Am Samstag verwandelt sich Zürich wiedermal in einen menschlichen Zoo. Zum 26. Mal wird die Street Parade entlang des Zürcher Seebeckens ausgetragen. Bei der inzwischen zur grössten Technoparty der Welt gewordenen Veranstaltung wird schon seit ihrer Erstaustragung nicht nur bloss der basslastigen Musik, sondern auch den synthetischen Muntermachern gefrönt.
Pillen, so bunt und schrill wie die Outfits der Partygänger, verwandeln grosse Teile des Publikums in übereuphorische Spasszombies. Aber aufgepasst! Nicht alles, was bunt ist, bereichert das Gemüt. Laut Christian Kobel, Leiter der Zürcher Jugendberatung «Streetwork» seien im Moment gefährliche Berauschungstrends en Vogue. Dazu gehören nebst verunreinigtem Kokain, auch sehr hoch dosierte Ecstasy-Pillen, die teilweise mehr als 200 Milligramm MDMA enthalten. Dabei können bereits 120 Milligramm schon zu viel für den menschlichen Körper sein.
Vom risikohaften Inhalt einer Pille lenken das Verlangen nach dem Konsum, gepaart mit dem ansprechenden Äusseren der Tablette meistens erfolgreich ab. Denn Ecstasy, Speed und MDMA langweilen dieser Tage nicht in witzlosem Aspirin-Design, sondern erinnern mit trashigem Popkult-Sujets an harmlose Traubenzucker-Zältli.
Diese sechs Pillen-Arten vertuschen mit ihrem spassigen Design ihre gefährliche Wirkung und sind momentan auch in der Schweiz, und somit vermutlich auch kommenden Samstag, im Umlauf.
Was heutzutage als Code für gemütliches TV-Glotzen mit optionalem Liebemachen gilt, führt in Pillenform eher zu Kieferkrämpfen, Augen- und Nervenzucken, bis hin zu Krampfanfällen.
Im April dieses Jahres nahm sich die Zürcher «Drug-Checking»-Stelle die rot-violette Pille zum ersten Mal unter die Lupe und stellte fest, dass sie 157,4 Milligramm MDMA enthält. Einen Monat später gesellte sich zusätzlich eine weitere, gelbliche Variante im selben Design ins Register der Drogenaufklärer. Diese trägt gar 222,1 Milligramm der muntermachenden Chemikalien in sich.
Auch die Logos berühmter Automarken werden von den Drogenköchen zweckentfremdet. Diesen Sommer wurden bereits rote «Mitsubishi»-Pillen in Zürich vertickt. Ihr 123,7-Milligramm-MDMA-Gehalt kann bei Überdosen zu Halluzinationen führen. Am Folgetag nach der Einnahme müssen bei diesen Flitzer-Pillen mit Schlafstörungen, Konzentrationsschwächen und Appetitlosigkeit gerechnet werden.
Bereits im letzen Sommer fielen Ecstasy-Gemische, die in die Form der Luxusschlitten-Logos gestampft wurden, auf. Im nachgeahmten orangen «T» der sportlichen Elektroflitzer aus dem Hause Tesla wies man im September letzten Jahres 245,6 Milligramm MDMA nach. Eine himmelblaue Version des Bentley-Bs schaffte es im selben Monat auf 180,6 Milligramm.
Angedockt an die Freude bringenden Konsumgüter, die hinter Marken wie Coca-Cola, Apple, Nespresso und Co. stecken, dienen deren Warenzeichen auch als Gussform für «Happypillen». Ob die magentafarbene The North Face-Pille mit ihren 152 Milligramm MDMA das selbe nachhaltige Outdoor-Erlebnis wie die Sportausrüstung bieten kann, ist schwer zu bezweifeln. Auch die stark überdosierte Coca-Cola-Pille (223,1 Milligramm) wird dem zweckentfremdeten Markennamen alles andere als gerecht. Denn während eines starken MDMA-Trips steigt die Körpertemperatur teilweise massivst an. Dehydrierung und Hitzschläge sind, statt süsser Erfrischung, die Folge einer Konsumation.
