Wer mag sich erinnern an diese eine Szene im 2002er Bondfilm «Die Another Day»? Bondgirl Jinx, gespielt von Halle Berry, kommt im Eispalast von Oberschurke Gustav Graves an. Und ja, gewiss, alle Augen sind auf Halle Berry in ihrem – hmm – ‹interessanten› schwarzen Lederensemble.
Doch was ist das eigentlich für ein Auto, in dem sie ankommt? Irgendwie retro, aber doch modern?
Die Antwort lautet «Ford Thunderbird» (siehe unten). Und wie es sich für Bondfilme gehört, war sowas, damals im 2002, voll im Trend. Im Retro-Trend, versteht sich.
Nun, das mit dem altmodischen Styling für aktuelle Autos fing bereits früher an. Bereits in den Siebzigerjahren gab es Kleinmanufakturen wie Panther oder Excalibur, die Neuinterpretationen exotischer Sportwagen aus den 1930ern anboten. Und gewisse Automarken, wie etwa Morgan oder Caterham, änderten ihr Karosseriedesign über die Jahrzehnte ohnehin kaum.
Doch darum geht es hier nicht. Hier reden wir von einem Trend, der sich Ende der Neunziger aufzeigte und sich hartnäckig während den Nuller-Jahren hielt: Grosshersteller – Nissan, VW, Fiat und Konsorten –, die im grossen Stil auf Retro-Design setzten. Und damit auch Erfolg hatten. In dem man der Autoklientel etwas vorsetzte, das sie an ihre Jugend erinnerte, erzeugte man etwas Wohlgefühl in einer Dekade, die von Krieg, Terrorismus und Unsicherheit geprägt war. Retro-Future nannte man diese Design-Ästhetik gerne mal. Sie passte wunderbar in das Zeitalter der Postmoderne.
Nun aber, rund 20 Jahre nach der Lancierung des New Beetle und des Mini One, sieht man sich in der kuriosen Situation wieder, dass auf alt gemachte Designs inzwischen selbst wieder alt sind. Und die Frage stellt sich: Wie gut ist Retro gealtert?
Die Antwort darauf lautet selbstverständlich: von Fall zu Fall unterschiedlich. Genau wie die ursprüngliche Umsetzung des Retro-Prinzips von Fall zu Fall mehr oder weniger gelungen war. Lassen wir die bekanntesten Exponenten Revue passieren!
Mitte der Achtzigerjahre war Japans Automobilindustrie wortwörtlich am Brummen. Aber einer der grössten Hersteller, Nissan, fiel etwas ab. Nissan stellte biedere Klein- und Mittelklasseautos wie den Cherry oder Bluebird her. Ein junges Kreativteam um den Designer Naoki Sakai hatte aber andere, radikale Ideen. Mit einer Designsprache, die der Modewelt entlehnt wurde, stellten sie in kurzer Folge vier Kleinwagen her, die in Nissans Fabrik für Spezialprojekte, genannt Pike, gebaut wurden. Alle vier Modelle wurden bewusst in limitierten Stückzahlen hergestellt. Ein Werbe-Claim lautete, «Nissan Be-1: Ausverkauft. Herzlichen Dank!» Der Nissan Pao wurde als «zwischen Paris und Dakar angesiedelt» beschrieben, da er Designzitate vom Willy's Jeep mit solchen vom Citroën 2CV verband. Der Kleinst-Lieferwagen S-Cargo glich einer Weinbergschnecke und setzte auf Wortspiel («escargot» haha), da er einer Weinbergschnecke glich. Und dann war ja noch das hier:
Anders als viele der unten aufgelisteten Autos war der Figaro nicht an einem konkreten historischen Vorbild angelehnt, sondern war ein komplett neues Design. Ein reuelos japanischer Kleinstwagen – sparsam, zuverlässig, stylish und perfekt für den Nahverkehr ist.
Nun, was meint ihr? Gut gealtert?
Als hätte man den VW Käfer mit einem Alessi-Küchenutensil gekreuzt ... der New Beetle versinnbildlicht alles, was an Retro-Design falsch laufen kann. Eine Rundumerneuerung im Jahr 2012 bereinigte dann viele der Hässlichkeiten und so darf der Käfer-Relaunch doch noch auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken.
Vorbild hier waren klassische Hotrods: Autos aus den Dreissigerjahren, die in den Fünfzigerjahren aufgemotzt wurden. Sehr meta-retro, das Ganze, also.
Vorbild hier war der klassische Jaguar Mark 2 aus den frühen Sechzigerjahren. Der S-Type kam bei der Käuferschaft gut an.
