Mitten im Lockdown kam es am Montag in Einsiedeln SZ zu wilden Fasnachts-Szenen. Trotz Corona wollten über 1000 Menschen nicht auf den traditionellen Süühudi-Umzug verzichten.
Am Abend eskalierte die Situation weiter: Sturzbetrunkene Narren attackierten mit Flaschen und Feuerwerk Polizisten und skandierten «Freiheit». Es kam zu mehreren Festnahmen.
Wie konnte das passieren? Die Spurensuche beginnt bei den beiden Fasnachtsgesellschaften von Einsiedeln, den «Goldmäudern» und der «Bürgerwehr». Offen reden will dort am Tag danach niemand.
«Wir haben nichts damit zu tun. Seit der Pest im 14. Jahrhundert findet der Umzug statt. Er kommt einfach und war noch nie organisiert. Auch diesmal nicht», sagt ein Vorstandsmitglied und beendet das Gespräch abrupt.
Tatsächlich haben die Fasnachtsorganisationen dazu aufgerufen, den Umzug nicht zu besuchen. Gekommen sind trotzdem über 1000 Leute. «Fasnacht ist für uns wie Weihnachten und Ostern zusammen. Das kann man nicht verbieten», sagt ein anderer Fasnächtler aus Einsiedeln zu watson, der ebenfalls anonym blieben will.
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Ein Politiker stürzte sich hingegen öffentlich ins Getümmel: «Das ist ein Virus, das die Menschen auch befällt. Da muss man hingehen, mit oder ohne Corona-Pandemie», sagte der Einsiedler Mitte-Nationalrat Alois Gmür während des Umzugs zu 20 Minuten.
Das Einsiedler Narrentreiben ist eine spontane Volksfasnacht, die Fasnachtsgesellschaften geben in normalen Jahren einzig einen gewissen Rahmen für die traditionellen Fasnachts-Tage vor. Eine Guerilla-Fasnacht sozusagen. «Diese Ausgabe ist aus dem Ruder gelaufen», sagt ein Vorstandsmitglied einer Fasnachtsgruppe, das selbst vor Ort war.
Die ganze Sache habe sich durch den Tag mehr und mehr hochgeschaukelt. Leute seien angepöbelt worden. Die Zuschauer standen trotz Corona dichtgedrängt in den Strassen. «Zahlreiche Menschen wollten sich die Fasnacht einfach nicht nehmen lassen. Das ist ein Zeichen, dass die Leute corona-müde sind».
Er kenne aber Fasnächtler, die wegen der vielen unmaskierten Zaungäste sofort wieder nach Hause gegangen seien. Sowieso hätten viele Narren – im Gegensatz zu den Zuschauern – Masken getragen und sich an die Corona-Vorgaben gehalten.
Längst nicht alle Bewohner Einsiedelns zeigen sich über das Narrentreiben erfreut: «Als Einsiedler Bürger schäme ich mich zutiefst über das Treiben in Einsiedeln ... offenbar ist der ‹Sühudiumzug› wichtiger als die missliche Corona-Lage zu überwinden», schreibt ein ehemaliges Mitglied der «Goldmäudern» auf Facebook.
Die Szenen aus der Klostergemeinde sorgen in der Zentralschweiz über die Kantonsgrenzen hinaus für Kopfschütteln. «Die Bilder aus Einsiedeln schaden allen Fasnächtlern und lösen bei mir ein Ohnmachtsgefühl aus. Am Schluss werden alle als unvernünftig in einen Topf geworfen», sagt Peti Federer, Medienchef des Lozärner Fasnachtskomitees LFK, zur Luzerner Zeitung.
Derweil werden neue Fakten zu den abendlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei bekannt. Der Umzug hat offenbar auswärtiges Partyvolk angezogen. Laut dem Schwyzer Polizeisprecher David Mynall seien zahlreiche Jugendliche aus andere Kantonen weggewiesen worden, wie Der Bote der Urschweiz berichtet. Offiziell dauert die Fasnacht in Einsiedeln bis am Dienstagabend. Der Bezirksammann von Einsiedeln war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.