Schweiz
Coronavirus

Corona-Impfungen: Die Schweiz hat Verspätung gegenüber den Nachbarn

Corona-Impfungen: Die Schweiz hat Verspätung gegenüber den Nachbarn

Österreich will schon im Januar impfen. Die Schweiz erst im Frühsommer, weil es bei uns keine Notfallgenehmigung für einen Impfstoff gibt.
26.11.2020, 05:15
Bruno Knellwolf / ch media
Mehr «Schweiz»
FILE - In this undated file photo issued by the University of Oxford on Monday, Nov. 23, 2020, a researcher in a laboratory at the Jenner Institute in Oxford, England, works on the coronavirus vaccine ...
In Österreich soll in zwei Monaten mit der Corona-Impfung begonnen werden (Symbolbild).Bild: keystone

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz geht voran und will schon im Januar mit den Corona-Impfungen beginnen. Und in Deutschland werden bereits die ersten Impfzentren vorbereitet. In der Schweiz wird es erst im Frühsommer eine Impfung geben. Das hat Virgine Masserey vom Bundesamt für Gesundheit am Dienstag erklärt. Warum hinkt die Schweiz den Nachbarn hinterher?

Das hat mit dem Tempo des Zulassungsentscheids zu tun. Eigentlich stehen drei Impfstoffe bereit. Die Schweiz hat vorsorglich Impfdosen bestellt, doch ohne Zulassung der Swissmedic wird es keine Verteilung der Impfdosen geben. Das besorgt die Ungeduldigen, weil die Impfung als der einzige realistische Weg zurück in die Normalität gesehen wird und tatsächlich auch keine Alternative dazu in Sicht ist.

Beschleunigtes Verfahren auch in der Schweiz

Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic arbeitet mit den gleichen Verfahren wie die Zulassungsstellen in anderen Ländern auch. Swissmedic behandle alle Gesuche für Impfstoffe oder Medikamente gegen Covid-19 prioritär, erklärt Lukas Jaggi von Swissmedic «Ohne Abstriche bei der Prüfung von Qualität und Sicherheit zu machen. In der Schweiz läuft das Verfahren angesichts der Pandemie sehr schnell, die Pharamfirmen reichen im «rollenden Verfahren» verfügbare Daten aus noch laufenden klinischen Studien in vorher vereinbarten Schritten ein, sobald diese verfügbar sind.

Die wissenschaftliche Bewertung der Daten sei in allen Ländern mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle gleich. Wann ein Entscheid über eine Erstzulassung getroffen werden könne, hänge somit zu einem grossen Teil von den Pharmafirmen selbst ab. Wenn für den Zulassungsentscheid so wie in anderen Ländern genügend Daten vorlägen, könne eine Zulassung ähnlich schnell erfolgen wie in anderen Ländern.

Nach diesem Video verstehst auch du, wie Covid-Impfungen funktionieren

Video: watson/jah/lea

Express mit Notfallgenehmigung geht es in der Schweiz nicht

Bei den Corona-Impfstoffen geht das aber nun in anderen Ländern schneller, weil Pharmafirmen dort eine Notfallgenehmigung beantragen können. So wie es Pfizer am vergangenen Freitag in den USA gemacht hat. In der Schweiz ist ein solches «vorzeitiges Inverkehrbringen» eines Corona-Impfstoffes während der Begutachtung aktuell rechtlich nicht möglich, erklärt Jaggi.

Trotz der hohen Dringlichkeit des Impfstoffs habe die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung oberste Priorität. Ein Impfstoff könne erst zugelassen werden, wenn aus der Dokumentation hervorgehe, dass der erwartete Nutzen grösser ist als die potentiellen Risiken. «Noch erlauben die bisher geprüften Daten keinen abschliessenden Nutzen-Risiko-Entscheid», sagt Jaggi.

Wissenschaftlich und ethisch nicht gerechtfertigt

Da stimmt der Basler Epidemiologe Marcel Tanner von der Covid-19-Taskforce zu: «Die bisherigen Studien-Resultate sind hoffnungsvoll. Aber erst wenn die klinische Testphase III abgeschlossen ist, kann man das Potenzial der Impfstoffe beurteilen.» Eine Notzulassung ist nach Tanner wissenschaftlich und ethisch nicht gerechtfertigt. Diese Verzögerung und damit auch die weitergehende Einhaltung der Massnahmen müsse man aushalten, das werde trotz Impfstoff vorderhand auch in Österreich nicht anders sein.

