Bei der SP Aargau brodelt es hinter den Kulissen. Am kommenden Mittwoch treffen sich die Delegierten zum ausserordentlichen Parteitag. Dann müssen sie einen Kandidaten für die Ständeratswahlen im Herbst 2019 aufstellen. Pascale Bruderer tritt nach acht Jahren für die SP im Stöckli ab. Auch FDP-Ständerat Philipp Müller wird nicht mehr zur Wahl antreten. Somit sind es gleich beide Aargauer Sitze im Ständerat, die neu besetzt werden müssen.
Während ausser der FDP die SVP und CVP bereits entschieden haben, welche Kandidaten sie ins Rennen schicken wollen, sorgt die Nomination bei der SP im Vorfeld für rote Köpfe. Schon früh Interesse bekundet hat Nationalrätin Yvonne Feri. Anfang August meldete dann auch Nationalratskollege Cédric Wermuth Ständeratsambitionen an – und stellt damit die SP Aargau vor eine Zerreissprobe.
Viele Mitglieder bringt die Frauenfrage in einen Loyalitätskonflikt. Dass dieser von dem Mann ausgelöst wird, der sich sonst als Frauenförderer versteht, befeuert die Kontroverse umso mehr. Wermuth ist derjenige, der in der SRF-Politsendung «Arena» nicht mehr auftritt, solange nicht mindestens eine Frau am Podium steht. Er ist derjenige, der sich an vorderster Front gegen Angriffe auf Frauen, gegen das Patriarchat und gegen Sexismus wehrt. Und jetzt ist ausgerechnet er derjenige, der sich einer Kollegin in den Weg stellt.
Zumal es um die Frauenquote im Ständerat nicht gerade rosig steht. Derzeit sind lediglich sieben der insgesamt 46 Ständeräte Frauen. Neben Pascale Bruderer treten im Herbst 2019 auch Anita Fetz (SP, BS), Anne Seydoux (CVP, JU), und allenfalls auch Liliane Maury Pasquier (SP, GE) zurück. Damit wird das Frauenproblem in der kleinen Kammer umso drängender.
Müsste die SP angesichts dieser Tatsachen nicht als Vorbild vorangehen? Und müsste Wermuth seinen Worten nicht Taten folgen lassen? «Doch», findet Viviane Hösli, Co-Präsidentin der SP Frauen Aargau. «Als Feministin bin ich klar der Meinung, dass Männer jetzt zurückstehen müssen. Dass das schwierig ist, insbesondere wenn man als Mann Ambitionen hegt, verstehe ich.» Andererseits sei es natürlich das gute Recht von Wermuth, für die Wahl parteiintern anzutreten. «Ich hätte aber an seiner Stelle anders gehandelt», sagt Hösli.
Gegenüber der Aargauer Zeitung verteidigte sich Wermuth. Er vertrete eine junge Generation von Männern, die mehr Verantwortung für die Gleichstellung übernehmen müsse. Die SP Aargau habe in den letzten Jahren mehr Frauen nach Bern geschickt als Männer, im Ständerat habe mit Pascale Bruderer acht Jahre eine Frau für die SP gesessen. Da würde es jetzt auch wieder einmal einen Mann als Kandidaten vertragen.
«Ein schwaches Argument», findet Yvonne Feri. Sie fragt sich, ob man dieses auch bei einem Mann vorbringen würde. «Seit Einführung des Frauenstimmrechts 1971 stellte die SP insgesamt zehn Frauen im Ständerat.» Ausserdem habe die SP dieses Jahr zum «Frauenjahr» ausgerufen.
Ärgerlich findet es Feri, dass sie öfters kritisiert wurde, das Interesse an einer Kandidatur schon im Frühling bekundet zu haben. «Mir wurde vorgeworfen, ich presche vor. Und jetzt, wo ich eher zurückhaltend für meine Nomination werbe, wird mir gesagt, ich sei nicht offensiv genug.» Wermuth hingegen könne aktiver sein. Er fahre eine «Basiskampagne», als würde es sich um einen öffentlichen Wahlkampf handeln. «Ob ihn dafür auch jemand kritisch angeht?», bemerkt Feri.
Ein anderer Vorwurf, den sich Wermuth gefallen lassen muss, ist, dass hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird, er sei als Ständeratskandidat weniger wählbar als Feri. Sie sei breiter abgestützt, hole auch Stimmen in der Mitte, während Wermuth als rotes Tuch gelte und vor allem im linken Flügel der SP starken Support erhalte. Dies sei ein Risiko, den Ständeratssitz an die Bürgerlichen zu verlieren. Für Hösli ist ganz klar: «Eine Kandidatur von Wermuth bedeutet eine wahlstrategische Schwächung der SP gegenüber der CVP, die mit einer Frau antritt.»
Den Widerstand gegen seine Kandidatur tut Wermuth als Kampagne der «freisinnigen Monopolmedien im Aargau» ab. «Ich bin mir das inzwischen gewohnt. Das war vor der Nationalratswahl schon so, das war so, als ich für den Grossen Rat im Aargau kandidiert habe, das war so, als ich Co-Präsident der Partei im Aargau wurde.»
Der Unterschied zwischen Yvonne Feri und ihm liege im Inhalt und der Strategie seiner Politik. Er möchte konsequent auf Inhalt und Mobilisierung an der Basis setzen. Sie sei der «reformorientierten Plattform in der SP» beigetreten, wo SP-Forderungen wie eine Senkung der Arbeitszeit oder eine obligatorische 50/50-Verteilung der Elternzeit kritisiert würden. «Mein Verständnis von Feminismus unterscheidet sich von dem ihrigen», sagt Wermuth. Dazu gehöre eben auch eine Politik für mehr Rückverteilung und Wirtschaftsdemokratie.
Wermuth sieht seine Kandidatur nicht als eine Spaltung der Partei. «Das ist Demokratie», sagt er. Er habe Verständnis für diejenigen, die Feri wählen, weil ihnen die Frage des Geschlechts wichtig ist. Das sei die freie Entscheidung der Delegierten. «Jetzt wird uns ein Strick daraus gedreht, dass zwei Personen zur Auswahl stehen. Dabei sind wir die einzige Partei, die echte Basisdemokratie betreibt», sagt Wermuth.