Das ganze Ausmass der Corona-Pandemie ist auch nach zehn Monaten wenig fassbar. Täglich hören wir den neuesten Stand von Infizierten, Hospitalisierten und Toten. Doch die nackten Zahlen können nicht wiedergeben, was in den Altersheimen und Spitälern los ist. Manchmal braucht es Bilder, um den Leuten vor Augen zu führen, welches Leid das Virus mit sich bringt. Im Frühling waren es etwa die Militärtransporter mit Särgen aus Bergamo, die uns wachrüttelten.
Nun stecken grosse Teile Europas und der USA mitten in der zweiten Welle – und auch jetzt sind wieder Bilder von der Corona-Front entstanden, die unter die Haut gehen.
Vergangene Woche ging etwa das Foto eines Arztes aus Texas viral. Er spendet einem älteren Corona-Patienten mit einer innigen Umarmung Trost.
"I do this day in and day out, and people are out there doing the wrong thing. ... in bars, restaurants, malls — it is crazy — it's like we work, work, work, work, work and people don't listen and then they end up in my ICU," Dr. Joseph Varon says. https://t.co/IZZB87GzQg
— CNN (@CNN) December 1, 2020
Tausendfach geteilt wurde auch ein Foto von aufgereihten iPads. Diese wurden vorbereitet, damit die Corona-Patienten kurz vor dem Tod wenigstens digital Kontakt mit ihren Angehörigen haben können.
These are iPad stations being prepared for virtual ICU end of life visits by a palliative care doc I know. Jesus. pic.twitter.com/lIgbg0FhaL
— i cant drive, n95 (@roto_tudor) December 3, 2020
Die Bilder verstärken ein gängiges Bild der Pandemie: Die Corona-Patienten kämpfen nicht nur gegen die Krankheit, sondern auch gegen die Isolation.
Besonders stark wütet das Virus momentan auch hierzulande: Alleine im Monat November starben in der Schweiz über 2300 Menschen. Die Übersterblichkeit bei den über 65-Jährigen ist hoch, in den vergangenen Wochen starben bis zu 600 Menschen mehr als es zu dieser Jahreszeit üblich ist. Alle 18 Minuten gab es ein Corona-Todesopfer. Verbrachten auch sie ihre letzten Minuten alleine und in Isolation?
«Das ist die alles entscheidende Frage», sagt Peter Burri, Leiter Kommunikation von Pro Senectute, «lassen die Altersheime Besuch rein, wenn eine Person im Sterben liegt?». Die allermeisten Leute, welche in einem Altersheim wohnen, würden auch irgendwann dort sterben, sagt Burri. Das sei auch so, wenn es gerade keine Pandemie gebe. Es sei die Aufgabe der Heime, den Bewohnerinnen und Bewohnern würdevolle letzte Jahre zu ermöglichen.
Er spricht sich deshalb mit Nachdruck dafür aus, dass die Altersheime auch dann Besuch reinlassen, wenn es Corona-Fälle gibt. Insbesondere sollen die Menschen auch Besuch erhalten dürfen, wenn sie wegen Covid-19 im Sterben liegen. Wenn die Heime mit iPads und Smartphones Kontakt herstellen würden, sei dies zwar sehr begrüssenswert, diese würden den direkten Kontakt aber nicht ersetzen.
Doch wie sieht es an der Front aus? «Wenn eine Person im Sterben liegt, findet das Heim eine Lösung für einen Besuch», versichert Sevan Nalbandian, Leiter der Geschäftstelle von Curaviva in Bern. Der Verband vertritt die Altersheime im Kanton. Es könne sein, dass kurzfristig in einzelnen Abteilungen keine Besuche mehr möglich seien, wenn es einen Ausbruch gebe, so Nalbandian. «Aber von einem dauerhaften Besuchstopp in einem Berner Altersheim habe ich keine Kenntnis.»
Ähnlich klingt es beim Präsidenten von Curaviva im Kanton Zürich. Man kämpfe zwar mit einer «erheblichen Zahl von Ausbrüchen», sagt André Müller. Die Situation sei anstrengend und angespannt. «Aber wir wollen den Bewohnern, so gut es geht, ermöglichen, Besuche zu empfangen.» Dies sei gerade auch im Hinblick auf die Festtage wichtig. «Wenn Personen im Sterben liegen, dann ist ein Besuch natürlich möglich», so Müller. Man müsse einfach die Schutzkonzepte einhalten. Sprich: Schutzmantel, Schutzbrille und Maske anziehen.
Sowohl Nalbandian als auch Müller betonen, dass man jetzt viel mehr über das Virus wisse als noch im Frühling. Man könne deshalb die Besuche unter Sicherheitsvorkehrungen verantworten.
Bei Curaviva Schweiz klingt es ähnlich wie bei den Kantonalverbänden: Sterbende sollen Besuch empfangen dürfen.
Was jedoch nicht zu unterschätzen ist: Zahlreiche Altersheimbewohnerinnen und Altersheimbewohner sind auch im Normalfall einsam und haben wenige bis gar keine Kontakte mehr ausserhalb des Heimes. Womöglich ist gar niemand mehr da, der sie in den letzten Minuten besuchen möchte.
Auch in den Spitälern hält man nichts von einem kompletten Besuchsverbot. Adrian Grob, Mediensprecher des Inselspitals Bern, schreibt auf Anfrage von watson, dass ein Corona-Patient maximal eine Stunde pro Tag eine Person empfangen dürfe. Bei Sterbenden hingegen gelte kein Zeitlimit. «Und je nachdem kann der Stationsarzt eine Ausnahme bezüglich Anzahl Besuchenden machen.»
Im Unispital Zürich gelten für Covid-Patienten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für alle stationären Patientinnen und Patienten. Sie können beschränkt Besuch empfangen. Martina Pletscher, Kommunikationsbeauftragte des Spitals, schreibt, dass bei sterbenden Patientinnen und Patienten Ausnahmen gemacht werden können. «Etwa, dass die Besuchszeiten angepasst werden oder mehrere Personen kommen dürfen, um sich zu verabschieden.»
Vielerorts hat sich also die Einsicht durchgesetzt, dass soziale Kontakte während der Erkrankung äusserst wichtig sind. Bilder von aufgereihten iPads und tröstenden Ärzten geben also nur einen Teil der Wirklichkeit wieder – zumindest, was die Schweiz betrifft. Dennoch kritisiert Burri von ProSenectute, dass es nach wie vor viele Altersheime gebe, die bei einem Ausbruch komplett dicht machen. «Wenn die Leute, welche noch Angehörige haben, alleine sterben müssen, ist das furchtbar.»
Danach liess man uns aber freie Hand, da es keine Zweifel an seinem baldigen Tod gab. Wir fühlten uns vom Spital sehr gut behandelt. Besten Dank an das Spital Team.