Muss man es akzeptieren, wenn ein Schüler sagt, er wolle der Lehrerin nicht die Hand geben? Zwei Tage, nachdem der Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen (FIDS) die Frage des Arena-Moderators Jonas Projer mit «Ja und Nein» beantwortet hatte, sorgt ein Rechtsfall in Therwil BL für Aufsehen.
Zwei muslimische Schüler weigerten sich gemäss «Schweiz am Sonntag», ihrer Klassenlehrerin die Hand zugeben. Daraufhin traf die Schulleitung eine Vereinbarung, wonach sie der Lehrerin die Hand nicht schütteln müssen.
Emine Sariaslan, Präsidentin des Forums für die Integration der Migrantinnen und Migranten, sagt gegenüber der Zeitung, sie erlebe es immer wieder, dass muslimische Kinder in einen Loyalitätskonflikt kämen, wenn sich die Regeln des Elternhaus von jenen der Schule unterscheiden. Den Kindern sei aber mit Sonderregeln nicht geholfen. Der Sprecher der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ) schreibt in einem Blog, das Berührungsverbot sei ein Ausdruck von Höflichkeit und Respekt. Sie gelte aber nicht für Kinder, sondern für adoleszente Menschen beiderlei Geschlechts.
Der Fall in Therwil BL scheint aber etwas anders gelagert zu sein. Gemäss der Schulratspräsidentin Christine Akeret gingen die beiden Schüler, sie sind zwischen 14 und 15 Jahre alt, mit der Forderung, die Hand der Lehrerin nicht schütteln zu müssen, auf die Schule zu. Die Schule gab nach, verlangte aber von den Jugendlichen, dass sie auch Männern nicht mehr die Hand schütteln.
Akeret sagt gegenüber Blick.ch, die Schule habe nicht gewusst, wie sie auf die Forderung der Schüler reagieren solle. «Es ist schwierig, wenn sich jemand unseren Gepflogenheiten nicht anpassen will», sagt Akeret. Ein Schulverweis oder eine Busse für die Eltern wäre aber unverhältnismässig gewesen, sagt Akeret. Die Schüler hätten behauptet, es sei ihre Entscheidung und nicht die der Eltern gewesen. Eine Weisung vom Kanton gab es nicht. Dieser arbeitet nun offenbar an einem Gutachten.
Christian Amsler, Präsident der Schweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz, bezeichnet den Schritt der Schule gegenüber tagesanzeiger.ch als klaren Fehlentscheid. Die Schule habe wohl einfach ein unangemessenes Problem aus dem Weg haben wollen, vermutet Amsler. Die Verweigerung sei inakzeptabel. Amsler: «Man sollte sofort das Gespräch suchen, zuerst mit dem Schüler, und dann auch mit den Eltern. Man muss ihnen unmissverständlich klar machen, dass diese Geste zu unseren Gepflogenheiten gehört.»
Amsler unterscheidet klar zwischen Händedruck und Kopftuch: Der Händedruck sei von pädagogischem Wert, ein wichtiges Ritual, bei dem die Lehrperson rasch merke, wie es dem Schüler gehe. Das Kopftuch hingegen störe den pädagogischen Unterricht in keiner Weise.
(dwi)