Zahlen lügen nicht. Zumindest gilt diese Redensart für die jüngsten Wahlresultate der SVP. Sie sind desaströs. Minus neun Sitze vor einer Woche im Zürcher Kantonsrat, je minus sieben Sitze in den Parlamenten von Baselland und Luzern am letzten Sonntag. In beiden Kantonen hat die Volkspartei je rund ein Viertel ihres bisherigen Besitzstands eingebüsst.
Damit nicht genug der Bad News: Im Baselbiet ging SVP-Regierungsratskandidat Thomas de Courten sang- und klanglos unter. In Luzern muss SVP-Regierungsrat Paul Winiker überraschend in den zweiten Wahlgang. In Zürich verteidigte Natalie Rickli den zweiten Sitz in der Kantonsregierung wohl nur, weil die Grünliberalen keine überzeugende Kandidatur aufzubieten vermochten.
Damit lässt es sich nicht mehr widerlegen: Die SVP befindet sich in der grössten Krise seit Beginn ihres Höhenflugs vor mehr als 25 Jahren und dem legendären Anti-EWR-Kreuzzug von Christoph Blocher. Rückschläge gab es seither immer wieder, nicht zuletzt Blochers Abwahl aus dem Bundesrat, aber insgesamt zeigte die Kurve für die SVP stetig nach oben.
Parteipräsident Albert Rösti erklärte die herben Verluste gegenüber Radio SRF mit der Klimadiskussion: «Unsere Wähler sind zuhause geblieben, während die Grünen und Grünliberalen massiv mobilisieren konnten.» Damit hat er angesichts der Verschiebungen von rechts nach links wohl recht. Die Klimastreiks haben sonst eher «stimmfaule» Mitte-links-Wähler aufgeschreckt.
Der SVP fehlt derzeit ein Thema mit ähnlich emotionalem Gehalt. In den Bereichen Asyl und Zuwanderung ist es sehr ruhig geworden. Und beim Rahmenabkommen mit der EU stellt sich die Frage, ob die SVP im Hinblick auf den Wahlherbst nicht das falsche Pferd gesattelt hat. Dies zeigte sich an der Delegiertenversammlung am letzten Samstag in Amriswil TG.
Einen beträchtlichen Teil widmete die SVP dem «EU-Unterwerfungsvertrag», inklusive Brandreden von Roger Köppel, Magdalena Martullo-Blocher und Privatbanker Thomas Matter, der im Stil eines Klassenkämpfers über «die bonusgetriebenen Konzernmanager» herzog. «Doch so richtig Kampfstimmung wollte nicht aufkommen», schrieb die «SonntagsZeitung».
Das erstaunt nur vordergründig. «Der Rahmenvertrag ist nicht die Sorge der kleinen Leute», sagte ein langjähriger Nationalrat, der namentlich nicht genannt werden wollte, den Tamedia-Zeitungen. Sie sorgten sich eher darum, wie sie ihre Rechnungen bezahlen könnten. Und selbst in den Reihen der SVP wird laut «SonntagsZeitung» der Klimawandel als Problem identifiziert.
Das institutionelle Abkommen aber eignet sich nicht als Wahlschlager. Dafür gibt es Gründe. Zum einen sind sich die meisten Stimmbürger der Bedeutung der bilateralen Verträge für die Schweizer Wirtschaft bewusst. Das zeigt auch die von der «NZZ am Sonntag» veröffentlichte Umfrage im Auftrag von Interpharma, wonach 60 Prozent das Abkommen «bestimmt» oder «eher» befürworten.
Wichtiger aber ist ein anderer Punkt: Das Rahmenabkommen mag ein grosses Thema in Medien und Politik sein, in der Lebensrealität der meisten Menschen aber ist es (noch) nicht angekommen. Die Kakofonie und die schwierige Materie schrecken eher ab. «Das Thema ist mir zu kompliziert», meint eine Stimme aus meinem persönlichen Umfeld, die vielen aus der Seele sprechen dürfte.
Es ist schlicht die menschliche Natur: Mit einem kontroversen und komplexen Thema beschäftigt man sich lieber erst dann, wenn es wirklich zählt. Bis es beim Rahmenabkommen so weit ist, wird es noch einige Zeit dauern. Aussenminister Ignazio Cassis sagte letzte Woche an den Aarauer Demokratietagen, die Volksabstimmung werde wohl erst etwa Mitte 2021 stattfinden.
Für die SVP und ihre Strategie für den Wahlherbst sind dies schlechte Nachrichten. Sie muss fast auf eine Eskalation im Verhältnis zur EU hoffen, etwa wenn das Stimmvolk am 19. Mai sowohl den Steuer-AHV-Deal wie auch das Waffenrecht ablehnt. Beide Vorlagen haben einen starken EU-Bezug. Bei einem doppelten Nein könnte Brüssel die Schweiz in den Schwitzkasten nehmen.
Falls dies nicht geschieht, deuten immer mehr Signale darauf hin, dass der Bundesrat versuchen wird, die Debatte über das Rahmenabkommen bis nach den Wahlen im Herbst hinauszuschieben. Er könnte der EU im Juni grundsätzliche Zustimmung signalisieren (mit Unterstützung der meisten Parteien ausser der SVP) und gleichzeitig auf Klärungsbedarf in einzelnen Punkten hinweisen.
In Brüssel scheint man dafür offen zu sein. EU-Chefunterhändler Christian Leffler soll die Bereitschaft zu weiteren Gesprächen signalisiert haben. Eigentliche Nachverhandlungen schloss der schwedische Diplomat weiterhin aus, aber über «Präzisierungen» könne man immer reden. Damit würde die EU die Türe für einen «Waffenstillstand» im Dossier Rahmenvertrag öffnen.
Für die SVP wären dies schlechte Nachrichten. Ihr Versuch, eine emotionale Kampagne gegen das Abkommen zu führen, könnte ins Leere laufen. Profitieren würde dafür die SP. Parteipräsident Christian Levrat verfolgt seit Jahresbeginn eine Strategie der Deeskalation. Wenn die Debatte auf kleinem Feuer kocht, lassen sich die internen Differenzen etwa beim Lohnschutz kaschieren.
Die stolze Volkspartei aber politisiert zunehmend am Volk vorbei. Das liegt vielleicht auch an Christoph Blocher. Wie viel Macht der «Übervater» immer noch hat, zeigte sich letzte Woche, als er die Zürcher Parteileitung in corpore zum Rücktritt drängte. Mit seiner EU-Obsession aber könnte Blocher für die SVP zu einer Belastung werden.
Noch wagt kaum jemand in der Partei, am Denkmal zu rütteln. Sollte die SVP im Oktober aber tatsächlich eine Pleite einfahren, könnte sich dies ändern.
Jeder der sich ein bisschen mit den Entscheiden der SVP beschäftigt, merkt sehr schnell, welche Themen die SVP wirklich interessieren.
- Machterhalt der Superreichen
- Steuererleichterung der Superreichen
- keine rechtlichen Richtlinien für die Firmen der
Superreichen.
All diese Themen bringen nur einem sehr kleinen Anteil der Schweizer Bevölkerung Vorteile. (weniger als 0,5%.)
Da fragt man sich schon wie diese Partei 25% dumme Schweizer findet die sie wählen.