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Die Gangster-Rapper sind nicht schuld, wenn Kinder Drogen nehmen

Rapper wie Capital Bra haben einen Einfluss auf den Drogenkonsum von Jugendlichen.
Rapper wie Capital Bra haben einen Einfluss auf den Drogenkonsum von Jugendlichen.bild: watson/shutterstock/screenshot youtube capital bra
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Die Gangster-Rapper sind nicht schuld, wenn Kinder Drogen nehmen

Tilidin ist wieder im Aufwind. Auch dank der Rap-Szene. Capital Bra und andere Rapper haben einen grossen Einfluss auf den Drogenkonsum von Jugendlichen. Doch kann man den Rappern wirklich die Schuld geben?
26.09.2020, 17:51
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«Du kannst nicht ohne. Du sitzt da wie ein vercrackter Junkie» – so beschreibt der Rapper Capital Bra die Auswirkungen vom Medikament Tilidin in einem Interview mit «STRG-F».

Was ist Tilidin?
Ein Opdiat, das üblicherweise bei starken und sehr starken Schmerzen verschrieben wird. Das Medikament wirkt stark betäubend und geht direkt auf das Nervensystem. Es kann sehr abhängig machen. Zusammen mit Alkohol kann es im schlimmsten Fall zum Atemstillstand führen.

Keine schöne Droge, dieses Tilidin. So einfach es ist, damit anzufangen, umso schwieriger ist es, davon wegzukommen. Auch Experten sehen darin ein Problem.

Durch die Thematisierung von Tilidin in seinen Raptexten hatte der Rapper einen grossen Einfluss auf den Bekanntheitsgrad des Medikaments. Vor einem Jahr wurde das Lied «Tilidin» releast – spätestens seit dann kannte jeder eingefleischte Deutschraphörer dieses Medikament. Und seit dann sind gemäss Angaben des deutschen Apothekenverbandes die Verschreibungen des Medikamentes an Jugendliche in die Höhe geschossen – um das 30-fache.

Doch um hier nicht nur Capital Bra an den Pranger zu stellen: Diverse andere Rapper, wie beispielsweise Bonez MC von 187 Strassenbande und Samra thematisieren das Medikament des Öfteren in ihren Raptexten.

Capital Bra schämt sich im Interview für die Auswirkungen seiner Texte auf seine Fans und deren Drogenkonsum.
Capital Bra schämt sich im Interview für die Auswirkungen seiner Texte auf seine Fans und deren Drogenkonsum.Bild: screenshot: youtube/strg_f

Der Rapper spricht im Interview davon, dass er «doch nie ein Vorbild sein wollte». Doch ist man kein Vorbild, nur weil man es nicht sein will? Hat es sich der Bratan damit nicht zu einfach gemacht?

Alle Personen, die im öffentlichen Raum stehen, sind gewissermassen Vorbilder und tragen eine Verantwortung. Wer vorlebt, was cool ist, muss sich auch den Konsequenzen bewusst sein. Vor allem wenn man Drogen verherrlicht und die Zuhörer vorwiegend Jugendliche und Kinder sind.

Dennoch stellt sich hier die Frage, ob sie diese Verantwortung auch wahrnehmen müssen. Denn im eigentlichen Sinne, das sagt auch Capital Bra selbst, rappen die Rapstars über ihr Leben. Der Rapper habe selbst Tilidin konsumiert und habe das in seinen Raptexten ausdrücken wollen. «Ich wollte doch nur zeigen, wie wir leben», sagte der Rapper dazu im Interview mit «STRG-F».

Beim Rap ist es wie bei allen anderen Formen der Kunst: Es gilt die künstlerische Freiheit. In der Musik darf man machen, was man will. Dazu gehört nun Mal auch die Thematisierung von Drogen, ob positiv oder negativ. Rapper wie Capital Bra können nichts dafür, dass ihre Musik und ihre Texte genau das ist, was die Menschen hören wollen. Der Konsument will, was der Konsument will.

Was ist also die Lösung? Den Kids verbieten, Rap zu hören? Oder die Raptexte zensieren? Die Rapper einsperren?

Natürlich nicht. Es wäre zu einfach, die Schuld einfach jemand anderem zuzuschieben – denn wer viel mehr in der Verantwortung steht als die Rapper, sind die Eltern der Jugendlichen. Es ist bewiesen, dass Jugendliche aus einem guten Elternhaus weniger zu Drogen greifen als Jugendliche mit einem schlechteren Verhältnis zu ihren Eltern. Die Lösung: Mit den Kindern reden. Ihnen zuhören. Sie ernst nehmen.

Und ist es nicht auch die Entscheidung eines jeden Jugendlichen selbst, Drogen zu nehmen? Nur weil ein Rapper darüber rappt, muss es ja nicht automatisch bedeuten, dass man ebenfalls konsumieren muss. Capital Bra hat auf Spotify 5'129'104 monatliche Hörer. Die meisten davon können Musik und Kunst von der Realität unterscheiden.

Mit 14 oder 15 Jahren ist man noch jung und durchaus beeinflussbar, aber nicht komplett hirnlos. Drogen zu nehmen ist und bleibt, trotz all den Faktoren von Aussen, immer eine freie Entscheidung. Ein Rapper spielt da vielleicht als Einfluss von Aussen eine Rolle, aber bestimmt nicht als der Schuldige.

Haben Rapper eine Verantwortung gegenüber Jugendlichen?
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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chrigu91
26.09.2020 18:12registriert November 2014
Nein nicht die Gangster-Rapper alleine sind schuld. Aber unter anderem. Sowie sie auch Mitschuld haben an der Homophobie und Frauenfeindlichkeit gewisser Hörer
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Back in Time
26.09.2020 18:56registriert November 2019
In den 80ern waren es Bands wie Judas Priest, also Hardrock und Heavy Metal, später waren es Egoshooter, die für Drogensucht etc. verantwortlich gemacht wurden. Heute sind es Rapper. Ich persönlich mag zwar kein Rap und halte von den Typen nicht viel, aber Jugendliche haben zu allen Zeiten zahlreiche Sachen gemacht.
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dodo, dodo?
26.09.2020 20:02registriert Mai 2020
gut, dass das thema wieder in die runde gebracht wird. aber ein wenig einfach gestrickt in diesem artikel, einen schuldigen für drogenkonsum zu suchen. gründe für konsum & sucht alleinig bei einem faktor zu suchen ist dann doch zu simpel. die thematik ist sehr komplex und beinhaltet ver. auslöser.
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