Bei den Mobilfunkanbietern bringt «Vodafone» am meisten Stoff auf die Waage. Bei einem Drogencheck im Februar 2017 in Zürich wurden in der olivgrünen Pille 218 Milligramm MDMA nachgewiesen. Bei der etwas rudimentäreren SIM-Karten-Pille, auf der in rostroter Farbe «PIN» drauf steht, wurde im letzten Mai in Bern 191,5 Milligramm desselben Stoffes festgestellt.
Soziale-Medien als Drogen zu verkaufen, ist wohl der am wenigsten weit hergeholte Vergleich in dieser Zusammenstellung. Die Instagram-Pille tauchte letzten Sommer in Zürich auf. Mit ihrer Überdosis von 221,6 Milligramm MDMA kann sie schon mal zu heftigen Halluzinationen führen. Eine Anspielung auf die inszenierten Selfies und Foodporns auf der beliebten Fotoplattform?
Facebook wirkt dagegen wie Nasenwasser– im Drogenkontext, versteht sich. Den 100,6 Milligramm MDMA wurden in der hellblauen Tablette zusätzlich eine grosse Menge Koffein zugegeben. Die Kombination dieser beiden Substanzen verstärke den stimulierenden Effekt und die Wirkung soll somit eine nervöse Komponente erhalten. Auch hier sehen wir gewisse Parallelen zwischen dem namensgebenden Netzwerk und der Droge. 🤔
Besonders befremdend sind die Pillen, welche sich mit politischen Ideologien vermarkten. Da wäre zum einen die SS-Rune welche in den letzten Tagen sowohl in Genf, wie auch in Zürich in den Farben grün und lila getestet wurde. Sie enthält bis zu 220,1 Milligramm der betörenden Chemikalien. Das «All Cops are Bastards»-Psychozältli trägt zwar 20mg weniger MDMA in sich, wird in dieser Dosis aber auch mehr Probleme als Liebe verstreuen. Was Schade ist; denn eigentlich sind ja sowohl Street Parade, wie auch Ecstasy-Pillen dafür bekannt, der Liebe zu frönen.
Die Street Parade ist schliesslich aber doch anständiger als der Ruf, der ihr nachhängt. «Nur der kleinste Teil konsumiert illegale Drogen», sagt Kobel gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Er schätzt die Anzahl auf etwa fünf Prozent: «Die grössten Probleme haben wir an der Street Parade wegen des Alkohols.»
Da aber jeweils Hunderttausende Menschen am Event teilnehmen, steigt der Drogenkonsum an einem solchen Wochenende anzahlmässig dennoch deutlich an. Bei einer Teilnehmerzahl von einer Million (wie im Jahr 2015) entsprechen fünf Prozent 50'000 Personen, die illegale Substanzen konsumieren.
Zudem sei die Street Parade ein Anlass, an dem viele zum ersten Mal Drogen probieren wollen, erklärt Kobel. Der Anlass sei dabei denkbar schlecht gewählt. Denn wenn jemand einen schlechten Trip erlebe, sei dies wegen der Menschenmenge und der August-Hitze oft besonders problematisch.
Die Jugendberater von Streetwork raten in jeder Situation zwar davon ab, synthetische Drogen zu konsumieren, sind sich jedoch bewusst, dass dieser lieb gemeinte Tipp längst nicht in allen Ohren auf Zustimmung trifft. «In diesem Fall helfen wir, die Risiken zu minimieren», erklärt Kobel die Arbeit seines Teams. Deshalb bieten sie auch dieses Jahr während der Parade ein kostenloses und anonymes «Drug-Checking» an. Zudem legt man allen Konsumentinnen und Konsumenten nahe die Safer-Use Regeln (siehe Infobox, oben) zu befolgen.
(Mit Material der Nachrichtenagentur SDA)