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5 Gründe, warum der Erfolg bei der SVP unter Albert Rösti ausbleibt

Nationalrat Albert Roesti, Praesident SVP, telefoniert vor der Podiumsveranstaltung "Altersvorsorge 2020" am Mittwoch, 10. Mai 2017, in Luzern. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
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5 Gründe, warum der Erfolg bei der SVP unter Albert Rösti ausbleibt

Vom Asyl- bis zum Energiegesetz: Seit Albert Röstis Amtsantritt vor einem Jahr fährt die SVP an der Urne eine Niederlage nach der anderen ein. Das sind die Ursachen für das Formtief der wählerstärksten Schweizer Partei.
22.05.2017, 17:1623.05.2017, 11:53
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Freundlich, umgänglich, gmögig: Mit positiven Attributen für SVP-Chef Albert Rösti geizen weder Parteifreunde noch politische Gegner. In puncto Beliebtheit steht der Berner Oberländer seinem Vorgänger Toni Brunner in nichts nach. Was allerdings den politischen Palmares angeht, schneidet Rösti ungleich schlechter ab.

Kannte die Erfolgskurve der SVP unter Brunner zuletzt fast nur eine Richtung – nach oben – fährt die Partei unter Rösti eine Niederlage nach der anderen ein. Und dies ausgerechnet in ihren Kerndossiers: So scheiterte sie nach Röstis Amtsantritt nicht nur mit dem Asylgesetz-Referendum und verlor die Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung. Auch mit ihrem Einsatz für die Unternehmenssteuerreform III und die Milchkuh-Initiative politisierte die SVP unter der neuen Führung am Volk vorbei.

Die Schlappe vom Sonntag nun, das klare Ja zur Energiestrategie 2050, dürfte den profilierten Energiepolitiker Rösti persönlich besonders schmerzen. Dazu kommen mehrere verlorene kantonale Wahlen, zuletzt im Waadt und in Neuenburg. Was läuft schief? watson hat die Gründe für die Niederlagen-Serie zusammen mit dem Politgeografen Michael Hermann vom Forschungsinstitut Sotomo analysiert.

Das Verlierer-Image

SVP-Parteipraesident Albert Roesti kurz vor Beginn der Elefantenrunde der Parteipraesidenten, zum Ergebnis der Abstimmung zur Energiestrategie 2050, am Sonntag, 21. Mai 2017 in Bern. (KEYSTONE/Peter K ...
Albert Rösti übte nach dem verlorenen Energie-Referendum Selbstkritik.Bild: KEYSTONE

Inhaltlich trage Albert Rösti kaum die Hauptverantwortung für die Negativserie, sagt Politologe Michael Hermann. Schliesslich weiche der Berner Oberländer nicht von den Positionen seines Vorgängers ab. «Spannend ist jedoch, dass die Niederlagen viel stärker an Rösti kleben bleiben als an anderen Figuren in der Partei.» Was ein Toni Brunner jovial weglache, nehme ein Albert Rösti zerknirscht auf seine Kappe.

So räumte der SVP-Chef nach der gestrigen Niederlage im «Blick» ein: «Wir sind nicht in Topform.» Die Figur Rösti passe insofern zur Erzählung einer verunsicherten SVP, die derzeit von den Gegnern oft und gern bemüht werde, so Hermann. Eine gewisse Ehrlichkeit sei zwar löblich – agiere jemand aber wiederholt wie ein Verlierer, festige sich dieses Image in der Öffentlichkeit.

Das Timing

Der neugewaehlte SVP Parteipraesident Albert Roesti, rechts, erhaelt vom abtretenden SVP Parteipraesident Toni Brunner, links, ein Geschenk, an der SVP Delegiertenversammlung am Samstag, 23. April 201 ...
Albert Rösti (r.) trat als Nachfolger von Toni Brunner ein schweres Erbe an.Bild: KEYSTONE

Albert Rösti hat die Partei letztes Jahr von Toni Brunner übernommen, als sich diese auf dem Zenit befand. Hatten viele bereits 2007 geglaubt, dass die SVP ihr Potenzial ausgeschöpft hat, steigerte diese ihren Wähleranteil an den Wahlen 2015 nochmals – auf noch nie da gewesene 29,4 Prozent.

«Dass das Pendel bei einer solchen Übermacht einer Partei wieder ein Stück weit zurückschlägt, ist normal», stellt Hermann fest. Die Stimmbürger sehnten sich nach einer gewissen Korrektur. Auch sei es in einem bürgerlich geprägten Parlament schwieriger für die SVP, sich als oppositionelle Kraft zu inszenieren.

Die Selbstüberschätzung

Ein Plakat der SVP zur Durchsetzungsinitiative steht in einem Feld, am Sonntag, 7. Februar 2016, in Wimmis. Das Schweizer Stimmvolk hat am 28. Februar 2016 ueber vier eidgenoessische Vorlagen abzustim ...
Ausschaffung, die Zweite: Hat die SVP mit der Durchsetzungsinitiative den Bogen überspannt?Bild: KEYSTONE

Was die SVP anfasst, wird zu Gold: Diesen Eindruck konnte eine Zeitlang gewinnen, wer das Politgeschehen in der Schweiz verfolgte. Ausschaffungs-, Minarett- und Masseneinwanderungsinitiative: Die SVP marschierte einfach durch. «Die Haltung der SVP war fortan: ‹Wir wissen, was das Volk will, und es folgt uns überall hin›», so Hermann.

