Schweiz
Asylgesetz

«Alles korrekt» –Bundesrat Maurer verteidigt Grenzwachtkorps

Ein Grenzwaechter begleitet Fluechtlinge, am Dienstag, 12. Juli 2016, auf dem Bahnhof in Chiasso. Die Fluechtlinge wollten mit einem Bus nach Deutschland gelangen, konnten aber an der Schweizer Grenze ...
Flüchtlinge an der Schweizer Grenze in Chiasso.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

«Alles korrekt» und «verdammte Frechheit»: Bundesrat Maurer verteidigt Vorgehen an der Grenze

25.08.2016, 23:3526.08.2016, 06:22
Mehr «Schweiz»

Nach harscher Kritik in Politik und Medien hat Bundesrat Ueli Maurer das Vorgehen der Schweizer Grenzwächter im Tessin verteidigt. Das Grenzwachtkorps wende lediglich das Gesetz an, wenn es Asylsuchende auf der Durchreise nach Italien zurückschicke.

«Es läuft alles korrekt ab», sagte Maurer in einem am Donnerstagabend vorab veröffentlichten Interview, das in den «Schaffhauser Nachrichten», dem «St.Galler Tagblatt» und der «Neuen Luzerner Zeitung» erscheint. Auf die Frage, ob die Grenzwächter manchen Migranten verweigerten, Asyl in der Schweiz zu beantragen, sagte Maurer: «Das stimmt nicht.»

Bundesrat Ueli Maurer aeussert sich an einer Medienkonferenz zum Voranschlag 2017 mit integriertem Aufgaben-und Finanzplan (IAFP) 2018-2020, am Mittwoch, 29. Juni 2016, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schnei ...
«Nur weil ich in der SVP bin»: Ueli Maurer sieht sich ungerecht behandelt.Bild: KEYSTONE

Nicht die Praxis habe geändert, sondern «der Kundenkreis, der an die Grenze kommt», sagte er weiter. «Viele Migranten wollen gar kein Asyl, sondern wollen nach Deutschland weiterreisen.»

«Hat eine Person keine gültigen Papiere und kein Visum, lassen wir sie nicht durch. So will es das Gesetz.»
Ueli Maurer

Wenn die Grenzwächter merkten, dass dies der Fall sei, würden diese weggewiesen – auch wenn sie mit einem «Zettel» von einem Hilfswerk kämen, auf dem «Asyl» stehe. Daraus zu schliessen, die Grenzwächter würden Leute daran hindern, ein Asylgesuch zu stellen, entbehre jeglicher Grundlage, sagte Maurer.

«Hat eine Person keine gültigen Papiere und kein Visum, lassen wir sie nicht durch. So will es das Gesetz», sagte Maurer. Deutschland mache das gleiche mit Leuten, die ohne gültige Papiere aus der Schweiz einreisen wollten.

Verärgerte Gewerkschaft

Im italienischen Como sind seit Mitte Juli rund 500 Menschen gestrandet, die an der Grenze zur Schweiz zurückgewiesen wurden. Diese Situation war in den vergangenen Wochen kontrovers diskutiert worden. Hilfswerke und zahlreiche Politiker kritisierten die Praxis der Schweiz. Ausserdem forderte die Gewerkschaft Garanto, welche die Grenzwächter vertritt, am Donnerstag «Klarheit» von Maurer. Dieser hatte sich während Tagen nicht äussern wollen.

«Ich finde es ehrlich gesagt eine verdammte Frechheit, dass man mir – nur weil ich in der SVP bin – von gewissen Seiten ein unkorrektes Vorgehen unterstellt.»
Ueli Maurer

Als oberster Verantwortlicher des Grenzwachtskorps müsse der Finanzminister sich öffentlich hinter die Arbeit seines Personals stellen und diese Arbeit den Bürgerinnen und Bürgern erklären, forderte die Gewerkschaft. Maurer müsse dem Vorwurf entgegentreten, die Grenzwächter wendeten das Gesetz nicht an und hinderten Flüchtlinge an einem Asylantrag.

