Die neue Netflix-Serie «Space Force» erfreut sich momentan grosser Beliebtheit. Das überrascht niemanden, der «The Office» gesehen hat, denn Space Force ist von den selben Machern. Und Steve Carell hat erneut die Hauptrolle inne. Grund genug, «das Original» wieder aufleben zu lassen.
Das Konzept von «The Office» stammt vom britischen Komiker Ricky Gervais. Von ihm stammte das Konzept und alle Skripts, während er sowohl die Hauptrolle spielte, als auch Regie führte. Da dies selbstredend mit einem riesigen Aufwand verbunden war, Gervais aber gleichzeitig verhindern wollte, dass die Serie in Qualität abnimmt oder verwässert, war nach bereits 14 Folgen Schluss.
Das US-amerikanische TV-Netzwerk NBC sicherte sich die Rechte an der Serie und produzierte anschliessend 201 Folgen verteilt auf neun Staffeln. Was in den USA ein durchschlagender, die Populärkultur prägender Erfolg war, findet hierzulande deutlich weniger Beachtung.
Klar, der deutschsprachige Raum hatte «Stromberg», was einigermassen nahe heran kam (und im Übrigen auch sehr, sehr lustig ist). Doch das reicht nicht. Ein Argumentarium.
Eigentlich reicht dieser Punkt alleine als Argument, denn Carell ist über sieben Staffeln lang Dreh- und Angelpunkt der ganzen Serie und dabei nur eins: schlicht sensationell.
Dass Carell ein begnadeter und vor allem facettenreicher Schauspieler ist, zeigte mitunter seine Karriere nach «The Office». Während bei vielen anderen Schauspielern ihr Seriencharakter einen grossen Schatten über sie wirft, blühte Carell danach auf. Eine Oscar-Nominierung für «Foxcatcher» (2014) ist Beweis dafür. Nun aber wieder zum Wesentlichen.
Ihm gelingt es, einen sehr penetranten, überzeichneten Charakter so darzustellen, dass er, ohne zu nerven, menschlich wirkt. Mimik und Gestik sind so präzise getimt, dass alles irgendwie unfreiwillig lustig wirkt, ohne dabei unauthentisch zu werden. Ganz grosses Kino.
Womit wir bei seinem Charakter, Michael Scott, wären. Der könnte treffender nicht skizziert sein. Mit einer völlig verzerrten Fehlwahrnehmung stolpert er durch den Alltag, ist dabei nur dann lustig, wenn er es nicht beabsichtigt und weist insgesamt die Sozialkompetenz einer Kartoffel auf. Ein echter Chef.
Aber Michael Scott ist natürlich nicht alleine. Die anderen, ebenfalls sehr eigenen Charaktere in der Serie stehen Scott in Sachen liebenswürdiger Ulkigkeit in nichts nach. Die einzelnen Bausteine sind so «gspässig» konzipiert, dass sie alle enorm viel Reibungsfläche produzieren.
Würfelt man sie dann in beliebigen Kombinationen in verschiedenen dramaturgischen Kontexten zusammen, passiert stets etwas Neues, Unvorhergesehenes. So kommt es auch, dass man sich beim Bingewatchen über Tage hinweg sehr selten bis nie über Charaktere nervt. Abnützungserscheinung gleich null.
Zugegeben, Humor ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Wenn es aber darum geht, was tendenziell lustig ist und was nicht, besteht vermutlich Konsens, dass gesuchter Humor selten tatsächlich auch gefunden wird, wohingegen natürliche Komik wesentlich sympathischer ist. Anyways.
«The Office» brilliert in letzterem. Beweis dafür ist, dass es nicht einfach ist, zu erklären, wieso die Serie genau lustig ist. Oder welche Witze denn so gemacht werden. Denn der Humor ist in ein Dickicht von Kontext, Charakteren, Spontaneität, Nuancen und Timing verwoben. Oder: Man muss einfach dabei gewesen sein.
Womit wir beim nächsten Thema wären ...
Und ja, das stimmt durchaus. Die meisten Witze und Themen kratzen arg an der Grenze zur Grenzwürdigkeit in Sachen Sexismus, Rassismus und Homosexualität. So kann man es durchaus sehen. Oder aber man schaut genauer hin. Und merkt, dass es eigentlich nichts anderes aufzeigt, als dass sich ganz viele Menschen ganz unnötig ganz schwer mit solchen Themen tun. Darin liegt der Witz im Eigentlichen.
Es wird sich nicht über Minderheiten, Orientierungen oder Geschlechter mokiert, sondern über den Umgang des alten, weissen Mannes damit. Ein Spiegel für viele, von Überzeichnung kaschiert. Werden diese Themen heuer ängstlich ausgeklammert, um ja niemandem auf die Füsse zu treten, zelebriert man sie hier regelrecht. Bis es weh tut.
Viele von uns gehen einer Schreibtisch-lastigen Erwerbstätigkeit nach. Und ja, das kann durchaus an die Substanz gehen. Kleine Nörgeleien hier, eine Prise Inkompetenz da, Neid, Unehrlichkeit, Vertuschung sonstwo. Welch herrlich kathartische Erfahrung diese menschgewordene Mühseligkeit unbetroffen von aussen zu bestaunen!
Der Mockumentary-Stil verpackt das alles stilistisch wunderschön in eine Tierdoku-Erfahrung, bei der man aus sicherer Entfernung dem Faszinosum Mensch in archetypischer Form frönen kann. Wie schnell man da plötzlich über sich selbst lacht ...
Nebst dem, dass «The Office» eine Serie für wirklich jede Generation ist, liefert sie jüngeren (tendenziell Meme-affineren) Generationen Aufschluss darüber, wo gefühlt 80% der Memes herkommen. Kennt man deren Hintergrund, werden diese noch um einiges besser.
Mit unnachahmlicher Selbstverständlichkeit produziert die Serie unzählige Momente, bei denen ein Blick, eine Gesichtsregung, ein Wort, eine Geste oder was auch immer dazu führt, dass man sich abgeholt und verstanden fühlt. Oder wie Millennials es ausdrücken würden: relatable af.
Viele davon sind bereits weit verbreitete Gifs und Memes, ein Mehrfaches davon liegt noch in der Serie verborgen. Nicht endend wollendes Meme-Good.
P.S.: Wer The Office schon kennt und mag, der muss unbedingt dem Instagram-Account @theofficeparody2 folgen. Ein Genuss, ich sag's euch.
Ein Spruch. Umstritten, polarisierend, verlockend. Hass ihn oder lieb ihn. Bei «The Office» ist mit Michael Scott in Hinblick auf diese Sprüche jedenfalls ein Meister am Werk.
Wer The Office gerne (wieder mal oder zum ersten Mal) schauen will, kann dies in der Schweiz über Amazon Prime tun.