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Klimaaktivisten: Staatsanwalt legt Rekurs gegen Freispruch ein

Bad News für die Klimaaktivisten: Staatsanwalt legt Rekurs gegen Freispruch ein

14.01.2020, 15:4914.01.2020, 16:04
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Um diese Aktion ging es.
Um diese Aktion ging es.Bild: KEYSTONE

Nach dem Freispruch eines Waadtländer Gerichts für zwölf Klimaaktivisten geht der juristische Streit weiter. Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag beschlossen, den Fall an das Berufungsgericht zu überweisen.

Generalstaatsanwalt Eric Cottier übernimmt den Fall. Seiner Auffassung nach gibt das Urteil "eine überraschende Antwort auf eine rechtliche Grundsatzfrage".

Freispruch am Montag

Die zwölf Klimaaktivisten hatten am Montag ihren Prozess wegen einer Aktion in den Räumlichkeiten der Grossbank Credit Suisse (CS) in Lausanne gewonnen. Das Bezirksgericht in Renens VD sprach sie frei.

Klimaaktivisten streuen Kohle in Filiale der UBS in Lausanne
Nach dem Sieg vor der Waadtländer Justiz am Montag haben Dutzende Klimaaktivisten am Dienstag erneut eine Aktion in einer Bank in Lausanne durchgeführt. Nach der Credit Suisse war dieses Mal die UBS dran.
Erneut prangerten die Klimaschützer die Investitionen der Banken in fossile Brennstoffe an. Die Aktion habe im Rahmen der Kampagne für die Ergänzungswahl in den Waadtländer Staatsrat vom 9. Februar stattgefunden, teilten die Verantwortlichen des Waadtländer Klimastreiks mit.
Etwa dreissig in Anzüge und Krawatten gekleidete Klimaschützer nahmen an der Aktion am frühen Nachmittag in der UBS-Filiale an der Place St-François teil. Sie streuten Kohle in die Empfangshalle der Bank. Sie forderten, dass die UBS sofort aufhören müsse, in fossile Brennstoffe zu investieren. Die Polizei war vor Ort, griff zunächst aber nicht ein, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. (sda)

Der Gerichtspräsident und einzige Richter Philippe Colelough kam zum Schluss, dass die zwölf Mitglieder der Bewegung Lausanne Action Climat (LAC) aus Gründen eines «rechtfertigenden Notstandes» gehandelt hätten. Er befand, dass das Vorgehen der Aktivisten angesichts der Klimakatastrophe «notwendig und angemessen» gewesen sei.

Ihre Aktion sei der «einzige wirksame Weg gewesen, um die Bank zu einer Reaktion zu bewegen, und der einzige Weg, um die notwendige Aufmerksamkeit von den Medien und der Öffentlichkeit zu erhalten», begründete der Gerichtspräsident sein Urteil weiter.

Verkleidet als Federer

Der Prozess war der erste in dieser Grössenordnung in der Schweiz seit Beginn der Mobilisierung für das Klima. Vor Gericht standen zwölf Mitglieder der Bewegung Lausanne Action Climat (LAC). Die Aktivisten im Alter zwischen 21 und 34 Jahren hatten am 22. November 2018 während eineinhalb Stunden eine CS-Filiale in der Waadtländer Hauptstadt besetzt.

Als Tennisspieler verkleidet prangerten sie die "Heuchelei einer Bank an, die sich in ihren Kampagnen des positiven Ansehens von Roger Federer bedient und gleichzeitig eine umweltschädliche Investitionspolitik verfolgt". Die Bank erstattete Anzeige.

Im Frühjahr 2019 wurden die Protestierenden wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands gegen Anordnungen der Polizei zu bedingten Geldstrafen von je dreissig Tagessätzen bei zwei Jahren Bewährung und zu einer Geldstrafe von je 400 bis 600 Franken – umwandelbar in 13 bis zwanzig Tage Haft – verurteilt.

Zusammen mit den Gerichtskosten hätte sich die Rechnung für die Aktivisten auf total 21'600 Franken belaufen. Diese Strafen wollten sie nicht akzeptieren. Sie fochten die Strafbefehle an und beschritten damit den Gerichtsweg.

Weitere Prozesse möglich

In den nächsten Monaten dürften in der Schweiz weitere Prozesse gegen Klimaaktivisten stattfinden. Allein im Kanton Waadt sind fast 120 Mitglieder der Bewegung Extinction Rebellion für verschiedene Aktionen per Strafbefehl verurteilt worden. Weil die meisten von ihnen die Strafbefehle anfochten, werden auch diese Fälle vor Gericht verhandelt werden.

(aeg/sda)

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71 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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D_M_C
14.01.2020 16:42registriert September 2018
bleibt spannend
Die Grundsatzfrage gehört geklärt.
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Tobias W.
14.01.2020 18:37registriert Januar 2017
Die Urteilsbegründung ist absolut absurd. Das würde ja praktisch Selbstjustiz erlauben. Zudem gibt es in der Schweiz die Möglichkeit, solche Anliegen auf politischem Weg zu erreichen. Wenn der Richter also sagt, das vergehen der Aktivisten sei „die einzige Möglichkeit“, dann lügt er entweder wie gedruckt, oder hat dermassen keine Ahnung, dass er eigentlich nicht Richter sein sollte.

Aber wahrscheinlich ist er aus derselben politischen Ecke wie die Aktivisten; und da gibt es viele, die das Recht gerne einfach nach ihrem Gusto auslegen.

Der Staatsanwalt wird sicher recht bekommen.
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Helvetiavia Philipp
14.01.2020 16:50registriert Februar 2018
Die Urteilsbegründung schafft eine verheerende Rechtsunsicherheit. Mit dem Rechtfertigungsgrund der Notwendigkeit, um seine guten Ziele zu erreichen könnte ich sonst zukünftig mit meinem Cayenne mit 120 innerorts an die Klimademo rasen, wenn ich bei langsamer Fahrt zu spät käme.
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