Wer arbeitet, zahlt einen Teil seines Lohns in die berufliche Vorsorge, in die Pensionskasse, welche die Beiträge aller Arbeitnehmer sammelt und anlegt, um sie bei der Pensionierung wieder auszubezahlen. Das System kommt unter Druck, weil die Menschen immer älter werden, die Renten aber in ungekürzter Form ausbezahlt werden. Den Pensionskassen macht zudem das tiefe Zinsniveau zu schaffen.
Bisher haben Renditen von 5 Prozent und mehr einen saftigen Zustupf für das Ersparte abgeworfen und das Altersguthaben aufgestockt. Die Verheissung: hohe Renten! Tempi passati. Seit das Zinsniveau tief ist, fehlt sogar das Geld, um die versprochenen Renten auf Dauer zu finanzieren. Das angesparte Kapital muss immer mehr Jahre Rentenzahlungen ermöglichen. Denn an der Höhe der Rente lässt sich nicht rütteln. Der bei der Pensionierung festgelegte Umwandlungssatz gilt bis ans Lebensende, die Rente ist garantiert. Nur kann diese zu heutigen Bedingungen nicht mehr finanziert werden.
Seit Jahren fehlt Geld. Weil die berufliche Vorsorge sich alleine über die Lohnbeiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert, bleibt den Pensionskassen gar nichts anderes übrig, als die Sparguthaben der Erwerbstätigen anzuzapfen, um die laufenden Renten zu zahlen. Das Geld fehlt dann der jüngeren Generation. Laut Bundesrat Alain Berset ein «Skandal». Alleine im letzten Jahr wurden so rund 7 Milliarden Franken von Jung zu Alt umverteilt.
Das ist die grosse Frage. Aktuell versuchen die Pensionskassen, das Problem über einen tieferen Umwandlungssatz zu korrigieren. Das funktioniert aber nur bei Personen mit hohen Einkommen. Denn bis zu einem Einkommen von 84 600 Franken ist das Altersguthaben obligatorisch versichert. Das bedeutet, dass das Altersguthaben nach einem gesetzlich festgelegten Umwandlungssatz von 6.8 Prozent verzinst wird. Bei allen, die mehr verdienen und also auch im überobligatorischen Bereich versichert sind, besteht ein Spielraum. Die Pensionskassen machen eine Mischrechnung und setzen einen eigenen, tieferen Umwandlungssatz fest.
Ja. Laut einer Studie der Swisscanto-Vorsorge AG ist der Medianwert für Renten aus der beruflichen Vorsorge innerhalb von fünf Jahren von 36 880 Franken (2013) auf 29 600 Franken (2018) geschrumpft. Das ist ein Minus von rund 20 Prozent. Für Neurentner ist das lebenslängliche Rentenversprechen möglicherweise ein Nachteil: Auch wenn sich die Finanzmärkte erholen, bleibt ihre Rente vergleichsweise tief.
Die Umverteilung zwischen Jung und Alt geht trotzdem weiter, weil im obligatorischen Bereich immer noch zu hohe Rentenversprechen gemacht werden. Der Umwandlungssatz von 6.8 Prozent geht von einer Rendite von 5 Prozent aus. Auch ein Umwandlungssatz von 6 Prozent ist gemessen an den Renditeversprechen und Lebenserwartungen klar zu hoch. Die Differenz bezahlen die heute Erwerbstätigen, die Jungen. Und die Umverteilung hört erst auf, wenn der Umwandlungssatz den Realitäten angepasst wird. Dafür braucht es eine Gesetzesänderung. Bisher scheiterten alle Anläufe. Jetzt liegt eine Lösung vor, die von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden gemeinsam ausgehandelt wurde und deshalb passable Chancen hat.
Der gesetzliche Umwandlungssatz würde mit sofortiger Wirkung von 6.8 auf 6 Prozent gesenkt. Das entspricht einer Rentenkürzung von 12 Prozent. Um Rentenausfälle mittel- und langfristig aufzufangen, sollen die Erwerbstätigen künftig mehr sparen. Erreicht wird dies über technische Anpassungen: Erstens werden die Altersgutschriften angepasst und zweitens wird der Koordinationsabzug halbiert. Vom Lohn bleibt so zwar weniger übrig, es bleibt dafür mehr für die Vorsorge, weil auch der Arbeitgeber mehr in die Pensionskasse zahlen muss.
