Schweiz
Asylgesetz

Mehr Konflikte in Schweizer Aslyzentren: Die Gründe dafür

Ein Asylsuchender macht Pause im Raucherraum, aufgenommen an einem Rundgang im Asylzentrum Sonnenberg, am Freitag, 8. Juli 2017, in Vilters. (Keystone/Gian Ehrenzeller)
Ein Asylsuchender im Zentrum Sonnenberg in Vilters SG.Bild: KEYSTONE

Langer Aufenthalt, wenig Beschäftigung – in Schweizer Asylzentren gibt es mehr Konflikte

Gegenüber den Vorquartalen hat sich die Zahl der Vorfälle im ersten Quartal 2016 verdoppelt. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe fordert nun mehr Geld für die Betreuung.
28.08.2016, 15:3628.08.2016, 18:38
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Insgesamt musste das Sicherheitspersonal in den Asylzentren des Bundes in den ersten drei Monaten des Jahres 240 Mal deeskalierend intervenieren, obwohl die Zahl der neu eingereisten Asylsuchenden abgenommen hat. In den drei Quartalen davor schwankte die Zahl zwischen 111 und 122. Der bisherige Maximalwert wurde 2013 mit 186 Interventionen erreicht.

Diese Zahlen gehen aus internen Controllingberichten des Staatssekretariats für Migration (SEM) hervor, über welche die «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» berichteten. SEM-Sprecher Martin Reichlin bestätigte am Sonntag auf Anfrage die Angaben.

In 77 Fällen kam die Polizei

70 Prozent der Interventionen können die Sicherheitsdienste mit verbaler Deeskalation bewältigen. Sind Ereignisse mutmasslich strafrechtlich relevant, wird die Polizei beigezogen. Dies geschah laut SEM im ersten Quartal 2016 in 77 Fällen, leicht weniger als im gleichen Quartal des Vorjahres.

Das SEM versucht, den Konflikten mit verschiedenen Mitteln vorzubeugen. «Wir achten etwa auf eine möglichst gute Durchmischung bei den Bewohnern eines Zentrums», sagt Reichlin. Seit Anfang Jahr haben die Behörden zudem das Sicherheitsdispositiv in mehreren Zentren erhöht, etwa in den Empfangszentren Altstätten (SG) und Kreuzlingen (TG).

Das sind die Gründe dafür, dass es zu mehr Konflikten kommt:

Längere Aufenthaltsdauer

Nach Einschätzung des SEM sind offene Konflikte häufiger, wenn die Asylsuchenden länger in den Unterkünften des Bundes bleiben. Dadurch nehme die gegenseitige Rücksichtnahme mit der Zeit ab, erklärte SEM-Sprecher Reichlin weiter.

Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe ist das Phänomen direkt mit der tieferen Zahl neu ankommender Asylsuchender verknüpft. Anders als 2015 sei es nicht nötig gewesen, die Asylsuchenden rasch von den Bundesasylzentren in die Kantone zu verteilen, erklärte Constantin Hruschka, Leiter Protection bei der Flüchtlingshilfe. Dadurch blieben Asylsuchende länger in den Bundeszentren, was den psychologischen Druck erhöhe.

So sieht ein Tag im Asylzentrum aus:

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Ein Tag im Asylzentrum
Die Jugendherberge in St.Gallen wurde vorübergehend zu einem Asylzentrum umfunktioniert.
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Keine Chance auf Asyl

Hinzu komme, dass einige keine Chance auf Asyl in der Schweiz hätten. Dies betreffe etwa Nordafrikaner, so Hruschka. «Diese beiden Faktoren erzeugen eine enorme Frustration.»

Die Flüchtlingshilfe fordert deshalb, dass der Bund mehr in die Betreuung investiert. Betreuer könnten Konflikte schon vor der Eskalation verhindern, bevor das Sicherheitspersonal eingreifen müsse, erklärte Hruschka. Für die Sicherheit hat das SEM im laufenden Jahr 45 Millionen Franken budgetiert, doppelt so viel wie für die Betreuung.

Zu wenig Beschäftigung

Mindern sollen das Konfliktpotential auch Beschäftigungsprogramme. Damit werden den Asylsuchenden Aufgaben im Alltag gegeben. In der Rahmenvereinbarung des SEM mit den externen Betreuungsorganisationen ist festgehalten, dass Asylsuchende vier Stunden pro Werktag beschäftigt werden. In der Realität waren es im ersten Quartal 2016 aber lediglich 2.7 Stunden, wie dem jüngsten Controllingbericht zu entnehmen ist.

SEM-Sprecher Reichlin erklärte, der Bund haben in den letzten Jahren viele neue Unterkünfte in Betrieb genommen und müsse die Beschäftigungsprogramme noch aufbauen. Das SEM will nun die Gründe analysieren und prüft Massnahmen. Für die externen Betreuungsorganisationen hat die Nichterfüllung der Vorgabe vorerst keine Konsequenzen. (egg/sda)

Hunderte Flüchtlinge stranden am Bahnhof von Como (I)

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Hunderte Flüchtlinge stranden am Bahnhof von Como (I)
Touristen passieren am Boden schlafende Flüchtlinge, welche sich am Bahnhof von Como niedergelassen haben und auf eine Weiterreise in die Schweiz warten.
quelle: keystone/ti-press / francesca agosta
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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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atomschlaf
28.08.2016 18:54registriert Juli 2015
Es wäre an der Zeit, für Gesuchsteller aus den erwähnten nordafrikanischen Ländern das 48-Stunden-Verfahren einzuführen.
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Grundi72
28.08.2016 19:14registriert Dezember 2015
"Hinzu komme, dass einige keine Chance auf Asyl in der Schweiz hätten. Dies betreffe etwa Nordafrikaner, so Hruschka. «Diese beiden Faktoren erzeugen eine enorme Frustration.» Die Flüchtlingshilfe fordert deshalb, dass der Bund mehr in die Betreuung investiert."

Hä?! Was machen denn Leute in diesen Zentren die keine Chance auf Asyl haben dort? Und warum sollen wir für diese mehr Geld für Beschäftigung ausgeben? Macht irgendwie keinen Sinn oder?!

Und watson verschweigt einen weiteren Grund, welcher jedoch von seriösen Medien aufgeführt wurde: Alkohol..

Aber ja, mehr Geld... sicher doch..
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Schnapphahn
28.08.2016 19:24registriert August 2015
Fazit des Beitrages: Ein konfliktfreies Zusammenleben wird aufgrund struktureller Probleme im Asylwesen erschwert/ verhindert. Die Asylbewerber selbst trifft keine Schuld, sie sind diesen Verhältnissen ausgeliefert und können gar nicht anders, als sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Irgendwie absurd...

Warum wird bei Nordafrikanern, die sowieso keine Chance auf Asyl haben, kein 48h-Schnellverfahren durchgeführt analog dem für die Balkanländer? So verstopfen diese Scheinflüchtlinge nur das System und kosten unnötige Ressourcen, welche an anderer Stelle eingesetzt werden könnten!
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