Spätestens, wenn ich im Flugzeug in den Himmel steche und die Welt unter mir kleiner wird, fühle ich mich daran erinnert, wie unwichtig ich bin. Aber noch unwichtiger ist mein Besitz. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich nur zwei Taschen hatte und durch die Welt reiste. Irgendwann wünschte ich mir ein Zuhause, ich wurde sesshaft.
Doch auch da fühlte ich mich nicht zuhause und zog immer wieder weiter. Nicht mehr mit zwei Taschen, sondern mit einem gefüllten Transporter: voller Möbel, Klamotten und jeder Menge Kram. Und während ich lebte und mich auslebte, füllte sich mein Kopf. Bis es weh tat, weil kein Platz mehr war für Neues. Es machte ein Weiterkommen anstrengend. Innerlich fett war ich des Lebens schon satt. Ich bewegte mich wie ein alter Elefant, riesig und träge.
Ich hätte das ganze Material abwerfen können, wäre da das Elementare gewesen, das Wichtigste: ein Traum, der mich antrieb. Entweder waren meine Träume verblasst oder ich glaubte, sie bereits gelebt zu haben. Ich erinnerte mich an meine Kindheit und meine Jugend, mit Eltern, die dachten, dass das Leben ausserhalb ihrer Kontrolle zu gefährlich sei. Ich sass auf dem Bett, schaukelte hin und her, und der Plattenspieler spielte den Soundtrack einer mir noch fernen Welt. Ich lebte in der Vorstellungskraft, wo alles möglich war und es keine Grenzen gab.
Irgendwann flog ich mit einem Sparschwein voller Geld zum ersten Mal nach L.A., die Stadt, in der Träume wahr werden sollen. Ich wohnte in einem Hotel in einem der gefährlichsten Bezirke. Angst kannte ich nicht, meine Träume waren aktiv von mir gesteuert und kontrolliert, ich war nichts und niemandem ausgeliefert.
Ich weiss nicht, welche Sonne heller schien: die über Kalifornien oder die meiner Visionen, die mir die nächsten Jahre den Weg leuchtete, den ich naiv und kraftvoll mit den zwei Taschen ging und der irgendwann endete, als meine Träume Realität geworden waren und mich Leere überkam.
Real war nichts so schön wie geträumt. Kein Scheinwerferlicht, kein Kuss, keine Bestätigung. Ich habe gemerkt, dass ich klein werde, wenn ich abhebe. Wie alles kleiner wird, wenn wir aufwachen und die Welt ausserhalb der Daunendecke kalt erscheint. Dann sehe ich mein Zimmer, meine Wohnung, mein Leben: gemacht, ausgeträumt.
Klüger bin ich geworden, erfahren, angekommen, da, wo ich vielleicht hinwollte, aber nicht mehr hinwill. Auf dem Bett sitzend mit vollem Kopf und die junge Version von mir vermissend, die noch die Welt erobern wollte: Eine spannende Welt, eine Welt, die es voller Tatendrang frisch zu entdecken und zu erkunden galt. Ich bin zu erwachsen geworden, mit einem allzu grossen Transporter voller Erfahrungen unterwegs. Wohin? Am liebsten zurück: Als naiver Träumer in die Zukunft reisend, mit der Idee, dass sie mir gehört, die Welt.
Jetzt bin ich nur noch ein verschwindend kleiner Teil von ihr: Bin gelandet in der nüchternen Realität, meine spannende Vergangenheit nachschleifend. Früher war mir die Welt nicht gross genug für meine Träume, jetzt ist mein Körper zu klein für auch nur einen von ihnen.