Im Auge des Päcklisturms ist es ruhig. Im Paketzentrum Härkingen sind nur die Laufbänder zu hören. Seit die Coronakrise ausgebrochen ist, bleiben die Menschen zu Hause. Die Läden sind geschlossen, also bestellen sie in den Onlineshops Essen, Kleider und Elektronikgeräte (wir auch …).
Viele dieser Pakete liegen irgendwann auf dem Laufband in Härkingen. Bis zu 25'000 sind es jede Stunde, bis zu 370'000 am Tag, fast 30 Prozent mehr als vor dem Ausbruch des Virus. Beat Lindegger, der stellvertretende Leiter des Paketzentrums, lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. «Wir bewältigen die Zunahme bis jetzt gut», sagt er. Nur: Wie lange noch?
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In Härkingen, dem grössten von aktuell sechs Paketzentren der Post, ist fast alles automatisiert. Nur zwei Schritte benötigen noch menschliche Arbeitskraft: Das Ausladen der angelieferten Pakete aus den Containern und die Feinsortierung bevor die Pakete das Zentrum wieder verlassen. Ein einzelner Mitarbeiter ist für etwa zehn Rutschen zuständig, in denen je vier Zielorte zusammengefasst sind. Die Pakete werden automatisch vom Laufband gestossen, sobald sie ihr Ziel erreicht haben.
Vielleicht könnte man sogar noch mehr automatisieren, sagt Lindegger. Doch zu welchem Preis? «Wir geben hier 400 Menschen eine Arbeit. Das zählt auch», sagt Lindegger.
Noch stellt sich die Frage sowieso nicht: Keine Maschine erledigt die beiden Arbeitsschritte so effizient wie der Mensch. Auch in den neuen regionalen Paketzentren in Cadenazzo und Ostermundigen, die die Post vor kurzem eröffnete, braucht es an diesen Enden des Förderbands Mitarbeiter aus Fleisch und Blut.
Im Gegensatz zu Maschinen können diese allerdings krank werden. Bereits jetzt kämpft Lindegger mit Absenzen. Mitarbeiter, die zur Risikogruppe gehören oder ihre Kinder betreuen müssen, fallen aus. Im Gegensatz zur Weihnachtszeit, in der das Paketzentrum auf zusätzliche Arbeitskräfte zählen kann, bleibt jetzt nur die Stammbelegschaft.
«Wir haben sehr vieles umgebaut, um die Hygieneregeln einzuhalten. Die Mitarbeiter arbeiten alle in grossen Abständen voneinander. Die Pausen haben wir auf ein Zeitfenster von zwei Stunden verteilt, so dass die Mitarbeiter gestaffelt gehen. Wir stellen genügend Desinfektionsmittel zur Verfügung. Ich bin stolz auf die Leistung der Teams hier in Härkingen», sagt Lindegger.
Seine Mitarbeiter arbeiten nun auch samstags, weil das Volumen so stark gestiegen ist. Jeden Tag zwischen 5 und 6 Uhr beginnt die erste Schicht mit der Sortierung, zwischen 15 und 16 Uhr gehen die Mitarbeiter nach Hause.
Nun folgt eine kurze Pause in der 20'000 Quadratmeter grossen Halle im Industriegebiet, gleich neben der Autobahn A1. Zwischen 16 und 17 Uhr kommt die Abendschicht, die bis um 2 Uhr morgens Pakete sortiert. Dann stehen die Maschinen für drei bis vier Stunden still. Die Pause wird benötigt: Wartungsarbeiten.
Bisher galt der Grundsatz, dass jedes Paket, das am Abend Härkingen erreicht, am nächsten Tag verteilt wird. In der Krise kann das nicht mehr immer gewährleistet werden. In den allermeisten Fällen klappt es noch, sagt Lindegger. Nur vereinzelt müssten Kunden länger warten. «Die Frage ist: Wie lange hält die Paketwelle noch an?» Gehe es noch lange so weiter, werde die Post «weitere Massnahmen prüfen.»
Jeden Morgen fahren 100 Paketboten mit ihren Lieferwagen von Härkingen los und verteilen die Pakete. Am Mittag kommen sie zurück und beladen ihre Fahrzeuge noch einmal. Nicht alle Pakete werden allerdings direkt von Härkingen aus verteilt. Andere fährt die Post mit Zügen und Lastwagen in Distributionszentren, welche die Feinverteilung übernehmen.
Pakete, die nicht im Einzugsgebiet des Paketzentrum Härkingen zugestellt werden – das sind etwa 40 Prozent – gehen an das zuständige Paketzentrum. 150 Lastwagen verlassen Härkingen jeden Tag, aber auch 30 Zugkompositionen. Darauf ist Lindegger stolz. «Keine andere Post der Welt transportiert mit 60 Prozent einen so hohen Anteil der Pakete auf der Schiene», sagt er. Economy-Pakete nehmen alle den Zug, schnellere werden auf der Strasse transportiert.
Seit 1997 bewegt sich die Post im Paketbereich in einem liberalisierten Markt. Ihr Anteil liegt seit Jahren stabil bei etwa 75 Prozent. In der Krise muss die Post aber auch Anpassungen machen. Sie transportiert nur noch Pakete als Sperrgut, die ein Mitarbeiter alleine tragen kann – zum Schutz der Mitarbeiter, wie die Post betont.
Dabei werden derzeit besonders viele sperrige Waren bestellt, wie Lindegger festgestellt hat: Gartenmöbel etwa, Fernseher oder Velos. Die betroffenen Händler müssen ihre Waren nun als teures Stückgut versenden.
Selbst wenn die Bestellmenge dereinst wieder zurückgehen dürfte: In den nächsten Jahren kommt auf Lindegger mehr Arbeit zu. «Die Mengen steigen stetig», sagt er. Die Post muss zudem immer mehr Spezialwünsche erfüllen: Kunden wollen genau bestimmen, wann ihr Paket ankommt. Andere wollen sich ihre Päckli ins Büro liefern lassen und auch die Sonntagszustellung dürfte wieder zum Thema werden, sagt Lindegger: «Das ist eine Frage der Zeit.»
Bis es so weit ist, bewältigen die Mitarbeiter die Päckliflut der Coronakrise. Ihr Profil: «Körperlich gut situiert, keine Zahlenlegastheniker, in der Lage, Anweisungen zu verstehen und ohne Vorstrafen». Angst vor dem Pöstler braucht übrigens auch in der Krise niemand zu haben, versichert Lindegger: «Es gibt bis jetzt keine Hinweise, dass man sich über Pakete mit dem Virus infizieren kann.» (aargauerzeitung.ch)
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