Kurt ist 82, «Castingshow-Junkie» und mehrfach gesichtsoptimiert. Er hat «im Gsicht e chli umegfummlet». Wieso, erklärte er der Nation, als er mit 75 bei «Die grössten Schweizer Talente» mitmachte. Kurt hat nämlich schon immer das Rampenlicht gesucht. Als Alleinunterhalter rockte er San Francisco und Las Vegas, aber «am meischte Tschöbbs hani in Las Vegas gha, i de Casinos, will, do isch immer öbbis los». Kurt hatte den «Plausch». Und weil er den a) noch lange haben und b) seiner 25 Jahre jüngeren Brigitte gefallen will, hat er eben umegfummlet.
Heute ist Kurt Kandidat in «Get the f*ck out of my House». Was das ist? Ein Reality-Format auf ProSieben mit Menschen, von denen die meisten passionierte Im-Gesicht-Herumfummler wie Kurt sind.
(Na? Böse Kommentare anyone? 3, 2, 1 ...). Ähnlich schräg ist die Inneneinrichtung. Rosa Teppiche? Bunte Vasen in Glasvitrinen? Sollen die alle bei Kämpfen zwischen latent aggressiven Herren, von denen einige hässigen Fröschen gleichen, zu Bruch gehen? Soll Blut fliessen und auf die hübschen Pastellteppiche spritzen?
Am Anfang sind es 100 Menschen. Also Kurt plus 99. Sie sind fest entschlossen, vier Wochen lang auf 116 Quadratmetern auszuharren. Denn nur einer kann die 100'000 Euro gewinnen, die fies in einem Glaskasten neben der Haustür an der Wand verstaut sind. Zuerst steht ihnen nur 1 Bad mit 1 WC zur Verfügung, durch ein Wunder materialisiert sich dann noch ein zweites Bad. Geil.
Betten gibts kaum. Kurt kriegt eins, weil blutjunge Influencer-Boys Mitleid mit ihm haben. Viele schlafen auf Teppichen oder Möbelflächen. Einer unter einem Tisch, wo er seinen Schlafplatz «mit niemandem teilen» muss. Unvorstellbar, der Gestank, der sich da breitmachen muss. Eine Hannelore, die findet, schlafen könne man, wenn man tot sei, sieht aus, wie wir uns eine deutsche Hannlore in ihrer Lage vorstellen.
Es ist ein Gehen und Gehen. Menschen gehen freiwillig, etwa «zurück in ihr Leben als alleinerziehende Mutter», wie ProSieben bedauernd kommentiert. Ein Sebastian geht unfreiwillig, weil er zusammenbricht, und vom Notfallteam über die «rote Linie», eine Art Todesstreifen der Kandidatenexistenz, getragen wird. Viele gehen, weil Norbert, der erste Hausboss, das so entscheidet.
Trotzdem flennt Norbert: «Ich bin ja kein Fels. Ich wünsch mir, dass wir das auf unsere Art verarbeiten.» Psychojargon überall. Immer weint wer. Und auch Trump ist präsent – «Ich bin nicht Donald Trump, ich labere keinen Scheiss!» (Jamie, 27) – man ist hier echt auf dem Hochsitz aktueller Diskurse. Norbert ist mit 56 schon Rentner. Wieso wird man so früh Rentner? Welchen Schicksalsschlag musste Norbert einstecken?
Und was arbeiten oder sind eigentlich all die Kandidatinnen und Kandidaten? «Fitnessmodel», «wohnt noch bei seinen Eltern», «ehemalige Miss Saarbrücken», «hatte noch nie eine Freundin», «hat 17'000 Follower bei Instagram», «eine der ältesten Frauen im Haus», «hat Angst vor langen Schlangen», «arbeitet sonst als Kite-Lehrer in Südafrika», sagt das Fernsehen. Wenn das nicht zur TV-Personality qualifiziert!
Also zum Beispiel mit Bällen Körbe treffen, um Essensgeld zu erspielen. Noch nie wurde den gewöhnlichsten Lebensmitteln so grosse Begeisterung zu Teil: «Boah! Geschmacksorgasmus!» (Kai); «Meine Geschmacksnerven sind neu erfunden!» (Hannelore); «Dieser Apfel ist einfach ein Heiligtum!» (irgendwer).
Das Ganze ist so aufregend, dass ein Alexander zum Maximalvergleich in Sachen TV-Hammerspannung greift: «Ich will unbedingt hier drin bleiben. Ich fühle mich wie bei ‹Germany's Next Topmodel›!» Echt? So verrückt ist also die neue Donnerstagabend-Show? Ähm, nein ist sie nicht. So sehr nicht, dass man auch den «Kassensturz», der ja durchaus auch seine crazy moments hat, mit «Game of Thrones» vergleichen könnte.
In Folge zwei, so wird suggeriert, soll's dann zur Sache gehen. Also mehr so mit Körperkontakt. Paare finden sich liebevoll, andere fühlen sich eher bei Zweikämpfen toll. Und Socken werden geklaut. Und Wattestäbchen. Und Kurt wird da sein. Das wird so, so geil. Wahrscheinlich ein Spannungsorgasmus.
«Get the f*ck out of my House», ProSieben, donnerstags, 20.15 Uhr.