In Basel hat am Montag der Prozess gegen eine 76-jährige Seniorin begonnen, die im März 2019 einen siebenjährigen Schüler getötet hat. Die Angeklagte gab zu, die Tat im Affekt begangen zu haben.
Sie bereue die Tat jeden Tag, sagte die 76-jährige vor dem Basler Strafgericht. Nie habe sie gedacht, dass sie dazu fähig wäre. «Es tut mir leid für die Familie. Ich würde alles geben, wenn ich die Tat rückgängig machen könnte.»
Die Seniorin, die seit Jahrzehnten mit den Behörden im Streit war und ihr Eigentum zurückverlangt hatte, begründete die Tötung des Schülers mit ihrer Verzweiflung: «Ich war verzweifelt, weil ich am Abgrund stand.» Gemäss eigenen Angaben war sie kurz vor der Tötung davor, obdachlos zu werden.
Von dem Moment an, als sie die Tat begangen habe, habe sie gewusst, dass es falsch gewesen sei. «Ich habe gewusst, dass ich die Verantwortung dafür übernehmen muss», sagte sie.
Im Gerichtssaal waren auch die Eltern des getöteten Schülers anwesend, die den Prozess unter Tränen mitverfolgten.
Die Angeklagte erzählte ausführlich und detailliert über ihre seit Jahrzehnten andauernden Streitigkeiten mit den Behörden. «Man hätte endlich aufhören sollen, uns zu plagen und mit uns zusammensitzen sollen.» Sie habe sich um eine Lösung mit den Behörden bemüht. Über die Tötung des Buben sprach die Seniorin meistens nur, wenn sie vom Gericht explizit dazu aufgefordert wurde.
Auf die Frage der Gerichtspräsidentin, weshalb ein Kind sterben musste, antwortete die Seniorin: «Das kann ich Ihnen nicht sagen». Sie habe im Affekt gehandelt. Die Behörden hätten sie so weit getrieben und wie «Freiwild behandelt». Niemand habe mit ihr zusammensitzen und das Problem lösen wollen. Sie habe keine Ansprechperson bei den Ämtern gehabt. «Es ist einfach plötzlich so passiert.»
Auslöser für ihren Kampf gegen die Behörden seien zivilrechtliche Streitigkeiten ihres 1999 verstorbenen Lebenspartners gewesen, in welche sie involviert gewesen war - und insbesondere der Umstand, dass die gemeinsame Wohnung des Paares in Allschwil BL 1992 zwangsgeräumt worden war. Die beiden wurden vorübergehend obdachlos, ihr Eigentum wurde eingelagert und 1995 liquidiert.
«Seit 1992 habe ich nichts zurückbekommen - keine Entschädigung und keine Entschuldigung. Das hat mich zur Verzweiflung getrieben.» Man habe sie und ihren Lebenspartner wie «Freiwild» behandelt. Gemäss früheren Aussagen, welche die 76-Jährige gegenüber ihrem Gutachter gemacht hat, verlangte sie 1 Million Franken.
Die Angeklagte hatte in der Vergangenheit bereits andere Delikte begangen, wie sich vor Gericht herausstellte. So wurde sie vor Jahrzehnten wegen eines kleineren Diebstahls und wegen Veruntreuung von 80'000 Franken verurteilt - ihre Mutter hatte sie vor Zivilgericht gezogen. Das Geld habe sie inzwischen ausgegeben, sagte die Seniorin, die bis 2018 in einer Wohnung in Basel lebte und danach im Hotel.
Die Angeklagte leide gemäss Gutachten an einer chronifizierten, schwerwiegend wahnhaften Störung, namentlich einem Querulantenwahn, heisst es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Über 42 Jahre lang habe die Beschuldigte wahnhafte Briefe an verschiedene Behörden geschrieben. Dabei hätten die Schreiben über die Jahre an Frequenz und Intensität zugenommen. Ab 2002 sei in den Briefen der Frau häufig von Mord die Rede gewesen.
Gemäss Gutachten hat die Seniorin im Wahn gehandelt. Vor Gericht bestritt die 76-Jährige aber, die Tat im Wahn ausgeübt zu haben - überhaupt an einem Querulentanwahn zu leiden. Dies, obwohl dieser bereits zum vierten Mal bei ihr - das letzte Mal nach der Tat - diagnostiziert worden war.
«Ich habe keinen Wahn. Es ist ein Unterschied, ob man sich etwas einbildet oder ob man verzweifelt ist», sagte sie. Sie sei in all den Jahren zuvor keine gewalttätige Person gewesen.
Eine Behandlung mit Medikamenten lehnt die Angeklagte ab. «Das hier ist mein Körper.» Auf den Einwand der Richterin, dass auch der getötete Bub nicht über seinen Körper bestimmen konnte, entschuldigte sich die 76-Jährige nochmals für die Tat: «Was ich gemacht habe, ist falsch; darüber müssen wir nicht diskutieren.»
Auf die Frage, weshalb sie ein Küchenmesser in der Tasche gehabt habe, wenn sie im Affekt gehandelt habe, antwortete sie: «Ich hatte immer ein Messer dabei, da ich oft draussen gegessen habe.»
Am ersten Prozesstag wurde auch der Gutachter der 76-Jährigen befragt. Gemäss seinen Aussagen ist die Angeklagte für Argumente nicht zugänglich. Seit mindestens 1986 sei sie der Auffassung, Opfer einer «Justizkorruptionsaffäre» zu sein. Sie habe aufgrund ihrer Wahnsymptomen Schwierigkeiten, Vorgänge sachgerecht einzuordnen oder sich längere Zeit auf die Perspektive der Gegenseite einzulassen, sagte der Gutachter.
1982 seien seitens Behörden offenbar Äusserungen gemacht worden, dass nur Massnahmen ergriffen würden, wenn jemand tot sei. Diese Äusserungen hätten über all die Jahre hinweg grosse Bedeutung für die Angeklagte behalten, sagte der Gutachter. (aeg/sda)
Sie sieht sich selbst immer noch als Opfer und die gespielte Reue ist nichts als Anwaltsstrategie. Alles was bisher öffentlich bekannt ist widerspricht ihrer Darstellung vor Gericht diametral.
Es tut mir unendlich leid für die Eltern.
DAS bereut sie. Nicht, dass sie die Tat begangen hat. Sie schiebt die Schuld ab, weil SIE ja nur tat, was getan werden musste.
Ich hoffe, sie bekommt eine gerechte Strafe.