Bundesrat Ueli Mauer und Tessiner Regierungsrat Norman Gobbi, von rechts, im Gespraech an der Delegiertenversammlung der SVP am Samstag, 20. August 2016, in Wettingen. (KEYSTONE/Siggi Bucher)
Norman Gobbi im Gespräch mit Bundesrat Maurer.Bild: KEYSTONE
Mehr Asylanträge als vor Jahresfrist
Auch der Tessiner Sicherheitsdirektor Norman Gobbi verteidigte in einem Interview mit der «Schweizer Illustrierten» die Abweisungen: Zurückgeschickt würden nur jene, die bereits irgendwo registriert seien oder nach Deutschland wollten. «Ein Migrant kann nicht auswählen, wo er leben möchte – das verstösst gegen das Gesetz.» Der Politiker der Rechtspartei Lega würde es zudem begrüssen, wenn die Militärpolizei an der Grenze eingesetzt würde. Derzeit würden die Grenzwächter von «Kollegen aus dem ganzen Tessin» unterstützt. Diese müssten aber wieder zurück zu ihren eigentlichen Aufgaben.

Nach Tagen des Schweigens zeigt sich Maurer nun im Interview verärgert über die Kritik: «Ich finde es ehrlich gesagt eine verdammte Frechheit, dass man mir – nur weil ich in der SVP bin – von gewissen Seiten ein unkorrektes Vorgehen unterstellt.» Wenn Vorwürfe erhoben würden, gehe man diesen Fällen nach. «Wir haben noch keinen Fehler festgestellt.»

Italien soll handeln

Zur Lage in Como – Flüchtlinge hausen dort am Bahnhof und in einem Park – sagte Maurer, die Situation lasse sich «im Moment» verantworten. «Ändert das Wetter, muss sich Italien etwas einfallen lassen – die Container, die jetzt eingerichtet werden, sind ein Anfang.» Zur Zusammenarbeit mit Italien sagte Maurer, er habe bei einem Treffen den italienischen Innenminister daran erinnert, dass Italien als Schengen-Mitglied verpflichtet sei, abgewiesene Migranten zurückzunehmen.

«Wir wollen, dass die Leute richtig betreut werden und nicht irgendwo an der Grenze stehen.» Die Zusammenarbeit mit Italien habe sich in der Zwischenzeit markant verbessert. Ein spezielles Abkommen gebe es aber nicht. (kad/sda)

Hunderte Flüchtlinge stranden am Bahnhof von Como (I)

1 / 16
Hunderte Flüchtlinge stranden am Bahnhof von Como (I)
Touristen passieren am Boden schlafende Flüchtlinge, welche sich am Bahnhof von Como niedergelassen haben und auf eine Weiterreise in die Schweiz warten.
quelle: keystone/ti-press / francesca agosta
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
140 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Denk nach
26.08.2016 01:05registriert Juli 2016
Es braucht auch kein spezielles Abkommen. Ob es nun den Weltverbessern passt oder nicht, es gibt klare Verträge und Gesetze die wir und die restlichen Dublinstaaten einhalten müssen.

Wenn jeder seinen Job macht und die Osteuropäer endlich in die Pflicht genommen werden bezüglich der Aufnahmequoten funktioniert das System!

Die EU muss sich endlich solidarisch gegenüber Italien und Griechenland zeigen!

Wer wirklich flüchtet darf nicht wählerisch sein wohin die Reise geht! Ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung, Sicherheit und ein voller Bauch ist garantiert in der Schweiz.
12924
Melden
Zum Kommentar
avatar
LaPaillade
26.08.2016 07:19registriert Juni 2015
«Ich finde es ehrlich gesagt eine verdammte Frechheit, dass man mir – nur weil ich in der SVP bin – von gewissen Seiten ein unkorrektes Vorgehen unterstellt.»

Das könnte Frau Sommaruga wohl auch sagen.
10627
Melden
Zum Kommentar
avatar
ottonormalverbraucher
26.08.2016 00:14registriert August 2016
Wie kann irgendjemand die Erwartung haben, dass man Leute in ein Land lässt, die keine Papiere haben. Da können wir die Grenzen gleich ganz auflösen. Jemand auf der Flucht und in Not? Wir helfen (das tun wir tatsächlich)! Wollen aber keine Hilfe von uns, sondern nur durchreisen? WTF?
8225
Melden
Zum Kommentar
140
4-Tage-Woche: Erstes grosses Pilotprojekt in der Schweiz
Immer mehr Länder und Unternehmen testen die 4-Tage-Woche. Nun soll bald auch in der Schweiz ein gross angelegtes Pilotprojekt beginnen. Das Wichtigste zu den bisherigen Erkenntnissen, zur 4-Tage-Woche weltweit und in der Schweiz.

Vier Tage in der Woche arbeiten, drei Tage pausieren – und trotzdem 100 Prozent des Lohnes erhalten: Für viele klingt das zu gut, um wahr zu sein. Und trotzdem ist die 4-Tage-Woche seit einiger Zeit auf dem Vormarsch.

Zur Story