Die SVP tobt. Der Bundesrat scheine «den Bezug zur Wirklichkeit komplett zu verlieren», wetterte sie nach dem jüngsten Corona-Entscheid. Ins Visier nahm die SVP insbesondere mit Gesundheitsminister Alain Berset. SVP-Nationalrat Roger Köppel etwa schrieb auf Twitter: «Boulevard-Superstar Berset schliesst die Schweiz auf Grund von ‹Unsicherheiten› der neuen Viren-Mutation.»
Köppel insinuiert, Berset hätte alleine entschieden – was falsch ist. Der Gesamtbundesrat hat den Entscheid gefällt, und dem Vernehmen nach stemmte sich von den sieben Magistraten einzig SVP-Bundesrat Ueli Maurer dagegen. Nicht aber SVP-Bundesrat Guy Parmelin. Dieser habe über Nacht das Lager gewechselt und sich für die Verschärfungen ausgesprochen, berichtete der «Blick».
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
Das stiess SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sauer auf. Er behauptet, Parmelin habe die Verschärfung der Massnahmen bekämpft:
Lieber @Blickch, wie ich aus erster Quelle erfuhr, haben #UeliMaurer und @ParmelinG gemeinsam die Verlängerungen und Verschärfungen der Massnahmen bekämpft. @ParmelinG wechselte das Lager NICHT. Merci für die Korrektur Ihrer Berichterstattung. pic.twitter.com/SWOJhT2agI
— Thomas Aeschi (@thomas_aeschi) January 14, 2021
Parmelins Departement, das WBF, will zur Polemik nichts sagen. «Dazu äussern wir uns nicht», schreibt Kommunikationschef Urs Wiedmer auf Anfrage.
Im Bundesrat gilt das Kollegialitätsprinzip: Alle Bundesräte vertreten in der Öffentlichkeit den getroffenen Entscheid – auch wenn sie persönlich anderer Meinung sind. Wer im Gremium welche Ansicht vertritt, soll eigentlich geheim bleiben.
Dass Parmelin die Verschärfung am Mittwoch nicht bekämpft hat, deckt sich indes mit Berichten weiterer Medien und mit Information der CH-Media-Redaktion. Dem Vernehmen nach hat sich Parmelin zwar im Vorfeld gegen die Schliessung der Läden ausgesprochen. In der Sitzung selbst – die er als Bundespräsident leitete – habe er aber nicht opponiert, da die Mehrheiten klar gewesen seien. Vor allem der Blick auf die Corona-Entwicklung in England habe die Regierung überzeugt, dass gehandelt werden müsse, ist in Bundesbern zu hören.
Dass Parteikollegen offen sagen, wie sich ein Bundesrat positioniert, ist ungewöhnlich – und bricht indirekt das Kollegialitätsprinzip. Die Kritik an Aeschis Aussage liess nicht lange auf sich warten. CVP-Präsident Gerhard Pfister griff in die Tasten: Wenn Aeschi zu einem Regierungs-/Oppositionsmodell wechseln wolle, solle er das doch sagen, befand er.
Wenn Aeschi die Konkordanz ersetzen will mit einem Regierungs-/Opposition-Modell, soll er das doch auch so sagen. https://t.co/nf9Ffh6sUF
— Gerhard Pfister (@gerhardpfister) January 14, 2021
Es ist nicht das erste Mal, dass der CVP-Präsident die Konkordanzfähigkeit seines Zuger Kantonskollegen Aeschi anzweifelt. Kürzlich sagte er in einem Interview mit der Tamedia-Redaktion, mit dem ehemaligen SVP-Präsidenten Albert Rösti habe er es gut gehabt. «Beim aktuellen Fraktionschef Thomas Aeschi frage ich mich hingegen, ob er überhaupt ein Interesse an einer Zusammenarbeit hat. Es macht nicht den Anschein.»