Es ist ein erster Stresstest mitten in der Corona-Krise. Die gesamte Tourismusindustrie – vom kleinen Reisebüro bis hin zur Lufthansa-Tochter Swiss – sie alle bangen und hoffen. Denn die Sommerferien, die inzwischen in allen Schweizer Kantonen angelaufen sind, dürften erste Anzeichen geben, wie gross die Bereitschaft hierzulande ist, sich wieder in ein Flugzeug zu setzen, um Ferien im Ausland zu verbringen.
Die Passagierzahlen werden von den hiesigen Flughäfen jeweils monatlich publiziert. Ein genaues Fazit zu den Sommerferien ist also erst später möglich. Doch es gibt andere Indizien, die erste Schlüsse zum bisherigen Feriengeschäft erlauben. So hat die Flugsicherungsfirma Skyguide für CH Media ausgewertet, wie viele Flüge an den beiden Flughäfen Genf und Zürich zwischen dem 1. und 20. Juli - also inmitten der Ferien-Hochsaison – gestartet und gelandet sind.
Das Resultat: Im Vergleich zur Vorjahresperiode zählten die beiden grössten Landesflughäfen insgesamt knapp 29'000 Starts und Landungen. Dies entspricht 41.5 Prozent des Flugvolumens im Vergleich zur gleichen Zeitspanne im Vorjahr. Im Juni waren es erst 23 Prozent. Damit resultiert zwar noch immer ein massives Minus von knapp 60 Prozent bei den Flügen jeglicher Art, vom Linien- bis zum Cargo- und Businessjetflug. Aber im Juni sah es zumindest bei den Passagierzahlen des Flughafens Zürich noch viel düsterer aus mit minus 93 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Zudem zählte Zürich am zweiten Juli-Wochenende am Samstag und Sonntag jeweils rund 25'000 Passagiere. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies rund einem Viertel. Somit lässt sich sagen, dass viele Leute im Hinblick auf die Ferienzeit vom Reisefieber gepackt wurden. Anstatt mit dem Camper an den Lago di Lugano oder mit dem Zug und Postauto ins Toggenburg zu fahren, zieht es sie ins Ausland. Trotz unterschiedlichen Einreisebestimmungen je nach Zielort. Trotz Maskenpflicht und trotz eingeschränktem Service an Bord.
Vor allem aber bleibt die Weiterentwicklung der Pandemie unklar und somit auch die Planungssicherheit. Schliesslich hat das Bundesamt für Gesundheit die Liste der Risikoziele diese Woche auf 42 Länder erweitert. Dazu gehört neu auch das Strandparadies Malediven. Wer aus diesen Ländern in die Schweiz einreist, muss zehn Tage in die Quarantäne.
Auf Anfrage gibt der Flughafen Zürich Einblick in die Liste der beliebtesten Passagier-Destinationen im Juli gemäss Flugplanung der Airlines. Und da ist es im Vergleich zum Vorjahr zu einigen Verschiebungen gekommen (siehe Tabelle). Am meisten Flugverbindungen sind im laufenden Monat von und nach Wien geplant, gefolgt von Berlin, Belgrad, London und Mallorca. Amsterdam und Düsseldorf rangieren im Gegensatz zu 2019 hingegen nicht mehr in den Top 5.
Eine Swiss-Sprecherin sagt in Bezug auf die Sommerferien, dass die Nachfrage im Europaverkehr die Erwartungen der Airline übertroffen habe. Die Auslastung sei hier beinahe auf Vorjahresniveau. Bei den Interkontinentalverbindungen seien die Buchungen hingegen noch verhaltener, genauso wie bei den Geschäftsreisenden. Gefragt seien vor allem touristische Ziele und der so genannte «Besuchsreiseverkehr» – Passagiere, die nach dem Lockdown wieder ihre Freunde und Familienmitglieder im Ausland sehen möchten.
In den Sommermonaten Juli und August bietet die Swiss 30 bis 40 Prozent ihres ursprünglichen Flugprogramms an. Zwei Drittel der 91 Flugzeuge sind laut einer Sprecherin wieder im Einsatz. Nach den Ferien dürfte das Flugvolumen allerdings wieder sinken. Dennoch hält die Lufthansa-Tochter am Ziel fest, per Ende Oktober 40 Prozent des Flugprogramms vor Corona wieder durchzuführen. Dies entspräche pro Woche 1400 Abflügen. 85 Prozent der Swiss-Destinationen sollen dann wieder angeflogen werden.
Für die Reise-Industrie sind es erste Hoffnungsschimmer auf bessere Zeiten. Doch die Frage bleibt: Reicht das? Diese Woche sagte Swiss-Chef Thomas Klühr in der SRF-Sendung «Club», dass seine Airline nicht mehr wie im März und April täglich über drei Millionen Franken verbrennt. Heute liege der Betrag deutlich unter einer Million. Angesichts der langsamen Erholung ist ein Stellenabbau allerdings unumgänglich. Zudem sind die Swiss und ihre Schwester-Airline Edelweiss auf die Staatshilfe in Form von 1.3 Milliarden Franken an verbürgten Krediten angewiesen. Und da die EU die Lufthansa-Hilfe in Deutschland noch nicht abgesegnet hat, wartet auch der Bundesrat mit der Vertragsunterschrift zu.
Katastrophal bleibt die Situation für die Reisebüros, wie Hotelplan-Chef Thomas Stirnimann im Branchenmagazin «Travel Inside» kürzlich darlegte: «Es gibt keine Planbarkeit.» Leuten, die jetzt ihre Australienreise planen möchten, könne man nicht wirklich helfen. Denn man habe keine Kristallkugel. «Alles steht auf sehr wackligen Beinen mit täglich ändernden Regeln, Vorschriften, Vernehmlassungen und Anordnungen, die jedes zarte Pflänzlein wieder vertrocknen lassen.» (aargauerzeitung.ch)