Das ist der grosse Knackpunkt. Bei der letzten Rentenreform hat sich das Parlament darauf eingeschworen, die «Übergangsgeneration» um jeden Preis zu verschonen: Niemand soll Renteneinbussen verkraften müssen. Die Sozialpartner orientieren sich weiterhin an dieser politischen Vorgabe und wollen der Übergangsgeneration keine Abstriche zumuten. Die Renteneinbussen sollen mit einem solidarisch finanzierten Rentenzuschlag gedeckt werden. Die ersten fünf Jahrgänge erhalten 200 Franken pro Monat zusätzlich, unabhängig von der Höhe der Rente. Die zweiten fünf Jahrgänge erhalten noch 150 Franken, für die dritten fünf Jahrgänge sind 100 Franken vorgesehen. Ab Jahrgang 16 kann der Bundesrat die Höhe des Beitrags festlegen. Finanziert wird der Rentenzuschlag über eine Erhöhung der Lohnbeiträge um 0.5 Prozent.
Doch. Eine Reform ohne Verlierer sei nicht möglich, mahnt Christine Egerszegi, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge. «Jemand muss die Löcher stopfen.» Sie verlangt von den Architekten der Reform, dass sie darlegen, wer die Zeche zahlen muss. Für die Arbeitgeber ist klar: Versicherte mit hohen Einkommen bezahlen langfristig insgesamt mehr in den Topf für den Rentenzuschlag, als sie selbst erhalten werden – analog zur AHV. Was ebenso klar ist: Die Jungen bezahlen mehr, damit sie später mindestens gleich hohe Renten erhalten, wie es bisher vorgesehen war. Gleichzeitig müssen sie über 0.5 Prozent höhere Lohnabgaben den Rentenzuschlag für die Übergangsgeneration finanzieren.
Ob sie selbst von diesem Zuschlag je profitieren können, wissen sie nicht. Das entscheidet der Bundesrat. Ob die soziale Abmischung stimmt, stellt Egerszegi in Frage: Gerade Erwerbstätige in Niedriglohnbranchen wie Coiffeusen oder Verkäufer müssen deutlich mehr von ihrem Lohn für die Vorsorge abzwacken und wissen nicht, ob sie am Ende mehr Rente erhalten. Der Arbeitgeberverband hält dagegen, dass hohe Löhne proportional mehr beisteuern. Für den Arbeitgeberverband ist es trotzdem die Lösung, die den Jungen am besten entgegenkommt.
Der Verband argumentiert, dass erstens der Rentenzuschlag gedeckelt sei und die 0.5 Lohnprozent trotz steigender Rentnerzahl (Babyboomer gehen 2020–2035 in Pension) nicht erhöht werden müssten. Zweitens sei die Ausschüttung auf Erwerbstätige mit beruflicher Vorsorge beschränkt: Sie kommt nur jenen zugute, die selbst etwas angespart haben. Drittens sei Weitermachen wie bisher keine Option: Jeder neue Rentner und damit jedes überhöhte Rentenversprechen bedeute weniger Mittel für die Jungen. Ohne Reform würden manche Pensionskassen mit der Zeit zu Sanierungsfällen und müssten über Beiträge vorab der Jungen gerettet werden. Zudem bestehe viertens die Hoffnung, dass sich die Finanz- märkte wieder erholen und die Renditen steigen.
Doch, theoretisch schon: eine rasche, massive Erhöhung des Rentenalters. Wer länger arbeitet, zahlt nicht nur länger in die Vorsorge-Kassen ein, er bezieht auch entsprechend weniger lang Rente. Laut Berechnungen des Arbeitgeberverbands entspricht das Aufschieben der Pensionierung um ein Jahr einem rund 0.25 Prozent höheren Umwandlungssatz. Möchte man dieselbe Wirkung erzielen wie durch eine Senkung des gesetzlichen Umwandlungssatzes von 6.8 auf 6.0 Prozent, so müsste man rund drei Jahre länger arbeiten, um auch in Zukunft eine gleich hohe Rente zu erhalten wie heute. (bzbasel.ch)
Das System ist mittlerweile überfrachtet. Es braucht neue Denkansätze