Nach eineinhalb Monaten im Amt hat Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP) ihren ersten Pflock eingeschlagen. Es geht um ein grosses Geschäft, das momentan wichtigste und auch umstrittenste in ihrem Departement: die Erneuerung der Luftverteidigung. Von den Behörden wird das Projekt Air2030 genannt, weil es bis dann abgeschlossen sein soll.
Der ehemalige Verteidigungsminister Guy Parmelin (SVP) hatte seiner Nachfolgerin ein fertig geschnürtes Paket in Form eines referendumsfähigen Planungsbeschlusses übergeben. Darin enthalten: neue Kampfjets sowie neue Boden-Luft-Raketen samt Radar (Bodluv). Kostenpunkt: bis zu acht Milliarden Franken.
Doch die neue Verteidigungsministerin tritt bei diesem Milliardengeschäft nun auf die Bremse. Bevor sie dem Gesamtbundesrat einen konkreten Antrag vorlegt, möchte sie sich ein «umfassendes Bild» vom Vorhaben machen, wie das Verteidigungsdepartement (VBS) mitteilt.
Konkret heisst das: Amherd will intern Gespräche mit Fachleuten führen und eine «externe Zweitmeinung» zum Expertenbericht «Luftverteidigung der Zukunft» einholen, den Parmelin in Auftrag gegeben hatte.
Zudem lässt die Walliserin eine «Analyse der heutigen Bedrohungslage» erstellen, um sie «mit den bisherigen Einschätzungen zu vergleichen und daraus allfällige Konsequenzen» für das Projekt Air2030 abzuleiten. In einem zweiten Schritt gehe es dann um die Frage, wie ein Referendum ermöglicht werden soll.
Das Vorgehen Amherds deutet darauf hin, dass die neue Verteidigungsministerin nicht einverstanden ist mit den Plänen ihres Vorgängers. Zumal der Widerstand gegen diese im Parlament zuletzt immer grösser geworden war.
Unterstützung für seinen Vorschlag erhielt Parmelin einzig von SVP, BDP und GLP. Doch damit macht man keine Mehrheit. SP, FDP und CVP standen der ganzen Sache kritisch gegenüber – wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen.
Gleichzeitig sprach sich nach dem Nationalrat im vergangenen Dezember auch der Ständerat für einen Vorstoss der BDP aus, wonach die Bevölkerung im Grundsatz über die Beschaffung neuer Kampfjets und die Kosten dafür abstimmen können soll.
Ein Ausweg aus der vertrackten Situation könnte für Amherd ein Vorschlag ihrer eigenen Partei sein. Die CVP möchte die Stimmberechtigten nur über die Beschaffung neuer Kampfjets abstimmen lassen und die Vorlage nicht über einen Planungsbeschluss referendumsfähig machen, sondern über eine Änderung des Militärgesetzes.
Der Urner CVP-Ständerat Isidor Baumann will sich nicht auf Spekulationen einlassen. Er sagt: «Es ist möglich, dass Viola Amherd einen neuen Weg einschlägt. Es ist aber auch möglich, dass sie das Vorgehen ihres Vorgängers bestätigt.» Er könne jedenfalls nachvollziehen, dass sie zuerst mehr Informationen wolle, so Baumann.
Das sagt auch die Zürcher SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf: «Amherds Vorgehen ist absolut richtig.» Sie könne sich gut vorstellen, dass die neue Verteidigungsministerin Zweifel habe an der Höhe des Kostendaches für das Vorhaben und darum eine Bedrohungsanalyse wolle. Für Seiler Graf ist jedoch klar: «Für den Planungsbeschluss dürfte das in seiner jetzigen Form das Ende bedeuten.»
Noch im ersten Halbjahr 2019 soll sich der Bundesrat das nächste Mal mit dem Projekt Air2030 befassen. Dann dürfte Amherd ihren Plan bekannt geben. Durch die Extraschlaufe könnte es zu Verzögerungen im Beschaffungsprozess kommen, wie es beim VBS heisst. Trotzdem rechnet es weiterhin damit, dass die neuen Kampfjets und Boden-Luft-Raketen ab dem Jahr 2025 und bis 2030 ausgeliefert werden. Denn die Evaluation der möglichen Kampfjettypen läuft weiter.
Vor kurzem haben fünf Unternehmen dem Verteidigungsdepartement ihre Offerten übergeben: Airbus (Eurofighter), Boeing (F/A-18 Super Hornet), Dassault (Rafale), Lockheed Martin (F-35A) und Saab (Gripen E). Zwischen April und Juli dieses Jahres sollen die Kampfjets in Payerne einer Flug- und Bodenerprobung unterzogen werden.