Kollege Scherrer sorgt sich. Um seine Mitmänner. «Jedes Mal, wenn ich was zu (Superhelden-)Filmen mit weiblichen Stars schreibe, kommt garantiert so ein dummer ‹Scheissfeminismus›-Kommentar», schreibt er. Konkreter Anlass: «Captain Marvel» mit Brie Larson in der Hauptrolle. Die sich auch noch gewünscht hatte, bei der Promotour ihres Films nicht nur von weissen Männern interviewt zu werden.
Man könnte auch «Wonder Woman», «Lara Croft», «Ghostbusters», «Ocean's Eight», «Annihilation», «Widows» oder die neue Staffel «Doctor Who» nehmen. Filme, in denen es nun mal um Frauen geht und nicht wirklich um Männer, und in denen die Frauen sich auch nicht über bevorstehende Hochzeiten, in Citys Herumhühnern oder das zufällige Erlangen von Adelstiteln definieren.
Ich seh schon, spätestens an dieser Stelle möchte der Erste in die Tasten greifen und geifern: «Frau Meier, dieses Argument ist wieder so 90er! Aber typisch: Sie sind eine Feminazi-Kampflesbe! Nein: ein bauch-stalinistischer Transgender! Hören Sie auf damit! Dann kann man Sie vielleicht lesen.» Ich kann Kollege Scherrer trösten, sowas krieg ich bei ungefähr ... jedem Artikel. Seit zwanzig Jahren. Also seit den 90ern.
Nein, nicht ganz, damals befand sich das Wort «Transgender» noch nicht im Sprachbewusstsein eines Leserbriefschreibers. Damals stiess ich dafür eines Morgens beim Warten auf das Tram auf einen Mann, der mir ins Gesicht sagte: «Frauen in der Politik finde ich total überflüssig. Ist die Welt etwa besser geworden? Scheissfeminismusscheiss.»
Einverstanden, dieses Argument ist so alt, das ist nicht einmal mehr 90er, das ist total 1791. Damals schrieb nämlich die französische Schriftstellerin Olympe des Gouges die revolutionäre «Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin» und verkündete der erstaunten Leserschaft die Gleichberechtigung der Geschlechter.
Alle Argumente und Gegenargumente sind uralt. Die Zeitspanne allerdings, in der die Argumente ihre Wirkung entfalten, ist noch immer sehr kurz. Seit wann gibt es in der Schweiz das Frauenstimmrecht? Seit 1971. Schon klar, dass sich da noch immer ein paar daran gewöhnen müssen.
Doch zurück zu den Filmen, die Männer so hässig machen. Den Filmen, in denen Frauen wagen, sich wie Männer aufzuführen oder diese gar unhinterfragt abzulösen. Nerven sie etwa, weil sie so irre schlecht sind? Anders gefragt: Sind alle «Bond»-Filme gut? Oder etwa eher nur die Hälfte? Alle Männer-«Ocean's»? Wirklich die ganze «Bourne»-Reihe? Jeder Spider-, Bat- und Superman? Muss ich das echt fragen?
Nein, die Frauenfilme nerven natürlich vor allem, weil sie DA sind. Weil sie JETZT DA sind. ENDLICH DA sind. Plötzlich mit Macht und Marktpräsenz behaupten, auch Mainstream zu sein. Und damit auch noch Kasse machen! Wie ist das denn möglich, wird sich der alte weisse Mann denken, der gerne Sean Connery in «Diamonds Are Forever» wäre, oder der nicht so alte INCEL.
Wenn wir uns Hollywood betrachten, so ist diese selbstverständliche Präsenz der Superfrauen natürlich kein ideologischer, sondern ein rein wirtschaftlicher Entscheid.
Diese Nachfrage ist allerdings nicht zuletzt auf dem fruchtbaren Selbstermächtigungs-Kompost der letzten Jahrzehnte gewachsen. Nicht nur dem der Frauen in der vermeintlichen Männerwelt, auch dem der Schwarzen oder Asiaten in der vermeintlich weissen US-amerikanischen Welt. Und hat nun eben Blockbuster wie «Black Panther», «Crazy Rich Asians» oder «Wonder Woman» hervorgebracht.
Gewöhnt euch dran, ihr unzufriedenen Kommentarschreiber. Und auch wenn ihr Filme wie «Captain Marvel» gerade mit aller Macht auf Foren wie «Rotten Tomatoes» aus der Welt zu voten versucht – ihr werdet es nicht schaffen. Mit dem Scheissfeminismusscheiss macht man eben nicht nur Kampfemanzen glücklich, nein, damit macht man jetzt auch Kasse. Und dies ist am Ende das unschlagbarste Argument von allen.
Und gewöhnt euch auch an die Idee, dass der nächste Bond schwarz, asiatisch oder eine Frau sein könnte. Die Dämme sind gebrochen, die Träume, die das Kino widerspiegeln muss, um Erfolg zu haben, sind andere als eure. Grössere.