Ein Abstimmungskampf ist immer auch ein Ringen um die Deutungshoheit über Schlagworte. Stimmt die Schweizer Bevölkerung am 27. November nun über einen «geordneten Ausstieg aus der Atomenergie» ab – wie der Originaltitel der Initiative verheisst – oder eben doch über ein ungeordnetes Abschalten der hiesigen Kernkraftwerke, wie es Bundesrätin Doris Leuthard an der gestrigen Pressekonferenz nannte?
Zur Erinnerung: Mit ihrem Volksbegehren verlangen die Grünen, dass die drei ältesten AKW der Schweiz (Beznau I und II sowie Mühleberg) im Jahr 2017 vom Netz gehen. Gösgen (2024) und Leibstadt (2029) sollen folgen.
Bei ihrer Argumentation, warum die von der Initiative geforderte Marschroute überhastet sei, beziehen sich die Gegner der Initiative auch auf die Erfahrungen des Atomkraftwerks Mühleberg. Dessen Betreiber, der Berner Energiekonzern BKW, entschied 2013, das Werk im Jahr 2019 vom Netz zu nehmen – zwischen dem Abschaltbeschluss und dem effektiven Abschalten vergehen also sechs Jahre. «Diese Zeit ist notwendig, um den Ausstieg, die Stilllegung und den Rückbau vorzubereiten», sagte gestern BKW-Chefin Suzanne Thoma vor den Medien.
Der Hintergrund ihrer Aussage ist klar: Ein «schneller» Atomausstieg, wie er von der Initiative gefordert wird, ist für die Gegner nicht nur aus versorgungstechnischer Sicht problematisch, sondern auch aus finanzieller. «Es ist eine teure Scheinlösung. Teuer darum, weil die drei kurzfristig abgestellten Kraftwerke über mehrere Jahre nutzlos – man kann es nicht anders sagen – herumstehen würden», so Thoma.
Während dieser Übergangszeit bis zur Abschaltung, in der das AKW Mühleberg nun gerade steckt, fallen gemäss Thoma praktisch die gleichen Kosten an wie zuvor. Wenn die drei ältesten Werke aufgrund eines allfälligen Volksentscheids nun aber innerhalb eines Jahres abgeschaltet werden müssten, gebe es viel schneller keinen Ertrag mehr. Es stimme zwar, dass die Schweizer Kernkraftwerke im aktuellen Marktumfeld bereits heute kaum Geld verdienten. «Zwischen keinem Gewinn und null Umsatz gibt es aber einen Unterschied», sagt Thoma.
Die BKW-Chefin geht demnach davon aus, dass die Schweizer AKW noch einige Jahre betrieben werden können – sofern das Stimmvolk die Atomausstiegs-Initiative ablehnt. Doch nicht bei jeder Anlage ist das so klar: Beznau I ist seit März 2015 vom Netz, erst Ende 2016 dürfte die Anlage wieder hochgefahren werden. Und auch Leibstadt, das neuste AKW der Schweiz, steht aus Sicherheitsgründen voraussichtlich bis Februar 2017 still.
Für Grünen-Präsidentin Regula Rytz sind die derzeit abgestellten AKW geradezu ein Beweis dafür, dass die Annahme der Initiative nötig ist. «Es ist eine Realität, dass die bestehenden Kraftwerke laufend ungeplante Ausfälle haben und damit viel Geld verlieren. Der Ausstiegsfahrplan, wie er von der Initiative gefordert wird, macht deshalb Sinn», sagt sie. Nur so werde rechtzeitig in sauberen Strom investiert.
BKW-Chefin Thoma habe recht, dass die Vorbereitung eines AKW-Rückbaus Jahre in Anspruch nehme und teuer sei. «Doch das muss so oder so eines Tages passieren – Initiative hin oder her», so Rytz. Wenn man die AKW hingegen ohne Befristung weiterlaufen lasse, handle man sich ein doppeltes Sicherheitsrisiko ein. Eines für die Bevölkerung und eines für die Stromversorgung. Die Tatsache, dass derzeit zwei und letztes Jahr während einer kurzen Zeit gar alle fünf Kraftwerke keinen Strom lieferten, zeige diese Unwägbarkeiten schonungslos auf. «Mit der Initiative hingegen weiss man, woran man ist und hat Planungssicherheit», sagt Rytz.
Es kann einfach nicht sein, dass die schweiz unbewohnbar wird wegen ein paar investoren, die noch gerne ein paar fränkli mehr verdienen möchten.
Mehr muss dazu eigentlich gar nicht sagen.
Wenn sie's nicht täten wärs prekär.