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Coronavirus

Matura 2020: Jugendliche können laut Koch an Corona erkranken

BAG-Mann Daniel Koch äusserte sich zur Covid-Gefahr von Jugendlichen – eine Stellungnahme, die Matura-Prüfungskritiker als «Bestätigung» sehen.
BAG-Mann Daniel Koch äusserte sich zur Covid-Gefahr von Jugendlichen – eine Stellungnahme, die Matura-Prüfungskritiker als «Bestätigung» sehen.bild: keystone, collage: watson

Wer für und wer gegen Maturaprüfungen ist – und was Mr. Corona Daniel Koch dazu sagt

Sollen die Matura-Prüfungen diesen Sommer stattfinden oder nicht? Jugendliche in der ganzen Schweiz warten auf den Entscheid.
27.04.2020, 20:1427.04.2020, 20:34
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Die Uhr tickt. In wenigen Wochen sollen nach aktuellem Plan die Maturaprüfungen stattfinden. Für Gymi-Schülerinnen und Schüler bedeutet das in diesen Tagen Stress. Sie müssen Lernpläne entwickeln, einen Berg von Büchern lesen und den Stoff der vergangenen Jahre repetieren.

Wegen der Coronavirus-Krise herrscht aber grosse Unsicherheit. Finden die Prüfungen statt? Wie wird die Gesundheit der Jugendlichen gewährleistet? Kommt es zu Verschiebungen oder Änderungen? Es sind Fragen, die sich die Maturanden zu normalen Zeiten nicht hätten stellen müssen. Die Abschlussgeneration 2020 hat mit Sorgen zu kämpfen, eine Klärung steht aus.

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Das ist die Ausgangslage

Der Grund für die Unklarheit liegt im nicht ganz einfachen Maturitätssystem der Schweiz: Kantonsschulen und Gymnasien organisieren die Prüfungen zwar einzeln. Sie müssen sich aber an eine Bundesverordnung halten. Dort steht unter anderem, was schriftlich und was mündlich geprüft wird.

Das ist auch der Hauptgrund, wieso Kantone – obwohl einige es wollen – nicht frei darüber entscheiden können, ob Prüfungen abgesagt und etwa durch «Erfahrungsnoten» ersetzt werden. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) fordert deshalb: Der Bundesrat soll den Kantonen erlauben, selbst über Matura-Verzicht entscheiden zu können.

Ein Teil der Verantwortlichen bei den Kantonen will regionale Unterschiede bewusst in Kauf nehmen. Bildung sei einerseits «traditionell Kompetenz der Kantone», andererseits könne man Schutzkonzepte besser auf die lokalen Gegebenheiten anpassen. Erwartet wird, dass der Bundesrat am kommenden Mittwoch, 29. April, einen Entscheid fällt.

Das sagt Daniel Koch zur Ansteckungsgefahr

Video: extern / rest

Maturanden fordern seit Tagen Klarheit vom Bundesrat, wie zahlreiche Mails von Schülerorganisationen aus allen Teilen der Schweiz aufzeigen. watson wollte am Montag von Daniel Koch, dem Covid-Delegierten des Bundesamtes für Gesundheit, wissen: Warum dauert es so lange? Gibt es epidemiologische Unklarheiten?

«Es ist klar, dass Jugendliche das Virus bekommen können, dass sie daran erkranken und es weitergeben können.»
Daniel KochPoint de Presse am 27. April 2020

Seine Antwort dürfte nicht zu Beruhigung führen. «Es gibt keine epidemiologische Unklarheiten.» Gerade im Alter nach der offiziellen Schulpflicht werden die Jugendlichen immer mehr zu Vektoren des Virus. «Es ist klar, dass Jugendliche das Virus bekommen können, dass sie daran erkranken und es weitergeben können.» Deshalb sei man bei Schulen nach dem obligatorischen Schulunterricht sehr vorsichtig.

Wer Maturaprüfungen durchführen will und wer nicht

«Sehr vorsichtig»: Diese Strategie verfolgen mehrere Kantone. Einige von ihnen wollen auf den Entscheid des Bundesrates warten, andere haben bereits «Wünsche» geäussert.

Die Matura-Präferenzen der Kantone
Diese Kantone wollen die (schriftlichen) Prüfungen durchführen: Thurgau, Glarus, Luzern, Zug, Aargau, Freiburg, St. Gallen, Uri

Diese Kantone wollen verzichten: Zürich, Solothurn, beide Basel, Bern, Wallis, Waadt

Diese Kantone warten oder haben noch nicht entschieden: Genf, Tessin, Jura, Schwyz, Neuenburg, Ob- und Nidwalden, Graubünden, beide Appenzell, Schaffhausen

In der Diskussion rund um die Maturaprüfungen haben sich auch namhafte Expertinnen und Experten eingeschaltet.

