Von der Bratwurst-Ausgabe bis zum Toilettengang: Bis ins letzte Detail haben Fussball- und Hockeyclubs Corona-Schutzkonzepte ausgearbeitet, um nach acht Monaten Zwangspause wieder Spiele vor vielen Zuschauern zu ermöglichen.
Die Szenen, die sich am Sonntagnachmittag in Bern vor dem Stadion Wankdorf abspielten, dürften Gesundheitsminister Alain Berset nicht gefallen haben. Rund 40 Minuten vor Anpfiff des Superleague-Spiels Young Boys gegen Vaduz drängten sich bei den Sektoren C/D hunderte Personen dicht an dicht vor den Eingängen.
Das ist wohl nicht die idee @BSC_YB . Sonst können wir grad alle wieder auf den rampen stehen! pic.twitter.com/RkZ4VuB0jE
— Christoph Schuerch (@CSchuerch) October 4, 2020
«Bitte haltet die Abstände ein»: Die Lautsprecherdurchsagen des Stadion-Speakers sorgten angesichts der Massen bei manchen Fans für Gelächter. Andere zeigten sich sichtlich besorgt über das Durcheinander. Denn just am Sonntag verzeichnete der Kanton Bern die höchsten Corona-Fallzahlen seit April.
Wegen des Zuschauerandrangs war es schlicht nicht möglich, die BAG-Abstandsregeln zu befolgen. Dazu kam, dass nicht alle Leute vor dem Stadion eine Maske trugen. «Es herrschte ein unüberblickbares Chaos», sagt der YB-Fan und GFL-Stadtrat Manuel C. Widmer, der wie der Autor den Match im Stadion verfolgte. Ein Konzept für den Zuschauereinlass sei für ihn nicht erkennbar gewesen. So stiegen Fans kurzerhand über die Absperrbänder, um schneller zu den Stadiontüren zu gelangen. Überforderte Stewards schauten zu.
Die Bilder des Gedränges am YB-Match machen auf sozialen Medien die Runde – und sorgen auch beim Kanton Bern für Stirnrunzeln: «Das entspricht nicht dem, was wir erwarten. Die Schutzkonzepte müssen vom Veranstalter rigoros eingehalten werden. Da gibt es keinen Spielraum», sagt Gundekar Giebel, Sprecher der Berner Gesundheitsdirektion, zu watson.
Ob das Gedränge für YB Konsequenzen hat, ist unklar. Können die Schutzkonzepte nicht eingehalten werden, sei zum Beispiel eine Reduktion der Zuschauerkapazität denkbar, so Giebel. Denn der Andrang hätte noch deutlich grösser ausfallen können. Am Sonntag sassen «nur» 11'600 Fans im Stadion. Eigentlich hätten 16'500 Saisonabo-Besitzer ein Ticket kaufen können. Die vom Bundesrat erlaubte maximale Zuschauerzahl liegt bei rund 20'000.
Die Young Boys ziehen «gesamthaft eine positive Bilanz», wie YB-Sprecher Albert Staudenmann gegenüber watson erklärt. Natürlich gebe es noch Optimierungspotenzial. «Wir hatten Probleme vor dem Eingang zu den Sektoren C und D. Wir sind daran, den Ablauf des Sonntags genau zu analysieren und im Hinblick auf die nächsten Heimspiele die Lehren zu ziehen.» Es sei naheliegend, dass nicht alles reibungslos geklappt habe. «Es waren für alle Beteiligten komplett neue Regeln», so Staudenmann. Die allermeisten YB-Fans hätten Verständnis für die neuen Regeln gezeigt und sich sehr gut verhalten.
Viel Platz hatten die Fans des FC Basel. Rund 9000 Zuschauer sahen die Partie gegen den FC Luzern im 38'500 Zuschauer fassenden St. Jakobspark. Laut FCB-Sprecher Remo Meister hat es vor den Eingängen kaum Gedränge gegeben. «Die Zuschauer sind tröpfchenweise ins Stadion gelangt. Wir haben keine negativen Rückmeldungen erhalten.»
Im Stadion selbst sei das Publikum im «Schachbrettmuster» platziert worden, damit die Leute möglichst viel Abstand halten konnten. So sei nur jede zweite Reihe mit Zuschauern besetzt worden.
Im Stadion Wankdorf konnten sich die Zuschauer laut Auskunft des YB-Sprechers ihre Plätze selbst auswählen. Dementsprechend eng ist es in einigen beliebten Sektoren geworden. Die Platzverteilung sorgt im Fan-Forum 1898.ch für Diskussionen. Er finde es befremdlich, dass es zwischen den Gruppen keinen Abstand gegeben habe, schreibt ein User. Unter diesen Voraussetzungen werde er kein Spiel mehr besuchen.
Auch YB-Fan Manuel C. Widmer überlegt sich zweimal, ob er unter diesen Umständen wieder ins Stadion gehen will. «Den nächsten Match lasse ich sicher mal aus.» Er wolle zuerst abwarten, ob die Organisatoren die Probleme beim Zuschauereinlass in den Griff kriegten.
Ich dachte schon Dank Coronavirus habe sich das gebessert.
Aber vielleicht braucht man in Bern einfich wieder ein bisschen länger als anderswo.