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Streit um Kohäsion und Forschung: So viel zahlt die Schweiz an die EU

So viel zahlt die Schweiz an die EU – und so viel kriegt sie zurück

Die EU-Rechnungsprüfer haben sich die Schweizer Finanzbeiträge an die EU angeschaut. Ihr Urteil: In Zukunft wird es teurer werden.
28.04.2021, 05:39
Remo Hess aus Brüssel / ch media
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Bei der Forschung zeigt sich: Bilanz mehr oder weniger ausgeglichen.Bild: KEYSTONE

Sie sorgen für rote Köpfe auf beiden Seiten: Die Kohäsionsmilliarde und die künftige Teilnahme der Schweiz an den EU-Forschungsprogrammen. Beide sind sie im Moment blockiert wegen des Streits um das institutionelle Rahmenabkommen. In beiden Fällen geht es um viel Geld.

Aber um wie viel genau? Wohin gehen diese Zahlungen der Schweiz an die EU überhaupt? Und wie viel kommt zurück? Hier ein Überblick.

Zwei Arten von Zahlungen: Direkt ins EU-Budget und direkt an Kohäsion

Ein am Dienstag publizierter Bericht des Europäischen Rechnungshof, der unabhängigen EU-Prüfinstanz, gibt detailliert Auskunft über die Zahlungen der Schweiz und anderer Drittstaaten an die EU.

Wir erklären dir das institutionelle Rahmenabkommen

Video: Lea Senn, Angelina Graf

Im Prinzip geht es um zwei Arten von Zahlungen: 1. Zahlungen ins EU-Budget für die Teilnahme an EU-Programmen. 2. Zahlungen direkt an EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen der Kohäsion. (Solche machen neben der Schweiz nur die EWR-Staaten Norwegen, Island und Lichtenstein)

Schematische Darstellung der Zahlungen sämtlicher Drittstaaten an die EU im Jahr 2019.
Schematische Darstellung der Zahlungen sämtlicher Drittstaaten an die EU im Jahr 2019.grafik: ECA

EU-Budget: Knapp 2.5 Milliarden Franken gehen direkt in EU-Kasse

Im Finanzierungszeitraum 2014-2019 zahlte die Schweiz rund 2.45 Milliarden Franken direkt in die EU-Kasse ein (knapp 2.2 Milliarden Euro).

Das Gros entfiel mit rund 1.95 Milliarden Franken auf das Forschungsprogramm Horizon2020.

Im selben Zeitraum erhielt die Schweiz aus den EU-Forschungstöpfen 1.87 Milliarden Franken zurück, wie Zahlen des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation zeigen. Diese sind nicht abschliessend und können sich noch nach oben bewegen. Es zeigt aber: Die Bilanz ist nahezu ausgeglichen. In der Periode 2007 bis 2013 machte die Schweiz noch ein Plus von 235 Millionen Franken.

Neben der Forschung zahlte die Schweiz 2014 - 2019 rund 440 Millionen Franken an andere EU-Programme, an denen sie teilnimmt. Knapp 300 Millionen entfallen auf die EU-Satellitenprogramme wie das GPS-Double «Galileo». Etwas mehr als 100 Millionen kostet die Teilnahme an Schengen und der Sicherheitszusammenarbeit. Nochmals 25 Millionen gingen für die Zusammenarbeit im Bereich der Statistik drauf.

Zum Vergleich: Das EWR-Land Norwegen zahlt mit 2.18 Milliarden Euro praktisch gleich viel wie die Schweiz, obwohl es mit seinen 5.3 Millionen Einwohner nur rund 60 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung aufweist. Israel bezahlte für die Teilnahme an Horizon2020 rund 1 Milliarde Euro.

So teilen sich die Beiträge der Schweiz ans EU-Budget im Jahr 2019 auf.
So teilen sich die Beiträge der Schweiz ans EU-Budget im Jahr 2019 auf.tabelle: eca

Kohäsionsbeiträge: 1.3 Milliarden als «Eintrittsticket »in den Binnenmarkt

Neben den Zahlungen ins EU-Budget unterstützt die Schweiz mit den Kohäsionsgeldern vor allem ost- und zentraleuropäische EU-Staaten auch direkt.

Seit 2007 bezahlte die Schweiz rund 1.3 Milliarden Franken über zehn Jahre hinweg an die 13 EU-Staaten, die der EU seit 2004 beigetreten sind. Der Hauptteil des Schweizer Beitrags ging an Polen (ca. 900 Mio.), Ungarn (ca. 235 Mio.) und Rumänien (ca. 550 Mio).