ETH-Ratspräsident Michael Hengartner kritisierte etwa in einem Interview den möglichen «Wildwuchs» zwischen den Kantonen. Einen Prüfungsverzicht will er hingegen nicht: «Das Bestehen der Maturaprüfung ist zudem ein persönliches Erfolgserlebnis, das man nicht unterschätzen sollte. Ich würde es begrüssen, wenn die Prüfungen durchgeführt würden, wenn das vertretbar ist.»

Eine Stellungnahme gibt es auch von den Gymnasial-Lehrpersonen. Ihr Verband schreibt, dass eine klare Mehrheit die Durchführung von Prüfungen bevorzugt hätte, sofern die Vorgaben des BAG eingehalten und Maturanden sich «optimal» für die Prüfung vorbereiten können.

Das sagen die Maturanden

Die Reaktionen unterscheiden sich in zwei Fragen:

  1. Sollen die Matura-Prüfungen überhaupt stattfinden?
  2. Wer soll über Verzicht oder Durchführung entscheiden?

watson berichtete bereits über Schülerinnen und Schüler, die wegen den Matura-Prüfungen komplett auf die Barrikaden gehen. In Whatsapp-Gruppenchats, über Online-Umfragen oder mit dem Zusammentragen von Unterschriften wehren sich mehrere Abschlussklassen gegen die unterschiedliche Handhabung der Kantone. Sie wollen, dass die Prüfungen überall abgesagt werden und dies national entschieden wird.

Andere, so etwa der Zürcher Klimajugend-Frontmann und Gymnasiast Jonas Kampus, wollen die Kantone entscheiden lassen. Sein Kanton strebt die Absage der Prüfungen an. Kochs Aussage von Montag wertet Kampus als «Bestätigung»: «Die Gefahr vor Infektionen ist da – das ist die wissenschaftliche Einschätzung eines Epidemiologen. Kantone sollten darauf hören.»

MLaw Laetitia Block
Präsidentin JSVP BS
Vorstand SVP BS
Die Baslerin Laetitia Block ist Juristin und Chefin der basel-städtischen JSVP.Bild: zvg

Gegnerinnen und Gegner eines Prüfungsverzichts findet man bei den bürgerlichen Jungparteien im Kanton Basel-Stadt. Laetitia Block, Präsidentin der kantonalen Jungen SVP, betont auf Anfrage, dass man Maturanden nicht gefährden wolle.

«Ohne Prüfungen wird die Matura als ‹Corona-Abschluss› abgewertet.»
Laetitia Block, Präsidentin JSVP Basel-Stadt

«Wir denken aber, dass es etwa mit Distanzregeln oder mehr Räumen eigentlich möglich sein soll, die Prüfungen durchzuführen», sagt Block. Ihre Befürchtung ist, dass die Maturität 2020 als «Corona-Abschluss» abgewertet werde. «Die Matura-Prüfung ist eine wertvolle Erfahrung. Fehlt ein vergleichbarer Abschluss, könnte dies zu Schwierigkeiten bei der Job-Suche oder in der Bewältigung des Studiums führen.»

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82 Kommentare
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Junge Schnuufer
27.04.2020 21:01registriert April 2018
«Ohne Prüfungen wird die Matura als ‹Corona-Abschluss› abgewertet.»

Was ein Seich. Die Hochschulen/Unis wollen einfach den Fötzel sehen auf dem draufsteht, dass man bestanden hat. Wie ist dabei ziemlich egal.
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Schreimschrum
27.04.2020 21:18registriert April 2018
Das ist ja schön und gut. Aber die Maturanden sind nicht die einzigen die Klarheit wollen. Ich bin gerade an einem Vorkurs für eine Aufnahmeprüfung an eine Hochschule. Da es hier keine Vornoten gab, war es schon länger klar ja es gibt eine Prüfung, diese jedoch gekürzt. Leider haben wir einen Monat vor der Prüfung noch immer kein Datum, geschweige den Informationen was erlassen werden soll...

An alle Verantwortlichen, wir hätten gerne Klarheit!
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Ratchet
27.04.2020 22:31registriert Mai 2015
Paar Kommentare schreien nur so von Ignoranz, Missgunst und Neid. Was ist aus watson geworden?
Also nur mal zum klarstellen: Gymnasiale Matura ist nicht gleich Maturaprüfung. Die Maturaprüfung bestehen jeweils 99% der Schüler. Das ist keine Selektionsprüfung oder sonst schwierige Prüfung, wie die Aufnahmeprüfung oder Passarelle. Das schwierigste im Gymi ist es, überhaupt erst bis ins Maturjahr zu schaffen, ohne rauszufliegen.
In Zürich zählen zb. sowieso 50% der Vornoten. Die Abschlussprüfungen sind mehr symbolisch als von schulischer Bedeutung. [1/2]
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