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«Symbol der Schande» – Kritik am Echo wird immer schärfer

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Farid Bang und Kollegah bei der Echo-Verleihung: Die Rapper sind in Deutschland das Thema der Stunde.Bild: EPA/EPA

«Symbol der Schande» – Kritik am Echo wird immer schärfer

17.04.2018, 10:5317.04.2018, 11:04
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Die Trophäe des Echo hat bei so manchem Künstler massiv an Wert verloren. Nach der Debatte um antisemitische Texte der Preisträger Farid Bang und Kollegah ist die Musikauszeichnung hoch umstritten.

Bislang war der Echo eine renommierte Auszeichnung in der Musikbranche, doch nach der Würdigung für die umstrittenen Rapper Kollegah und Farid Bang nehmen Preisträger Abstand.

Klaus Voormann, Freund und Wegbegleiter der Beatles, gab am Montag den Echo für sein Lebenswerk zurück. «Was sich für mich als Geschenk anlässlich meines 80. Geburtstags anfühlte, entpuppt sich nun als grosse Enttäuschung», teilte der Musiker und Grafiker am Montag in München mit.

epa06665291 German musician Klaus Voormann poses with his Echo trophy at the 27th Echo 2018 music awards in Berlin, Germany, 12 April 2018. The awards are presented for outstanding achievement in the  ...
Gab seinen Echo wieder zurück: Klaus Voormann.Bild: EPA/EPA

Am letzten Sonntag hat bereits die Schweizer Sängerin und Songwriterin Sophie Hunger in den Sozialen Medien kritisiert, der Entscheid des Beirats sei «katastrophal».

Mit einem Preis gebe man zum Ausdruck: «Das ist richtig, das ist gut, das ist das Beste», schrieb sie in einem offenen Brief an die Ethikkommission, die beschlossen hatte, die beiden Rapper trotz offenkundig antisemitischer Texte zur Echo-Verleihung zuzulassen. Zudem berichteten die «Schaffhauser Nachrichten», dass ein Konzert der beiden Rapper in Schaffhausen zur Debatte gestellt würde.

Das Notos Quartett aus Berlin hatte ebenfalls erklärt, seinen Echo Klassik vom vergangenen Herbst zurückgeben zu wollen. Er sei für sie nun ein «Symbol der Schande». Der Sänger Peter Maffay forderte die Verantwortlichen zum Rücktritt auf.

Veranstalter bedauern

Auch andere Musiker und Kulturschaffende machten ihrem Unmut Luft, was den deutschen Verband Musikindustrie dazu veranlasste, das Konzept des Preises zu überarbeiten.

Auf der Facebook-Seite des Preises hiess es von den Veranstaltern am Montagabend: «Wenn im Zuge der aktuellen Diskussion Künstler entscheiden, ihren Echo zurückzugeben, bedauern wir das zutiefst, müssen diese Entscheidung aber natürlich respektieren. Wir hoffen, dass die Künstler trotzdem die Debatte mit uns weiter führen, in der es um mehr als um diesen Musikpreis geht.»

Grund für den Proteststurm ist das Album «Jung, Brutal, Gutaussehend 3», für das die beiden Rapper am Donnerstagabend mit einem Echo gewürdigt worden waren. Es wird als antisemitisch kritisiert – wegen Textzeilen wie «Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen» und «Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow». Der Echo orientiert sich unter anderem an den Verkaufszahlen.

«Was muss passieren, dass ein Echo-Ethikrat Konsequenzen ergreift und eine Nominierung trotz Megaumsätzen eines Albums aus ethischen Gründen ablehnt?», fragte Voormann deshalb. «Provokation ist erlaubt und manchmal sogar notwendig, um Denkanstösse zu geben», so der Bassist. Aber die Grenze zu menschenverachtenden, frauenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Äusserungen und Taten dürfe nicht überschritten werden.

Voormann wird am 29. April 80 Jahre alt wird und hat unter anderem das Cover des berühmten «Revolver»-Albums der Beatles gestaltet.

Auch Rocksänger Wolfgang Niedecken, der Voormann den Echo überreicht hatte, richtet scharfe Vorwürfe an die Echo-Veranstalter. Man habe ihn und Voormann bei der Verleihung der Musikpreise «ganz einfach ins Messer laufen lassen», schrieb der BAP-Musiker auf Facebook.