Obwohl er von Anfang an mehr maxi als mini dimensioniert war, nahm der New Mini etliche Stilmittel von seinem ikonischen Namensgeber und setzte zu einer Erfolgsgeschichte an, die bis heute anhält.
Da das historische Vorbild, der BMW 507 aus den Fünfzigerjahren, bei der breiteren Kundschaft zu wenig bekannt war, wurde der Z8 oftmals gar nicht als Retro-Design wahrgenommen. Dabei sind die Ähnlichkeiten frappant.
Für die einen war er von Anfang an ein Kultauto. Für die anderen in derselben Hässlichkeits-Kategorie wie der Fiat Multipla. Jedenfalls bewies der PT Cruiser, dass die Anwendbarkeit eines modernen Kompaktwagens mit dem Styling von US-Autos der späten Vierzigerjahre vereinbar war.
Hier diente das schicke Sportcoupé gleichen Namens aus den Fünfzigerjahren als Vorbild, Bullaugen-Fenster inklusive. Das Pendant aus den Nuller-Jahren war ... ebenfalls ein schickes Sportcoupé. Und stellte gleichzeitig das Ende der über ein halbes Jahrhundert dauernde Geschichte der Thunderbird-Modellreihe dar.
Ein Auto mit einer Identitätskrise. Bin ich ein Pickup? Bin ich ein Muscle Car? Bin ich ein Cabrio? Vorbild waren wohl Chevy-Pickups der Vierziger- und Fünfzigerjahre, doch dieses Ding bekam einen 300-PS-Motor. SSR stand für «Super Sport Roadster». Und der technische Beschrieb lautete «retractable hardtop convertible pickup truck». Ob das Konzept gelungen ist oder nicht – eigentlich ist es cool, dass GM einen solchen Spass überhaupt zuliess.
Man nehme das Ken-Miles-Le-Mans-Auto von 1966 und skaliere es etwas nach oben (denn der Original Ford-GT40 war ein ziemlich kleines Ding – lediglich 40 inches hoch (deshalb der Modellname)). Das Resultat war ein Supercar, den alle haben wollten. Glücklich, wer sich so eins reinziehen konnte, denn der Wert ist 15 Jahre später ums Fünffache gestiegen.
Das Auto, bei dem man stets innehalten musste und sich fragte, «Hä? Ist das nicht ...? Oder doch? Aha, doch nicht.» Kein starkes Design-Satement, also. Aber als Kleinwagen nicht unsympathisch.
Indem man ein Design verwendete, das dem Chevy Suburban aus dem Jahr 1949 nachempfunden ist, machte man aus dem langweiligen Opel Zafira ein Spassmobil. Aber eins, das nichtsdestotrotz alltagstauglich war. Verkauft wurden mehr als 500'000 Stück – viel für ein Auto, das nie als Erfolg galt.
Das Auto, das die Modellreihe rettete. Nach Generationen fader, schwabbeliger Fords, die ausser der Bezeichnung «Mustang» nichts mit den ikonischen Autos der Sechziger gemein hatten, nahm man genau jene erste Generation zum Stilvorbild – Steve McQueen inklusive – und die Renaissance war vollbracht. Eine Success-Story sondergleichen.
Was VW mit dem New Beetle alles falsch machte, machte Fiat mit dem 500 richtig. Ja, beide Modelle hatten ausser Stilanleihen nichts mit ihren historischen Namensgeber gemein (beide hatten etwa keinen Heck-, sondern einen Frontmotor), bloss scheinen die Italiener das mit dem Design offenbar besser zu beherrschen. Während der New Beetle in jeglicher Hinsicht nach 1997 aussieht, ist der 500 «retro» im Sinne von «zeitlos».
Wieder ein Retro-Design, das sich als zeitlos entpuppte und sich deshalb bis heute gut gehalten hat. Hier wurde der Originalentwurf des 1970er-Challengers weniger «verändert» als «vollendet».
So. Und nun bleibt die Frage:
Die Automobilindustrie befindet sich im Umbruch. Neue Antriebssysteme, neue Sharing-Modelle, neue Mobilitätskonzepte – dies sind alles zukunftsgerichtete Konzepte. Ist der Blick zurück damit fehl am Platz? Offenbar nicht ganz:
Renault, etwa, hat den Alpine-Brand aus dem Keller hervorgeholt – mit einem Design, das ganz klar an den Sportwagen desselben Namens der Sechziger angelehnt ist. Ford macht dasselbe mit dem Offroader Bronco.
In England hat man den Markennamen Morris wieder aufleben lassen und lanciert damit eine Reihe Elektrofahrzeuge.
Und aus Estland (ja, Estland) kommt die Zukunft der Elektromobilität in Form des Kleinwagens Nobe GT100: