Artikel: Schweizer Luftwaffe und andere
Besonders anfällig für Manipulationen scheinen Artikel, die sich um die Schweizer Luftwaffe drehen. Der Hauptartikel zum Thema wurde von Benutzern aus der Bundesverwaltung munter abgeändert und aufpoliert – stets im Interesse der Behörden. Mittlerweile zählt der Text über 40 Änderungen aus dem Bundesnetz. Teilweise umfassen die hinzugefügten Passagen mehr als 2000 Zeichen. Manche der Änderungen schafften es ungefiltert in die Wikipedia.
Benutzer aus der Bundesverwaltung gelang es etwa, mehrere Passagen über gescheiterte Fliegerbeschaffungen zu entfernen. Ein Teil der Änderungen wurde von Administratoren jedoch entdeckt und rückgängig gemacht. So versuchten Autoren im November 2012, den gescheiterten Kauf von Transportflugzeugen als ideologisches Werk der Grünen und der SVP darzustellen.
Um andere Passagen gab es einen veritablen Informationskrieg: Bundesbeamte schrieben Werbetexte, Administratoren löschten diese, Beamte hauten erneut in die Tasten. Weiter ging nur noch die Forderung eines Beamten im Diskussionsforum zum Artikel. Den Volksinitiativen gegen die Beschaffung von Kampfflugzeugen werde «viel zu viel Platz beigemessen», monierte er im Dezember 2011. Der Beitrag solle lieber über die Luftwaffe informieren – «und nicht über indirekte Dinge».
Artikel: Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit und andere
PR-Beiträge sind für die Administratoren der Wikipedia oft leicht erkennbar, vor allem dank blumiger Worthülsen. Auch Benutzer aus der Bundesverwaltung tappen in diese Falle. Regelrecht schöngefärbt wurde etwa der Artikel zur Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), der bislang unbeanstandet blieb. Selbstdarstellerische Sätze informieren über die Aufgaben der Entwicklungshelfer. Nur ein Beispiel: «Multilateral engagiert sich die Deza in internationalen Organisationen und unterstützt im Rahmen der globalen Programme gezielt Innovationen und Projekte in den Bereichen Klimawandel, Wasser, Ernährungssicherheit, Migration und Gesundheit.»
Der Beitrag zum Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) entstand ebenfalls zu grossen Teilen in den Berner Amtsstuben. Die Autoren berichten, wie Seuchen «mit grossem Einsatz auf allen Stufen der Veterinärbehörden» ausgerottet worden seien.
Ähnliche Phrasen versuchten Beamte in weiteren Artikeln unterzubringen: Unter anderem in den Beiträgen zu mehreren Bundesämtern und zum Aussendepartment. Aber auch in jenen zu Armasuisse (Rüstungsbehörde), Ruag (Rüstungsfirma) und zur staatlichen Militärakademie.
Artikel: Schweizer Nachrichtendienste
Die Schweizer Nachrichtendienste sorgen regelmässig für Aufsehen. Mal mit einer Datenpanne, mal mit dilettantisch anmutenden Spähmethoden. Auch der Wikipedia-Artikel zu den Nachrichtendiensten ist mit Vorsicht zu geniessen: Fand der geneigte Leser hier bis zum 18. Dezember 2011 noch einen Satz zur Diskussion um das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendienst und Polizei, war dieser plötzlich verschwunden. Gelöscht wurde die Passage von einem Benutzer der Bundesverwaltung.
Im September 2012 folgten die nächsten Artikeländerungen, die sich dem Bundesnetz zuordnen liessen. So versuchte ein Mitarbeiter, Informationen über die Überwachung von Internet und Telefonie zu glätten. Fakten zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung, belegt mit amtlichen Quellen, sollten verschwinden. Mehrere Passagen wurden durch Allgemeinplätze ersetzt. So hiess es etwa schwammig: Im Fernmeldeverkehr würden Informationen anfallen, «die zur Aufklärung von schweren Verbrechen erforderlich sein können».
Artikel: Weiterentwicklung der Armee
Die «Weiterentwicklung der Armee» ist das grosse Reformprojekt des Schweizer Militärs. Auf dem neusten Stand ist der Wikipedia-Artikel dazu zwar ohnehin noch nicht. So findet sich darin kein Wort, dass die Reform im Parlament zunächst gescheitert ist. Doch auch sonst ist der Artikel kaum eine verlässliche Quelle. Denn über zwei Drittel des aktuellen Textes wurden von Benutzern aus der Bundesverwaltung geschrieben.
Der Artikel strotzt vor PR-Floskeln: Die Reform diene der Armee dazu, ihre «regionale Verankerung zu stärken» und das Verhältnis zu den finanziellen Mitteln auf eine «nachhaltig solide Basis zu stellen». Damit solle die Armee in der Lage sein, «auch in Zukunft die Schweiz und ihre Bevölkerung wirksam gegen moderne Bedrohungen und Gefahren zu verteidigen und zu schützen».
Artikel: Staatssekretariat für Migration
Immer mehr Asylgesuche, immer mehr Beschwerdeverfahren: Der Pendenzenberg im Bundesamt für Migration (heute Staatssekretariat für Migration) gibt oft zu reden. Besonders im Sommer 2007. Damals stapelten sich zeitweise über 6400 offene Fälle beim Bundesverwaltungsgericht. Gesetzliche Fristen konnten kaum mehr eingehalten werden. Die Kollegen vom Bundesgericht mahnten zur Eile und sprachen gar von einem «enormen Pendenzenberg». Die Lage entspannte sich erst nach einer Asylgesetzrevision.
Nur: Über die turbulente Situation im Jahr 2007 ist bei Wikipedia nichts mehr zu erfahren. Ein 225 Zeichen langer Abschnitt dazu ging einem Benutzer aus der Bundesverwaltung wohl gegen den Strich. Im Januar 2015 löschte er den entsprechenden Eintrag erfolgreich.