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Asyl-Ersatzabgabe: SVP-Glarner droht Studentin Gündel mit Anzeige – per Einschreiben

Asyl-Ersatzabgabe: SVP-Glarner droht Studentin Gündel mit Anzeige – per Einschreiben

Johanna Gündel siegte bei der Abstimmung zur Asyl-Ersatzabgabe in Oberwil-Lieli. Nun fordert der Gemeinderat von Oberwil-Lieli sie auf, ihre Aussagen zu belegen, dass der Gemeinderat Reiche bevorzuge – und droht mit rechtlichen Schritten.
08.12.2015, 21:1509.12.2015, 08:18
Fabian Hägler / Aargauer Zeitung
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Vor zehn Tagen feierte Johanna Gündel ihren Erfolg: Auf ihren Antrag hin hatte die Gemeindeversammlung in Oberwil-Lieli beschlossen, 290'000 Franken für Ersatzzahlungen aus dem Budget zu streichen und stattdessen Unterkünfte für Asylbewerber bereitzustellen. Gündels Antrag wurde mit 176 zu 149 Stimmen angenommen – gegen den Willen von SVP-Nationalrat und Gemeindeammann Andreas Glarner.

Johanna Gündel erhält Post.
Johanna Gündel erhält Post.
Bild: Aargauer Zeitung

Nun gerät Gündel unter Druck: Per Einschreiben fordert der Gemeinderat von Oberwil-Lieli die 24-jährige Studentin auf, kritische Äusserungen gegen Glarner zu belegen oder zurückzuziehen. Konkret geht es um diese Passage in einem AZ-Artikel vom 30. November: «Die Besserverdienenden werden vom Gemeindeammann gehätschelt. Man liest ihnen die Wünsche von den Augen ab und nimmt es dann bei deren Erfüllung mit den Vorschriften nicht immer so genau.»

Der Gemeinderat hält in seinem Brief an Gündel fest, man habe diese Äusserungen «mit Befremden» zur Kenntnis genommen. Die Behörde fordert Gündel auf, «anhand von mindestens drei konkreten Beispielen aufzuzeigen, wo der Gemeinderat Reiche bevorzugt haben soll».

Der Brief trägt das Datum vom 7. Dezember, ist von Glarner unterzeichnet und enthält die Forderung an Gündel, innert Wochenfrist zu antworten. Sollte sie ihre kritischen Äusserungen nicht belegen können, verlangt der Gemeinderat von der Studentin, ihre Aussagen «unverzüglich öffentlich zu widerrufen».

Gündel sah Brief noch nicht

Glarner sagt auf Anfrage der AZ, der Gemeinderat pflege natürlich gute Kontakte zu wohlhabenden Einwohnern und bemühe sich auch, gute Steuerzahler nach Oberwil-Lieli zu holen. «Aber wenn Frau Gündel uns vorwirft, wir würden Reiche bevorzugen und dabei Vorschriften verletzen, geht das eindeutig zu weit.»

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Glarner will Beweise sehen.
Glarner will Beweise sehen.
Bild: KEYSTONE

Glarner kündigt rechtliche Schritte an, sollte die Studentin ihre Aussagen nicht mit konkreten Beispielen belegen können. «Dann müsste sie mit einer Anzeige rechnen, das lassen wir uns nicht bieten», sagt er.

Johanna Gündel erfährt erst durch die az vom eingeschriebenen Brief an sie. «Ich bin die Woche über wegen meines Studiums jeweils in Basel, habe das Schreiben des Gemeinderats noch nicht gesehen und möchte mich deshalb nicht dazu äussern», sagt sie. (aargauerzeitung.ch)

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Die Super-Schweizer
08.12.2015 23:31registriert Dezember 2014
Darf man den rechtesten Nationalrat eigentlich rechtsextrem nennen? Dann wäre nämlich Andreas Glarner rechtsextrem. Seine Äusserungen in der Presse und sein Wahlkampf sprechen eine klare Sprache. Dass der rechtsextreme Glarner (übrigens vorbestraft mit 20 Tagen Gefängnis...) jetzt die mutige Studentin vor den Kadi zerren will, das ist mehr als peinlich. Es zeigt einmal mehr, was die SVP von Volksentscheiden hält, welche ihr nicht passen.
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Tilman Fliegel
08.12.2015 22:37registriert Februar 2014
Aber wenn es darum geht, Flüchtlinge als Analphabeten zu verunglimpfen, ist der Herr nicht so zimperlich.
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HerrBircher
08.12.2015 22:43registriert Februar 2015
Oh der arme Herr Glarner, toll gibt es ein Rechtstaat der solche Probleme lösen kann. Als ob diese Richter nichts besseres zu tun haben. Vor allem wenn man mal anfangen würde die SVP-Worte auf die Goldwaage zu legen. Beweisen sie bitte an drei Beispielen, dass wir ein Asylchaos haben!
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