Es war ein grosser Tag für die Abstimmungssieger, allen voran SVP und FDP sowie Arbeitgeber- und Gewerbeverband: Am 24. September 2017 schickte das Schweizer Stimmvolk die Altersvorsorge 2020 bachab. Die «Ausbauvorlage» mit den umstrittenen 70 Franken AHV-Zuschlag war vom Tisch.
Alles weitere, so hatten die Sieger im Abstimmungskampf zu verstehen gegeben, werde sich leicht machen lassen. Namentlich die FDP hatte angeblich einen «Plan B» bereit: Mit «vermittelbaren und vor allem generationengerechten, voneinander unabhängigen Reformpaketen», wie die Partei bereits im Mai 2017 mitteilte.
SVP-Sozialpolitiker Sebastian Frehner sagte nach dem Abstimmungssieg: Es brauche keine neue Vernehmlassung, alles liege auf dem Tisch. Man brauche nur jene Punkte umzusetzen, in denen sich beide Lager einig seien. Auch Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (FDP), einer der Baumeister des Nein, befand: «Es liegen alle Fakten auf dem Tisch. Wir müssen uns nun alle an einen Tisch setzen.»
Innenminister Alain Berset (SP), neben SP, CVP und Gewerkschaften grosser Verlierer der September-Abstimmung, machte sich also wieder an die Arbeit. Er rief 27 Organisationen und Parteien schon Ende Oktober zu einem runden Tisch zusammen, um schnell eine neue Vorlage aufzugleisen. Denn die Zeit drängt: Der AHV geht das Geld aus. Sie gibt pro Jahr bis zu 800 Millionen mehr aus, als sie einnimmt.
Das Resultat der Aussprache fasste Berset danach wie folgt zusammen: «Man ist sich in keinem einzigen Punkt der Rentenreform einig.» Der famose «Plan B» hatte sich als Phantom erwiesen. Von Einigkeit keine Spur, auch nicht unter den Siegern.
Der Bundesrat beschloss darauf im Dezember 2017, die AHV als Erstes zu sanieren. Und erst in einem späteren Schritt die zweite Säule. Die Altersvorsorge 2020 hatte die Probleme der beiden Säulen noch gleichzeitig angehen wollen.
Am Freitag ist es so weit: Bundesrat Berset unterbreitet den Kolleginnen und Kollegen auftragsgemäss die Eckwerte, wie die AHV wieder ins Lot gebracht werden soll. Dem Vernehmen legt der Innenminister ein Papier vor, das zwei Optionen enthält, wie die erste Säule stabilisiert werden und gleichzeitig das Rentenniveau gehalten werden kann. Beide enthalten eine gesalzene Rechnung.
Die erste Option sieht vor, die Mehrwertsteuer um 1.9 Prozentpunkte zu erhöhen. Diese Erhöhung würde ab 2021 greifen, womit die AHV bis ungefähr 2033 gesichert wäre. Wobei die Erhöhung in zwei Schritten realisiert werden könnte: 1 Prozent ab 2021, die restlichen 0.9 Prozent ab 2024. Damit würde nur der Status quo der AHV finanziert. Diese knapp zwei Prozent Mehrwertsteuer entsprechen derzeit wohl etwa 4.5 Milliarden Franken.
Die zweite Option sieht dem Vernehmen nach vor, im gleichen Aufwisch auch noch das Rentenalter für Frauen auf 65 Jahre zu erhöhen. Dieser Weg käme nicht viel billiger zu stehen, er würde 1.7 Prozent Mehrwertsteuer kosten, sofern man die Steuer 2021 auf einen Schlag erhöht. Ginge man in zwei Schritten vor, müsste die Steuer offenbar auch in dieser Variante insgesamt um 1.9 Prozent erhöht werden. Das höhere Rentenalter für Frauen würde in der zweiten Variante mit verschiedenen Abfederungsmassnahmen teilweise kompensiert.
Die Mehrwertsteuer würde also von heute 7.7 auf 9.6 Prozent steigen – allein zur Sicherung der AHV. Zum Vergleich: Die Altersreform 2020, die auch die Pensionskasse gesichert hätte, sah lediglich eine Erhöhung von 0.6 Prozent Mehrwertsteuer und 0.3 Prozent Lohnbeiträge für die AHV vor. Damit wäre die AHV bis 2030 finanziert gewesen.
Die jetzigen fast 2 Prozent würden die erste Säule aber nur unwesentlich länger sichern. Teurer wird es unter anderem deshalb, weil einige weitere Jahre verloren gingen. Und weil das Rentenalter für Frauen vorläufig nicht erhöht wird.
Ob sich der Bundesrat heute schon zu einem Entscheid durchringt und die Vorlage in die Vernehmlassung schickt, gilt als fraglich. Dieser Tage ging eine Reihe von Mitberichten aus anderen Departementen ein, die Vorbehalte anmelden. Alternativen zu Bersets Vorschlägen sind zweifellos die Erhöhung des Rentenalters auf über 65 oder aber Rentenkürzungen. Oder eine Mischform aus allem.
Sicher ist: Das wird teuer. Mancher Sieger vom September 2017 wünscht sich längst, diese Abstimmung wäre anders ausgegangen. (aargauerzeitung.ch)