Der Epidemiologe Tanner sagt:

In der Schweiz verfolgen wir so den normalen wissenschaftlichen Prozess. Ein grosser Teil der Bevölkerung wäre gegenüber einer Beschleunigung kritisch eingestellt.

Der Verzicht auf eine Notzulassung werde uns nicht in Bedrängnis bringen. Ein solcher Entscheid sei immer eine Güterabwägung. Wäre die Mortalität noch deutlich höher, so wie beispielsweise bei der Infektionskrankheit Ebola, bei der 60 Prozent der Infizierten sterben, wäre die Güterabwägung natürlich ein andere.

Verteilung sollte kein Problem sein

Ist die Zulassung da, muss der Impfstoff so schnell wie möglich verteilt werden. Das hängt auch von den Produktionskapazitäten der Pharmafirmen ab. Die logistische Herausforderung der Verteilung der Impfstoffe, zuerst ans Gesundheitspersonal und danach an Risikogruppen, hält Tanner für machbar. Dafür erarbeite das BAG zusammen mit den Kantonen eine Impfstrategie.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
NotifyMe: Die neue App der SwissCovid-Macher gegen Corona
1 / 14
NotifyMe: Die neue App der SwissCovid-Macher gegen Corona
NotifyMe ist eine neue App, entwickelt von den SwissCovid-Machern. Sie soll helfen, alle Besucherinnen und Besucher eines Events – ob privat oder geschäftlich – vor einer möglichen Corona-Ansteckung zu warnen. watson konnte die Testversion ausprobieren.
quelle: screenshot: notify-me.ch
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Ja, ich versteh's einfach nicht. Ihr stellt euch alle hier hin ohne Maske... ohne Abstand.»
Das könnte dich auch noch interessieren:
128 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Piora
26.11.2020 07:02registriert Januar 2020
leider haben viele in den kommentaren nicht verstanden wie ein impfstoff entwickelt und getestet wird. und von der arbeit der swissmedic verstehen die schreiber leider auch nicht viel. ich danke der swissmedic für eine genaue prüfung der impfstoffe, denn ich spiele nicht erne versuchskaninchen für die pharmabetriebe, wie es in anderen ländern mit den notzulassungen der fall sein wird. ein impfstoff zulassen ohne dass alle prüfungen abgeschlossen sind? wirklich ist es das was ihr alle wollt?
284110
Melden
Zum Kommentar
avatar
Cpt. Jeppesen
26.11.2020 08:11registriert Juni 2018
Lukas Jaggi bescheinigt dem Rest der Welt implizit unethisches Verhalten, weil diese den Impfstoff früher in Umlauf bringen?
Die Gesundheitsbehörden aller Länder sind doof und nur Swiss-Medic weiss wie es geht, oder?
Ist er wirklich der Meinung die EU-Länder machen keine genauen Tests, bevor sie etwas an die Bevölkerung abgeben? Das gleiche Spiel mit Schnelltests oder x-beliebig anderen Dingen, die in Europa zugelassen sind, aber hier eine extra Zulassung brauchen. Auch ein Weg den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.
15384
Melden
Zum Kommentar
avatar
Unbreaky
26.11.2020 08:09registriert November 2015
Ich verstehe, dass ein Impfstoff erst zugelassenen wird, wenn dessen Sicher- und Wirksamkeit bestätigt wurde. Finde ich ja gut. Ich hoffe trotzdem, dass dies etwas früher der Fall sein wird. Ansonsten reicht eventuell die Zeit nicht bis zur nächsten Welle im Herbst um alle zu impfen die wollen.
8130
Melden
Zum Kommentar
128
Unfallverhütungsstelle ruft Velohelme für Kinder zurück

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) ruft diverse Velohelme für Kinder zurück. Da die Kinderhelme aufgrund eines Fehlers am Befestigungssystem nicht richtig auf dem Kopf sitzen würden, bestehe bei Stürzen eine Verletzungsgefahr.

Zur Story