In ihrem Bericht halten die EU-Rechnungsprüfer fest, dass der Bundesrat die Erneuerung des Kohäsionsbeitrags zwar 2018 beschlossen habe. Das Geld aber wegen des Streits um die Börsenäquivalenz blockiert bleibt. Er verweist auf eine Entschliessung des EU-Parlaments aus dem Jahr 2019, wonach die Schweiz grossen Nutzen aus dem Binnenmarkt ziehe und deshalb deutlich mehr bezahlen sollte. Die Rechnungsprüfer betonen, dass künftig sichergestellt werden müsse, dass die Beiträge in einem «angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen» stünden, die sich aus dem Marktzugang ergäben.

Ein Direktvergleich mit den EWR-Staaten ist schwierig, da sich die Beiträge auf einen anderen Zeitraum verteilen. Aber: Die EWR-Staaten zahlten zwischen 2014 und 2021 insgesamt 2.8 Milliarden Euro (ca. 3.1 Mia. Franken) an Kohäsionsgelder. Das Gros entfiel auf mit über 95 Prozent auf Norwegen.

Wohin die Schweizer Kohäsionsbeiträge seit 2007 flossen (Angaben in Mio.)
Wohin die Schweizer Kohäsionsbeiträge seit 2007 flossen (Angaben in Mio.)grafik: eca

Fazit: Es wird teurer werden

Der Bericht der EU-Rechnungsprüfer legt nahe, dass die Schweiz in Zukunft mehr an die EU zahlen muss. Aus zwei Gründen.

  1. Die Teilnahme an EU-Programmen wie der Forschungszusammenarbeit wird teurer, weil die EU wegen des Brexits insgesamt weniger Geld zur Verfügung hat.
  2. Die Rechnungsprüfer raten der EU, künftig die Vorteile aus dem Binnenmarktzugang in die Waagschale zu werfen und ein «angemessenes Verhältnis» zu den Zahlungen anstreben. Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Schweiz wie kaum ein anderes Land vom Binnenmarkt profitiert. Und auch im Direktvergleich mit Norwegen kommt die Schweiz wesentlich billiger weg. (aargauerzeitung.ch)
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103 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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who cares?
28.04.2021 06:56registriert November 2014
Mich stört, dass so viel Geld an Polen ging, wo Frauenrechte und Rechte von Minderheiten sowie der Rechtstaat mit Füssen getreten werden.
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Dud3
28.04.2021 07:15registriert Oktober 2019
Kann es sein, dass wir deshalb so viel Forschungsgelder zurückerhalten, weil wir selber überdurchschnittlich viel für die Forschung im Innland augeben, von der am Ende auch das Ausland profitiert? Dann macht eine Betrachtung der reinen Geldflüsse keinen Sinn.
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Ökonometriker
28.04.2021 06:42registriert Januar 2017
Das meiste Geld, das die Schweiz für die EU zahlt, geht für Grundlagenforschung drauf. Auf Grund der tieferen Preise in der EU kann ein Franken, der dort für Grundlagenforschung aufgewendet wird, viel mehr bewirken als in der Schweiz. Der Ertrag, wissenschaftlicher Fortschritt, ist aber öffentlich und damit auch für die Schweiz zugänglich. Die ausgebildeten Wissenschaftler dank PFZ ebenfalls.

Daher eigentlich sogar im Interesse der Schweiz, mehr Grundlagenforschung in der EU zu betreiben. Ein Vorteil der europäischen Integration.
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Eklat in der SVP: Christian Imark stellt pikante Forderung an Magdalena Martullo-Blocher
Das ist höchst ungewöhnlich. Energiespezialist Imark greift SVP-Vizepräsidentin Martullo-Blocher offen an. Sein Vorwurf: Mit ihrem Nein zum Stromgesetz gefährde sie langfristige Parteiinteressen.

Auf der einen Seite steht Christian Imark. Der SVP-Nationalrat aus Solothurn brachte am 2021 das CO₂-Gesetz praktisch im Alleingang zum Absturz. Im Februar 2024 reichte er als Mitglied des Initiativkomitees die Blackoutinitiative ein, die neue AKW wieder erlauben will. Und 2023 war er als Vertreter der Energiekommission (Urek) verantwortlich dafür, dass die SVP-Fraktion das Stromgesetz von SVP-Bundesrat Albert Rösti mit 36:18 Stimmen absegnete. Die Volksabstimmung findet am 9. Juni statt.

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