In der Folge habe die Partei den Bogen aber überspannt, etwa bei der Durchsetzungsinitiative. Sie wurde im Februar 2016 mit wuchtigen 59 Prozent abgelehnt – noch unter der Führung Toni Brunners, dessen Nachfolge allerdings schon geregelt war. «Die SVP musste merken: Immer noch eins drauflegen funktioniert nicht», sagt Hermann.

Der Hang zur Übertreibung könnte der SVP auch bei der Energievorlage zum Verhängnis geworden sein: «Wenn man einen ausgebeinelten Kompromiss darstellt, als wäre es eine radikales Teufelswerk, das zu einem Bananen-Verbot führt, merken das die Stimmbürger.»

Die Anderen

Ruedi Rechsteiner (Alt-Nationalrat), Jonas Fricker (Nationalrat Gruene-AG), Matthias Aebischer (Nationalrat SP-BE), Juerg Grossen (Nationalrat GLP-BE), Pascal Vuichard (Co-Praesident Junge GLP) und Re ...
Die Gegner der SVP lernen dazu.Bild: KEYSTONE

Dass die Argumente der SVP gegen die Energiestrategie an vielen Bürgern abprallten, ist laut Hermann nicht nur der Schwäche der SVP geschuldet. «Vielmehr legten auch die anderen Parteien eine steile Lernkurve hin.» Aufgeschreckt von den vorherigen Erfolgen der SVP, würden heute Vorlagen im Parlament soweit entschärft, dass sie an der Urne sicher mehrheitsfähig sind.

Als Beispiel nennt Hermann die erleichterte Einbürgerung: das Parlament definierte den Kreis der möglichen Einbürgerungskandidaten sehr eng, zudem wurde auf einen Automatismus verzichtet. Auch kampagnentechnisch lernten die SVP-Gegner hinzu: «Sie laufen jetzt seltener in den Hammer, sondern können vermehrt eigene Akzente setzen.»

Die MEI-Müdigkeit

Nationalraete der SVP halten Plakate mit der Aufschrift "Verfassungsbruch" und "Massenzuwanderung geht weiter" hoch, bei der Schlussabstimmung ueber die Masseneinwanderungsinitiati ...
Migrationsdebatten in Schwarz-Weiss-Tönen funktionieren schlechter als auch schon.Bild: KEYSTONE

Die SVP schäumte, nachdem das Parlament die Masseneinwanderungsinitiative zu einem sanften Arbeitslosenvorrang geschrumpft hatte. Das Volk werde an der Urne zeigen, was es vom Entscheid hält, drohten aufgebrachte Exponenten. Bisher blieb der Effekt jedoch aus.

Auch sonst funktioniere das von der SVP gepflegte Schwarz-Weiss-Denken bei Migrationsthemen heute weniger gut als früher, so die Beobachtung Hermanns. «Zum einen, weil die Gegner sich zum Teil der Position der SVP angenähert haben, zum anderen, weil immer mehr Leuten klar wird, dass es etwa bei der Personenfreizügigkeit keine einfachen Lösungen gibt.»

Dadurch verschiebe sich der Fokus vermehrt auf andere Themen, so Hermann. Und dort sei es ganz normal, dass die SVP auch regelmässig zu den Verlierern gehört. «Nur fällt das jetzt viel mehr auf, da sich die Partei gerade nicht hinter einer grossen migrationspolitischen Kampagne verstecken kann.»

SVP-Abstimmungsplakate

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SVP-Abstimmungsplakate
Mit Zangen-Plakaten gelang es Christoph Blocher und der SVP, am 6. Dezember 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu bodigen.
quelle: keystone / str
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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nathanael
22.05.2017 19:53registriert Januar 2017
Und jetzt kommt noch ein weiterer Grund dazu: In den USA kann man live erleben, was passiert, wenn man polternde Populisten wählt, die nur destruktiv politisieren und faktenfrei ihre Gegner verunglimpfen.
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Dewar
22.05.2017 19:57registriert Januar 2015
Meine Theorie ist die Folgende: Die Leute haben einfach gemerkt, dass die SVP nicht das bieten kann, was sie verspricht. Während des steilen Aufschwungs zwischen 2003 und 2015 hat die SVP beim Volk konstant mit einfachen Lösungen zu komplexen Problemen gepunktet und immer den passenden Sündenbock präsentiert. Die Wirtschaftskrise machte es dann noch einfacher, mit Angstkampagnen Stimmung zu machen. In den letzten Jahren wäre es dann aber mal Zeit gewesen zu liefern - was nie passiert ist. Das kurzfristige Denken mit Problembewirtschaftung ohne echte Lösungen rächt sich jetzt halt.
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Makatitom
22.05.2017 17:52registriert Februar 2017
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