Dass der Kanton Aargau Möbel für Asylzentren aus Kroatien bezieht ist offensichtlich kein Einzelfall. Zuletzt wurden 50 Metallschränke im Wert von insgesamt 14'500 Franken für eine neue Flüchtlingsunterkunft in Wohlen geliefert.
Doch der Kanton hat über die Francopan GmbH in Luzern im vergangenen Jahr deutlich mehr Material eingekauft. «Die dort bezogenen Ausrüstungsgegenstände haben einen Umfang von rund 750'000 Franken», sagt Balz Bruder, der Sprecher des zuständigen Departements Gesundheit und Soziales, auf Anfrage.
Dies ist erstaunlich, denn ein Blick ins Handelsregister zeigt: Die Francopan GmbH wurde erst am 17. Juli 2015 gegründet und hat ein vergleichsweise bescheidenes Stammkapital von 20'000 Franken. Die Frage drängt sich auf: Wie kommt eine so kleine, neu gegründete Firma zu derart vielen Aufträgen des Kantons?
Die Antwort: persönliche Beziehungen – oder mit einem Wort: Vetternwirtschaft. Inhaberin der Francopan GmbH, die als Geschäftszweck «Warenimport und Verkauf von Waren aller Art» angibt, ist die Kroatin Sabina Brasnjic.
Für die Beschaffung von Möbeln für die Asylunterkünfte beim Kanton ist Ivica Grgic verantwortlich – auch er stammt aus Kroatien. Balz Bruder sagt auf Anfrage, zwischen der Inhaberin der Francopan GmbH und dem Leiter des kantonalen Fachbereichs Sicherheit und Logistik gebe es keine direkte verwandtschaftliche Beziehung. «Der Ehemann von Frau Brasnjic ist jedoch der Cousin von Herrn Grgic», sagt der Sprecher von Sozialdirektorin Susanne Hochuli.
Bruder bestätigt zudem, dass Grgic die Kompetenz hat, selber über den Einkauf von Mobiliar für Asylunterkünfte zu entscheiden. Die Geschäftsbeziehung mit der Francopan GmbH habe dieser «mit Wissen seiner direkten Vorgesetzten, aber ohne deren Kenntnis über die verwandtschaftliche Beziehung» hergestellt.
Bruder sagt weiter, die Ausrüstungsgegenstände für Asylunterkünfte würden von unterschiedlichen Firmen geliefert. «Das war vor der Geschäftsbeziehung mit der Francopan GmbH so und ist es immer noch.» Dennoch reagiert der Kanton nun: Ivica Grgic wird vorläufig von seinen Aufgaben als Fachbereichsleiter entbunden. «Er nimmt in nächster Zeit Aufgaben wahr, die mit dem Beschaffungswesen keine Berührungspunkte haben», sagt Bruder. Ausserdem hat der Kanton den Bezug von Möbeln bei der Francopan GmbH «mit sofortiger Wirkung sistiert».
Wie lange die beiden Massnahmen gelten, ist offen und hängt vom Ausgang einer Untersuchung der Finanzkontrolle ab. Das Sozialdepartement hat bei der Behörde eine Sonderprüfung des Asylbereichs beantragt. Dabei soll insbesondere die Beschaffung von Mobiliar für die Ausrüstung von Unterkünften untersucht werden.«Wir wollen Klarheit über die Vorgänge bei den externen Vergaben und die Frage, ob die gesetzlichen Vorgaben und internen Kontrollsysteme eingehalten wurden», führt Balz Bruder aus.
Nach heutigem Stand der Dinge gebe es Anhaltspunkte, welche die Durchführung einer solchen Sonderprüfung «sinnvoll und notwendig erscheinen lassen», sagt Bruder. Allerdings gebe es derzeit keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten von Ivica Grgic.
Doch seit wann weiss der Kanton, dass der Fachbereichsleiter der Frau seines Cousins die Aufträge zur Möbellieferung zuschanzte? Balz Bruder sagt dazu lediglich, das Departement Gesundheit und Soziales habe sich bereits vor den az-Recherchen «mit dem Antrag auf eine Sonderprüfung im konkreten Fall auseinandergesetzt». Er hält fest, Grgic habe die Geschäftsbeziehung mit der Francopan GmbH «aufgrund von Produktequalität, Preis und Liefertreue hergestellt» – im Klartext: Offenbar waren die bestellten Möbel gut, günstig und wurden jeweils termingerecht aus Kroatien geliefert. Bruder betont zudem, der kantonale Aufgabenbereich Asyl sei «bisher schon Gegenstand von Revisionen der Finanzkontrolle» gewesen. Hinweise auf Unregelmässigkeiten bei der Beschaffung habe es bis dato aber nicht gegeben.
Dennoch wird die Beschaffung von Mobiliar für die Ausrüstung von Unterkünften bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Sonderprüfung von der Abteilung Militär und Bevölkerungsschutz übernommen.
Darüber hinaus wird die bisher zuständige Sektion Asyl «mit sofortiger Wirkung und bis auf weiteres dem Generalsekretär des Departements Gesundheit und Soziales unterstellt», wie Bruder erklärt.
Unabhängig vom aktuellen Vetternwirtschafts-Fall beschäftige sich das Sozialdepartement «mit Fragen der künftigen Beschaffung von Mobiliar für die Ausrüstung von Asylunterkünften». Dies im Zusammenhang mit dem Konzept für kantonale Grosszentren, die in den nächsten Jahren nach und nach die heutigen kleinen Asylheime in den Gemeinden ersetzen sollen. Bruder weist auf die hohe Zahl an Asylgesuchen und die vielen Flüchtlinge hin, welche der Bund dem Aargau zuweist. Daraus ergebe sich ein hoher Handlungsdruck für den Kanton, «sowohl in Bezug auf die Suche nach temporären und festen Standorten für Asylunterkünfte als auch in Bezug auf deren Ausrüstung».
Sonnst kann nicht neutral entschieden werden!
Müssen das unbedingt neue Möbel sein?
Was wird mit diesen Möbel wenn die Asylanten wieder in ihre Heimat zurückkehren?