Die Schweiz im Dunkeln: Zivilschützer füllen Treibstoff ab für einen Stromgenerator.screenshot: srf
Kommentar
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein massiver Stromausfall das alltägliche Leben in der Schweiz zum Erliegen bringt. Spätestens nach einer Woche finden wir auf die harte Tour heraus, wozu Menschen fähig sind.
04.01.2017, 09:5704.01.2017, 20:52
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Der Strom kommt aus der Steckdose, und wir geniessen die Vorzüge der 24-Stunden-Konsumgesellschaft.
Wer will es da meiner Kollegin Simone Meier verdenken, dass sie die fiktiven Folgen eines landesweiten «Blackouts» mit einem müden Lächeln kommentiert ...
Doch wir sollten uns nicht in falscher Sicherheit wiegen.
Der vom Schweizer Fernsehen inszenierte Stromausfall endete nach fünf kalten Tagen und Nächten. Die Drehbuchschreiber ersparten uns so den Horror, den ein noch längerer Blackout mit sich bringen würde – und dies vor allem in den Städten, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben.
Ob wegen einer Hacker-Attacke, Inkompetenz oder gierigen Strom-Dealern:
Nach einem Blackout dauert es rund eine Woche, dann brechen in einem Land wie Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände aus.
Das ist keine dramatische Zuspitzung eines sensationsgeilen Journalisten, sondern wissenschaftlich belegt: Forscher untersuchten 2011 die Folgen «eines langandauernden und grossräumigen Stromausfalls». Ihre Studie mit dem Titel «Was bei einem Blackout geschieht» ist hier verfügbar (PDF).
Zum menschlichen Verhalten heisst es:
«Manche Individuen und Gruppen fallen hinter die etablierten Normen des
gesellschaftlichen Zusammenlebens zurück. Sie werden rücksichtsloser, aggressiver
und gewaltbereiter. Die Bereitschaft zu helfen kann abnehmen. Andererseits
werden auch Reaktions- und Verhaltensformen wie Kooperation, Empathie und Hilfsbereitschaft zutage treten, wodurch die Betroffenen das Gefühl der Bewältigbarkeit
der Katastrophe gewinnen.»
quelle: studie «Was bei einem blackout geschieht» (pdf) Blackout – wenn plötzlich nichts mehr geht
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Blackout – Wenn nichts mehr geht
Gravierende Stromausfälle sind kein neues Phänomen – im Gegenteil: Ein Polizist bewacht am 9. November 1996 im New Yorker Stadtteil Bronx nach einem Blackout einen Eingang.
quelle: ap / str
Sind wir in der Schweiz besser dran?
Zwar hat sich in den letzten Jahren einiges getan – doch gilt dies nicht nur im positiven Sinn: Der Hunger nach elektrischer Energie erscheint je länger desto unstillbarer, die Stromversorgung wird immer komplexer und das Profitstreben unverschämter.
«Wir planen kurzfristig. Speichern müssen wir nicht. Alles ist jederzeit verfügbar.»
Zitat aus dem 2014 veröffentlichten Video «Schweiz im Dunkeln» des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz. Ein Blackout mag für viele moderne Menschen unvorstellbar sein – und doch kann er jederzeit eintreffen. Es braucht nur eine unglückliche Verkettung von Zufällen. Oder bösen Willen.
Das Schweizer Fernsehen hat mit dem «Blackout»-Themenabend den Finger auf den wunden Punkt gelegt – und ist damit auch seinem Service-Public-Auftrag nachgekommen.
Für einen Oscar wird es nicht reichen, und ja, das «Product Placement» mit dem immer wieder gut sichtbaren iPad tat sogar dem Digital-Redaktor weh. Die Botschaft des Films sollte aber jeden und jede aufrütteln, ob Landei oder Stadtmensch.
Was mir negativ auffiel ist, dass die TV-Macher das Horror-Szenario eines AKW-Unfalls von sich aus «entschärften». Statt die bedenklich alte bzw. veraltete Reaktor-Technologie zu kritisieren, funktionierten sie einen angeblichen GAU nahe Basel in Kritik an den sozialen Netzwerken um. «Böse Fake News!»
So gab es statt eines erschütternden Worst-Case-Szenarios ein melodramatisches TV-Happening. Und wegen der schwierigen juristischen Suche nach den Schuldigen ging fast die gute Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger vergessen: Wir müssen nicht untätig abwarten, bis der Strom ausbleibt.
Wir können entscheiden, ob es mit ein paar Litern Mineralwasser, Dosen-Ravioli und einem Gas-Kocher im Keller getan ist. Und wir sollten uns fragen, ob wir uns bei Sicherung der Stromversorgung auf über 40-jährige AKW verlassen wollen.
Folgende Punkte legen uns die Fachleute ans Herz:
- Notvorrat zuhause anlegen.
- Trinkwasser für mehrere Tage.
- Reisedokumente und ausreichend Bargeld bereithalten.
- Mit den Liebsten einen Notfall- und Fluchtplan festlegen, der auch ohne Handy-Kommunikation klappt.
Keine Panik, aber...
SRF Online schreibt: «Die Schweizer Stromversorgung ist eine der stabilsten der Welt. Im Durchschnitt hat man hier nur während 20 Minuten jährlich keinen Strom.»
Auch schnell behobene grossräumige Stromausfälle gehen ins Geld. Zu den drohenden Kosten heisst es, dass ein Blackout zwischen Mitternacht und 3 Uhr morgens so gut wie keinen finanziellen Schaden anrichten werde, einer zwischen Mittag und 3 Uhr nachmittags hingegen sehr viel. «Eine Faustregel sagt, dass ein landesweiter Blackout die Volkswirtschaft pro Minute eine Milliarde Franken kostet.» Doch sei die Berechnungsgrundlage sehr umstritten.
Den Löwenanteil des Schadens trägt in jedem Fall die Allgemeinheit. Das könnte dich auch interessieren:
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