Ruf nach Verantwortungsbewusstsein

Niedecken erklärte, er habe die Texte der Rapper nicht gekannt. «Beim vorletzten Show-Act wurden wir dann mit der menschenverachtenden Brutalität der beiden Schein-Musikanten konfrontiert, allerdings ohne irgendetwas von deren Gebrabbel zu verstehen. Textverständlichkeit: Fehlanzeige. Und dann standen auch schon unsere beiden Gitarren auf der Bühne und ich musste blitzartig entscheiden, wie ich mich adäquat verhalten sollte.»

Rockmusiker Peter Maffay sah einen Mangel an Sensibilität, der nicht erträglich sei. «Man hätte sich bewusst sein müssen, dass es zu einer solchen Eskalation kommen würde», sagte er im Interview mit der Nachrichtenagentur DPA.

epa04561848 German musician Peter Maffay performs on stage during his 'Wenn das so ist' (If that is so) tour, at the O2 World in Hamburg, Germany, 15 January 2015. EPA/JOERN POLLEX
Peter Maffay: «Man hätte sich bewusst sein müssen, dass es zu einer solchen Eskalation kommen würde.»Bild: EPA/DPA

«Deswegen gehören in diese verantwortlichen Positionen Leute, die sich dieser Verantwortung bewusst sind und sie nicht an einen sogenannten Ethikrat weiterdelegieren, der auf Tauchstation geht.» Es müsse ein ethisches Grundverständnis geben, das bindend für alle ist. «Wer sich nicht daran hält, kann nicht erwarten, beim Echo berücksichtigt zu werden.»

Preisverleihung am Holocaust-Gedenktag

Ein anderes Regelwerk und mehr Transparenz ist nach Ansicht Maffays notwendig. «Wenn das nicht geschieht, dann hat der Echo keine Daseinsberechtigung mehr», sagte er. Auf Facebook schrieb er überdies, gerade angesichts der deutschen Vergangenheit sei dieser Preis eine «Ohrfeige».

Bei der Preisverleihung am Donnerstagabend – dem Holocaust-Gedenktag in Israel – hatte unter anderem Campino, der Sänger der Toten Hosen, auf der Bühne Stellung bezogen.

Echo-Verleihung: Campino kritisert Farid Bang und Kollegah.Video: YouTube/Mussi

«Wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen geht» sei für ihn die Grenze überschritten. Trotzdem wurden die Rapper später ausgezeichnet. Unter lauten Buh-Rufen und Pfiffen zeigte Kollegah eine Karikatur Campinos, mit Heiligenschein. (cma/sda/dpa)

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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ravel
17.04.2018 11:49registriert Juni 2015
Logische Entwicklung einer Musikrichtung, die sich in den letzten 10 Jahren in eine Richtung entwickelt hat, die bedauerlich ist. Hip-Hop/Rap war zu seinen besten Zeiten klug und legte den Finger auf den wunden Punkt (siehe z.B. Public Enemy), inzwischen geht es aber zu oft um ein gockelhaftes Anpreisen fragwürdiger Werte (Wer Geld hat, ist erfolgreich; Geil ist, wer Geld hat; Konflikte mit Gewalt lösen ist männlich; krass ist, wer sagt, dass er krass ist).
Schade ist, dass es ja durchaus anders geht (Kendrick Lamar, Curse, Zugezogen Maskulin, K.I.Z.). Warum dann diese Affen geehrt werden, kA.
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raues Endoplasmatisches Retikulum
17.04.2018 11:30registriert Juli 2017
Ich möchte hier einmal Kollegah und Farid Bang zu dieser erfolgreichen Vermarktung gratulieren. Was schärft das Profil als "Gangster-Rapper" besser und Nachhaltiger als von der gesamten C-Prominenz plus dem Feuilleton "niedergeschrieben" zu werden?
Diese Leistung ist deswegen auch bemerkenswert, weil sie selber wenig mehr tun mussten, als einen Preis für ihr nicht-indizierten Album entgegen zu nehmen und dabei lässig und entspannt alles an sich abprallen zu lassen. Grosses Kino, auch nachdem doch bei Charlie Hebdo und Böhmmerman noch alle für die absolute Kunstfreiheit waren...
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Scrat
17.04.2018 12:54registriert Januar 2016
Dass zwei vollpubertäre Pseudo-Gangstas überhaupt auf die Idee kommen, solch völlig pietätlosen Texte zu veröffentlichen, ist zweifelsfrei äusserst Geschmacklos. Viel bedenklicher finde ich aber, dass es da draussen offenbar massenhaft Beschränkte gibt, die solchen Schund auch noch kaufen und geil finden.
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