Was wäre das für ein Coup gewesen: Dominique Rinderknecht und Tamy Glauser, als «Taminique» irgendwie sowieso schon auf ewig miteinander verschmolzen, geben sich das Ja-Wort in der wichtigsten Debatten-Sendung des Schweizer Fernsehens. Vielleicht flackerte irgendwo hinter Projers steiler Stirn die leise Hoffnung, dass in seiner «Arena» ein Stück Fernsehgeschichte geschrieben wird.
So weit kam es dann nicht. Rinderknecht, Ex-Miss-Schweiz und Glauser, bekanntestes Schweizer Modell, waren hier, um über die rechtliche Gleichstellung zu sprechen. Nicht, um gutaussehend Symbolakte zu vollziehen. Dem Glamourgebot hatten sie schon Genüge getan, indem sie überhaupt in der Sendung erschienen sind. Nicht jeder Promi würde beispielsweise vor laufender Kamera die Frage beantworten, ob er ein guter Papi wäre. Dominique Rinderknecht tat es ohne mit der Wimper zu zucken.
Auf der Gegenseite war der Promifaktor um einiges tiefer. Schwierig sei es gewesen, Gäste aufzutreiben, die sich gegen die «Ehe für alle» aussprechen, gestand Projer. Das liegt vor allem daran, dass die Sache, über die hier diskutiert wurde, grundsätzlich weitgehend unbestritten ist.
Gleiche Rechte für alle Menschen in der Ehe.
So musste halt die nicht die zweite Garde ran, sondern die Nachhut, und die, das war schnell klar, stand in dieser «Arena» auf verlorenem Posten. Ruedi Löffel, EVP-Grossrat des Kantons Bern, schaffte es zwar unentwegt glitzernd-grossbernerisch zu lächeln, verhedderte sich aber regelmässig im Dickicht der «Biologie» und im Gestrüpp des «natürlichen Umfelds», das für die Kinder essentiell sei.
Noch schlimmer erging es seiner Sekundantin Regula Lehmann, Familienbeauftragte der Stiftung Zukunft, ein christlich-konservativer Thinktank, der regelmässig vor der «schleichenden Einführung der Scharia» warnt und die «Frühsexualisierung» der Kinder anprangert. Im Gedächtnis haften bleibt höchstens Lehmanns schiefer Nazi-Vergleich. Lehmann wollte mit Blick auf die Rechte für Homosexuelle darlegen, dass nicht jede gesellschaftliche Entwicklung per se fortschrittlich sei und wählte als Beispiel dafür ausgerechnet das Dritte Reich.
Lehmann, Löffel & Co. beklagten in einem Fort den Ausverkauf der traditionellen Familie und das Opfern des christlichen Weltbilds auf dem Altar des angeblichen gesellschaftlichen Fortschritts. In den Augen der Gegner ist die Einführung der «Ehe für alle» nämlich der erste Schritt zur Vielehe und zur Senkung des Schutzalters.
Wenn Lehmann ihr Unverständnis über die angebliche Salamitaktik der «Ehe für alle»-Befürworter bekundete, kam man nicht umhin, an die staunenden Fossile in der Geschlechterdebatte zu denken, die mit ehrlicher Verzweiflung fragen, was denn die Frauen eigentlich noch wollen, jetzt, da sie doch schon seit Jahrzehnten das Stimmrecht haben.
«Wir wollen alle Rechte», sagte Glauser schon ganz zu Beginn. Konkret: nicht nur eine eingetragene Partnerschaft, sondern die rechtliche Gleichstellung der Ehe. Denn noch haben eingetragene homosexuelle Paare in der Schweiz eine ganze Reihe von Nachteilen gegenüber heterosexuellen Ehegemeinschaften:
GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy, Urheberin des «Ehe für alle»-Vorstosses, der im Parlament hängig ist, machte auf weitere Missstände aufmerksam, etwa dass Homosexuelle teilweise gezwungen werden, sich zu outen, etwa bei der Visavergabe. Dies könne gerade in Ländern mit repressiver Gesetzgebung zu gefährlichen Situationen führen. Oder, dass zwar homosexuelle Einzelpersonen Kinder adoptieren können, nicht aber homosexuelle Paare.
Und wie schlugen sich Tamynique in der «Arena»? Rinderknecht stand vorne im Rund und schüttelte sich regelmässig vor ungläubigem Lachen. Glauser sass derweil im Publikum und hielt gegen die christlich-konservativen Rollenbildern von Löffel & Co.
Aber es war dann ohnehin ein anderes homosexuelles Paar, dass das Scheinwerferlicht auf sich zog. Arne und Alvaro, zwei junge Homosexuelle, die zusammen ein Kind haben. Die Leihmutterschaft ist in der Schweiz nicht erlaubt, also gingen Arne und Alvaro in die USA und liessen von einer Leihmutter ihr Kind austragen.
Für Löffel, der einst auf Twitter in einer beeindruckenden Geschmacklosigkeit Männer, Katzen und Hunde unter eine Bettdecke steckte, war die Schilderung der jungen Männer ein «rosaroter Werbespruch für etwas, das gemäss Schweizer Bundesverfassung verboten ist und eine moderne Form von Menschenhandel.» Es sei schon «sehr speziell», dass so etwas im Schweizer Fernsehen geschehen könne.
Wie lange es wohl dauert, bis zur 1. Ehe mit einer Katze oder einem Hund? #Ehefüralle nein danke! https://t.co/PclXTEhU50 via @BernerZeitung
— Ruedi Löffel (@ruediloeffel) 13. Juni 2017
Die Wehret-den-Anfängen-Haltung trat den Homo-Ehe-Gegnern aus allen Poren. Dabei übersahen sie, dass sie damit wohl weit hinter dem gesellschaftlichen Konsens liegen. Es hatte schon seine Gründe, dass kein Nationalrat und keine Ständerätin und überhaupt keine Figur mit nationaler politischer Ausstrahlung hier die Fahne der «Ehe für alle»-Gegner hochhalten mochte.
Gewinnen kann man als Gegner der Homo-Ehe nichts, verlieren eine ganze Menge. Ausser man bedient das Segment der erzkonservativen christlichen Wählerschaft. Aber gerade der Debatte um Leihmutterschaft und Fortpflanzungsmedizin hätte eine ideologisch weniger verbrämte und eine moralisch etwas nüchternere Front gut getan.
Roland Lutz, Präsident der SVP Schwyz, war sich zum Schluss der Sendung nicht zu schade, in die mythologische Metaphernkiste zu greifen und die Büchse der Pandora hervorzukramen. Die sei nämlich gerade im Begriff geöffnet zu werden, wetterte Lutz mit heiligem Furor. Und was sie denn zu tun gedenken, wenn ihr Sohn einmal SVP-Wähler werde, fragte er spöttisch in Richtung Arne und Alvaro.
Die «Ehe für alle» würde jener als SVP-Wähler jedenfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit unterstützen. Das nämlich ergab eine Tamedia-Umfrage im Dezember.