituation schlechter, finanzielle Probleme sind wahrscheinlicher, die Wohnsituation kann schwieriger sein und manchmal wissen weniger gebildete Menschen auch weniger gut, wo sie in schwierigen Situationen Hilfe holen können.
Auffallend ist auch, dass Menschen in Städten häufiger an Suizid denken als Menschen in ländlichen Gegenden. Erklärungen dazu liefern die Projektleiter keine. Bei den versuchten Suiziden trat dieser Unterschied dann auch nicht mehr hervor. Auch bei den tatsächlich erfolgten Suiziden sieht es anders aus: Dort stehen ländliche Kantone wie Appenzell Innerrhoden, Jura und Thurgau zuoberst.
Unklar ist weiter, ob Suizidgedanken und -versuche mit dem Alter zusammenhängen. In der Studie waren die Werte bei den 15- bis 24-Jährigen und bei den 55- bis 64-Jährigen besonders hoch. Jedoch gelten die Unterschiede wegen der statistischen Unsicherheiten nicht als gesichert. Jugendliche sind in der Schweiz aber auch gemäss anderen Erhebungen besonders gefährdet. Am häufigsten gaben Befragte ab dem Alter von 85 Jahren an, Suizidgedanken zu haben. Tatsächliche Suizidversuche in den letzten zwölf Monaten gab es aber keine. Da jedoch in dieser Altersklasse nur relativ wenige Menschen befragt wurden, lassen sich laut den Studienautoren keine Schlüsse ziehen.
Während es zu Suiziden selber viele Daten gibt, ist über Suizidversuche nur wenig bekannt. «Es gibt kaum Publikationen dazu, um zu vergleichen», sagt Claudio Peter. «Wir waren aber doch erstaunt, wie häufig Personen über Suizidversuche berichten.»
Rund jede zweihundertste befragte Person gab an, innert der letzten zwölf Monate versucht zu haben, sich das Leben zu nehmen. Hochgerechnet bedeutet dies, dass schätzungsweise 33 000 Menschen ab 15 Jahren innert eines Jahres einen Suizidversuch gemacht haben. Mehr als 200 000 haben in ihrem Leben mindestens einen Suizidversuch hinter sich. Und Esther Walter rechnet damit, dass die tatsächlichen Zahlen wegen der Dunkelziffer noch höher sind.
Das Reden über dieses Thema fällt vielen Menschen schwer. Fast ein Viertel der Personen, die einen Suizidversuch begangen hatten, redeten danach mit niemandem darüber. Dabei könnte gerade dies helfen. «Nach einem ersten Suizidversuch ist das Risiko für weitere Suizidversuche erhöht», sagt Esther Walter. «Zu diesem Zeitpunkt ist das Reden besonders wichtig, aber vorher wäre noch besser.»
Umgekehrt steht oft Einsamkeit in Zusammenhang mit Suizidgedanken. So verspüren denn auch Menschen in einer Partnerschaft im Vergleich zu alleinstehenden seltener den Wunsch, tot zu sein oder sich Leid anzutun. «Viele Menschen haben Angst, jemanden zu fragen, ob er oder sie suizidale Gedanken hat», sagt Esther Walter. «Doch für die Betroffenen ist es entlastend, darüber zu reden.»
Ungewöhnlich sind solche Gedanken nicht. Fast acht Prozent hatten in den zwei Wochen vor der Befragung Suizidgedanken gehabt. Das Leben nehmen sich in der Schweiz rund tausend pro Jahr. Das entspricht ungefähr dem europäischen Durchschnitt. (mim/bzbasel.ch)
Soziale Ausgrenzung und Mobbing ist oft eine Vorstufe von Suizid.