Im Kanton Bern wird die Sozialhilfe nicht gekürzt. Das Stimmvolk lehnte am Sonntag eine Gesetzesänderung mit 52.6 Prozent überraschend ab. Die Revision hätte ermöglicht, den Grundbedarf unter die Skos-Richtlinien zu senken.
«Das ist ein klares Zeichen für die Solidarität», sagte Therese Frösch, Co-Präsidentin der Skos, im watson-Interview. Dies auch mit Blick auf andere Kantone, die mit einer Senkung der Sozialhilfe liebäugelten. «Gerade in einem Wahljahr ist dies ein sehr wichtiges Signal». Die Zivilbevölkerung habe verstanden, dass Armut nicht selbstgewählt sei. Sondern oft «strukturelle Gründe» wie etwa Scheidungen habe.
„Ein klares Zeichen für die Solidarität“: Skos-Copräsidentin Therese Frösch über das Nein zum Berner Sozialhilfegesetz @watson_news #abstBE pic.twitter.com/RaeaTUAO7p
— Adrian Müller (@mueller_adrian) May 19, 2019
Der SVP-Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg hatte mit viel Einsatz für die Reform der Sozialhilfe gekämpft. «Es wird schwieriger, die Sozialhilfe umzubauen», sagt Schnegg zu watson. Man werde weiter hart daran arbeiten, eine höhere Integrationsquote bei der Sozialhilfe zu erreichen.
Das sagt Berner SVP-Regierungsrat Schnegg zur krachenden Niederlage mit „seinem“ Sozialhilfegesetz. pic.twitter.com/UkaRl6w07l
— Adrian Müller (@mueller_adrian) May 19, 2019
Partystimmung herrscht derweil bei den Gegnern von Schneggs Sozialhilfeplänen: «Wir haben es alle zusammen geschafft», jubeln sie auf Twitter.
Und merci insbesondere an unsere Freiwilligen auf den Strassen, in den Gassen, auf den Foren. Wir alle haben es zusammen geschafft! #Sozialhilfegesetz #Sozialhilfe #abst19 pic.twitter.com/dklqolfYwn
— Verkehrt (@eslaeuftverkehr) May 19, 2019
Bei der SP Kanton Bern ist man ebenfalls hocherfreut über das Resultat: «Damit hat die Bevölkerung einmal mehr ein Zeichen gegen bürgerliche Abbaupläne gesetzt. Die Kürzungen in der Sozialhilfe sind mit diesem Verdikt endgültig vom Tisch», heisst es in einer Mitteilung.
Die FDP zeigt sich hingegen enttäuscht: «Die Vorlage hätte zu mehr Gerechtigkeit und besseren Anreizen in der Sozialhilfe geführt. Die in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Sozialhilfekosten von Kanton und Gemeinden werden weiter ungebremst ansteigen», so die Freisinnigen in einer Mitteilung.
Zumindest einen Teilsieg konnte Schnegg verbuchen: Mit 56 Prozent Nein lehnten die Bernerinnen und Berner aber auch von einem weitergehenden Volksvorschlag aus linksgrünen und kirchlichen Kreisen sowie Berufsverbänden. Diese wollten nicht nur die Skos-Richtlinien beibehalten, sondern neu Ergänzungsleistungen für über 55-jährige Ausgesteuerte einführen. Der Volksvorschlag wurde mit 164'927 zu 129'336 Stimmen bachab geschickt.
Die Ablehnung der Kürzungsvorlage ist im bürgerlich dominierten Kanton Bern eine faustdicke Überraschung. Vorbehalte gegenüber der «unsozialen» Gesetzesrevision gab es aber auch in ländlichen Regionen.
Die Änderung des Sozialhilfegesetzes ging auf einen bereits 2013 vom Kantonsparlament überwiesenen SVP-Vorstoss zurück, der eine Senkung des Grundbedarfs um gar 10 Prozent verlangte. Die nun verworfene Vorlage sah konkret eine Senkung des Grundbedarfs um acht Prozent für alle Bezüger vor.
Für junge Erwachsene und für vorläufig aufgenommene Asylsuchende wäre der Grundbedarf gar um 15 Prozent tiefer angesetzt worden. Mit einer Kürzung von bis zu 30 Prozent musste rechnen, wer sich nicht genügend um eine Stelle bemüht oder mangelnde Sprachkenntnisse aufweist.
Die Kürzung hätte dem Kanton Bern Einsparungen von 8 bis 19 Millionen Franken gebracht - je nach Ausgestaltung der Anreizsysteme. Der Volksvorschlag wiederum hätte Mehrkosten von jährlich 17 bis 28 Millionen Franken zur Folge gehabt. Heute betragen die Sozialhilfe-Ausgaben rund 272 Millionen Franken pro Jahr.
Die Abstimmung im Kanton galt als wegweisend: Auch in anderen Kantonen sind Kürzungsvorstösse hängig oder wurden angenommen - so im Aargau und in Basel-Landschaft.
Mit Material von keystone-sda
Was immer wieder eindrücklich ist, ist dieser grosse Stadt-Land-Graben. Faktisch bleibt alles beim Alten, weil Bern und Biel oft das Zünglein an der Waage spielen.
An die ländlichen Bewohner: Was ist es, dass ihr immer das Gefühl habt, zu kurz zu kommen?
Es gibt doch noch Menschen die sich an die Bundesverfassung erinnern.
„Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“.
Wir müssen die Ursache von Sozialhilfebezug und Armut bekämpfen nicht die Bedürftigen.
Die Ursachen liegen in Arbeitsmarkt-Disparität, ungenügende Versicherungsleistungen, strukturelle Probleme und einer Wirtschaft welche Gewinne Privat / Verluste und Kosten dem Staat praktiziert.
Schweizweit sind mehr als 50'000 über 50 jährige ausgesteuerte in der Sozialhilfe...
50'000 weiter werden es im Laufe der Zeit werden und jeden Monat werden weiter 4'000 Personen ausgesteuert.