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Corona: Im Inselspital Bern ist die Lage prekär – Personal «zermürbt»

Auch im Inselspital Bern ist die Lage prekär – Personal «zermürbt»

16.12.2020, 14:1316.12.2020, 14:18
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Im Berner Inselspital sind 90 Prozent der Kapazitäten auf der Intensivstation ausgeschöpft. Ärzte und Pflegepersonal blicken deshalb mit grosser Sorge auf ansteigende Covid-Ansteckungszahlen.

«Es würde uns nachhaltig treffen, wenn die Ansteckungszahlen weiter steigen», sagte Stephan Jakob, Chefarzt für Intensivmedizin der Insel-Gruppe, am Mittwoch bei einem Mediengespräch zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Intensivstationen spüren die Zunahme jeweils mit einer Zeitverzögerung von zwei bis drei Wochen.

Doch bereits jetzt ist die Situation laut Jakob fragil:

«Wir haben zusätzlich 16 Beatmungsgeräte in Betrieb genommen und dies auf Abteilungen, auf denen normalerweise keine Intensivpatienten liegen.»
Stephan Jakob

Mit diesen Zusatzbetten sind 90 Prozent der entsprechenden Kapazitäten ausgeschöpft.

Stephan Jakob, Klinikdirektor und Chefarzt Universit
Stephan Jakob zeigt sich besorgt über die Lage im Berner Inselspital.Bild: sda

Das sei derzeit noch gerade zu bewältigen, sagte der Klinikdirektor. Doch wenn jetzt zu steigenden Covid-Fällen noch Sportunfälle dazu kämen, «dann wird es sehr knapp». Bei 70 Prozent der Insel-Eintritte handle es sich um Notfälle – «darunter sind jetzt schon die ersten Skiunfälle.»

Jakob weist dabei auf das grosse Einzugsgebiet des Berner Universitätsspitals hin – Patienten kommen auch aus den Kantonen Freiburg, Solothurn, Neuenburg sowie aus dem Oberwallis ins Berner Universitätsspital.

Mehr Patienten pro Pflegende

Am Anschlag ist auch das Pflegepersonal. Normalerweise kümmert sich in der Intensivpflegestation eine Pflegefachperson um einen Patienten. Doch statt 1:1 lautet das Verhältnis nun 1:4. Eine Pflegende muss sich um bis zu vier schwerkranke Patientinnen und Patienten kümmern.

Zwar wird das Personal von Hilfskräften unterstützt. Doch diese müssten angelernt und begleitet werden. «Das ist eine grosse Belastung», sagt Jakob. Die Fachärzte ihrerseits arbeiten im Zwei-Schichten-Turnus mit je 13,5 Stunden pro Tag – und das seit drei bis vier Monaten.

Pflegepersonal im Universitaetspital der Insel Gruppe kuemmern sich auf der Intensivstation um einen Covid Patienten , am Mittwoch, 16. Dezember 2020, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Ein Covid-Patient auf der Intensivstation im Universitätsspital der Inselgruppe.Bild: keystone

«Jeder zusätzliche Patient fordert dieses System weiter heraus», stellt der Intensivmediziner fest. «Wir haben heute im Vergleich zum Frühjahr bei den Covid-Patienten eine doppelt so hohe Mortalität». Dies habe verschiedene Ursachen, «aber wir können nicht ausschliessen, dass die Qualität schlechter ist, weil weniger ausgebildetes Personal für den Patienten da ist.»

Für Jakob ist deshalb klar, dass es bei den Corona-Massnahmen «massive Verschärfungen» braucht, so wie sie die wissenschaftliche Taskforce des Bundes am Dienstag eingefordert hat.

15 Prozent des Personals fällt aus

Petra Fuchs, Leiterin Pflege im Notfallzentrum, spricht im Gespräch mit Keystone-SDA von einem «guten Teamgeist» beim Personal. «Aber ich merke, dass die Leute langsam zermürbt sind.» 15 Prozent des Personals sind ausgefallen – sei es, weil sie selber erkrankt sind, sich in Quarantäne befinden oder aus anderen Gründen ausfallen.

Das sei eine grosse Zahl, sagt Fuchs, «denn im Stellenplan haben wir keine Reserven.» Ausfälle müssen vom Rest des Teams getragen werden. Für die Feiertage hat Fuchs sicherheitshalber eine Person zusätzlich eingeplant, damit Personalausfälle kompensiert werden können.

Denn gerade an Weihnachten und Neujahr, wenn die meisten Arztpraxen schliessen, ist der Andrang im Notfall des Inselspitals besonders gross. «Wir haben eine Aufnahmepflicht und können niemanden abweisen.»

Pflegepersonal im Universitaetspital der Insel Gruppe kuemmern sich auf der Intensivstation um einen Covid Patienten , am Mittwoch, 16. Dezember 2020, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Die Kapazitäten könnten im Spital insbesondere über die Festtage knapp werden.Bild: keystone

Fuchs' grösste Sorge ist nebst Personalknappheit deshalb der Bettenmangel. «Es fahren Ambulanzen und wir müssen für alle Patienten ein Bett finden.» Sie hofft und zählt darauf, dass jeder einzelne Bürger während der Festtage verantwortlich handelt und auch im privaten Kreis die Schutzmassnahmen einhält. (saw/sda)

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wupsie
16.12.2020 14:25registriert Januar 2016
Doch wenn jetzt zu steigenden Covid-Fällen noch Sportunfälle dazu kämen, «dann wird es sehr knapp». Bei 70 Prozent der Insel-Eintritte handle es sich um Notfälle – «darunter sind jetzt schon die ersten Skiunfälle.»

Leute, lasst es doch gut sein mit Dem Wintersport dieses Jahr...

Ich habe den Eindruck, dass das Gesundheitspersonal noch so nach Hilfe schreien kann, es interessiert schlicht niemanden. Diese Tatsache macht mich echt traurig und auch wütend .
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Matrixx
16.12.2020 15:09registriert März 2015
Spätestens wenn die ersten Skifahrer an ihren Verletzung erliegen, weil es schlicht keine Kapazitäten mehr hat, um sich auch noch darum zu kümmern, werden auch die letzten merken, dass geschlossene Skipisten vielleicht besser wären.
Oder wie war das mit "Die Schwachen nimmts"?
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chrimark
16.12.2020 15:59registriert November 2016
Die Angabe vom 90% Auslastung ist eben irreführend. Aussagekräftiger wäre 120% (oder wieviel es sind) der normalen Kapazität. Das hält ein System eine gewisse Zeit aus, dann ist Schluss mit Knall. Immerhin, dank frühem Beizenschluss und ausfallenden Betriebsweihnachten gibts hoffentlich weniger besoffene auf der Strasse und damit einhergehende Unfälle.
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