Früher, strenger, umstrittener: Der zweite Tag der Corona-Session des eidgenössischen Parlaments versprach, streng zu werden. Viele kamen gestern erst gegen 22 Uhr aus dem Parlamentsgebäude und mussten schon um 07 Uhr wieder an einer Sitzung sein, um die Themen des Dienstags in der Fraktion oder Kommission vorzubereiten.
Auf der Traktandenliste standen gleich mehrere umstrittene Themen: Wie sollen Medien unterstützt werden? Was passiert mit Gewerbemieten und Corona-Krediten? Wie kommt die Schweiz aus dem Shutdown heraus?
Das erste Traktandum im Nationalrat drehte sich erneut um die höchstpolitische Frage, wie und ob «flugnahen Betrieben» nebst den Airlines Swiss und Edelweiss geholfen werden soll. Die Diskussion spielte sich auch vor dem improvisierten Parlamentsgebäude ab: Rund 20 Jugendliche protestierten mit Plakaten, Transparenten und Mundschutz gegen die Staatshilfe und für Klimaschutz.
Die Polizei intervenierte und verursachte ein irritierendes Bild vor der BernExpo: Links eine Entourage an Ordnungshütern, die junge Klimaaktivisten bei der Tramstation hält und Personalien aufnimmt. Rechts ein Meer von bemalten Kartonschildern mit politischen Forderungen hinter einer Absperrung, die darauf warten, «professionell weggeräumt» zu werden, wie ein Polizist auf Nachfrage eines Nationalrats sagt.
Die schnell lahmgelegte Demonstration hatte entsprechend keinen Erfolg: Der Nationalrat schaffte mit einem Beschluss die Rechtsgrundlage für die 600 Millionen Franken für «flugnahe Betriebe». Die Forderung nach Klimaauflagen fand keine Mehrheit.
Auf dem Programm stand auch der erste Entscheid im Machtkampf um Geschäftsmieten. Gefordert wurde, dass Firmen, die wegen Corona-Massnahmen behördlich geschlossen wurden, nur noch 30 Prozent der Miete bezahlen müssen. Der Hintergrund des Streits um Gewerbemieten kann hier nachgelesen werden.
SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (ZH) hatte bei diesem Punkt einen Auftritt als Kommissionssprecherin. Sie triumphierte zwar politisch (der Antrag wurde mit 103 zu 77 Stimmen bei 15 Enthaltungen angenommen).
Sie kam jedoch wegen ihres Auftritts unter die Räder: Sie antwortete auf Fragen mit Zynismus (Video). Dem SVP-Nationalrat Thomas Matter lupfte es den Deckel: «Ich finde es eine Sauerei, was hier abgeht. Kollegin Badran, Sie sind Kommissionssprecherin und haben keine private Veranstaltung hier auf dieser Bühne.»
Neben dem Politischen, gab es auch heute Nebenschauplätze. Davon gab es am Mittag einige, am Dienstag wurde in beiden Räten die Sitzung gegen 13 Uhr für eine Pause unterbrochen.
Die beiden Herren der «Polit-WG» Nationalrat Andri Silberschmidt (FDP/ZH) und Mike Egger (SVP/SG) wollten am Mittag in die Turnhosen steigen, begleitet vom FDP-Nationalrat Marcel Dobler (Schweizermeister 4er-Bob 2018, entsprechend sportlich). Zuvor klärten sie erfolgreich ab, wo in der BernExpo die Duschen zu finden sind. Das Vorhaben des Mittagsports scheiterte fast, weil Egger – trotz vollbepacktem Koffer – die Jogginghose nicht mit nach Bern nahm. Der Journalist dieses Artikels half spontan aus. Egger versprach, die Hose gewaschen zurückzubringen.
Raus in die Natur gingen auch die Vogelschützer. Sie trafen sich pünktlich um 14 Uhr bei einer Führung, organisiert vom Vogelschutzverein Birdlife. Mit dabei waren Badran (noch euphorisch über den Erfolg beim Mieten-Vorstoss), SVP-Nationalrätin Sollberger Sandra (mit dem Feldstecher von gestern) und EVP-Nationalrat Nik Gugger (mit ornithologisch vorteilhaftem Namen).
Keine Pause oder nur eine Ultra-Kurz-Pause gabs fürs Ratspräsidium. Die «höchste Schweizerin» und Nationalrätin Isabelle Moret (FDP/VD) stellte sich zusammen mit Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP/BE) in einem Videochat den Fragen der Bevölkerung. Über 160 Personen hatten laut Angaben im Vorfeld eine Frage eingereicht. Fragen gabs auch aus dem Kinderzimmer und dem Kuhstall.
Entsprechend griff Stöckli auch zur Handwerkssprache. Auf die Frage, warum es bei Corona-Massnahmen so viel Ungleichbehandlung gibt, sagte er: Man müsse in Krisen «holzschnittartig» arbeiten: «Ein Mikromanagement ist nicht möglich. Da gibt es willkürliche Entscheide.»
Also Roger Köppel ist bestimmt wieder um 14 Uhr abgedüst. 😁