Vorsicht: Dieser Text enthält Spoiler zu «Black Mirror», Staffel 3, Folge 1.
Auf Twitter hat eine Lehrerin ein Sozialexperiment geschildert, das sie mit ihrer Klasse durchgeführt hat – und aufhorchen lässt. Die Userin, welche sich «Frau Schiller» nennt, hat dabei als Grundlage die «Black Mirror»-Folge «Nosedive» genommen.
Die Episode zeigt eine nicht allzuweit entfernte Zukunft, in welcher der Sozialstatus auf Bewertungen von anderen Personen basiert. Wer gute Wertungen hat, steigt auf, schlechte Wertungen führen zu sozialer Armut.
Auf Twitter schilderte sie, wie das Experiment verlief:
Als die Elftklässler den Raum betraten, wurden sie nach Noten eingeteilt.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die „Einser“ durften vorne sitzen und bekamen Stifte und Papier geschenkt. Die „Vierer“ rutschten nach hinten.
Die Schüler folgten den Anweisungen interessiert.
Ich begann die Stunde mit Sachtexten zu modernen Medien. Je nach Mitarbeit bekamen die Schüler Plus- und Minuspunkte. Nach 30 Minuten durften sich die „aktiven“ Schüler vorsetzen, die „stummen“ rutschen nach hinten.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die Schüler verstanden das Prinzip schnell.
Im 2. Teil der Stunde schauten die Schüler einen Teil der Folge. Dieser handelt davon, dass Menschen mit vielen Followern eher Haus & Traumjob bekommen. Menschen ohne Follower sind arm & arbeitslos. Jeder kann jeden JEDERZEIT per App bewerten, weswegen sich alle verstellen.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die Schüler waren sich schnell einig, dass die Szenerie utopisch sei. In unserer Gesellschaft könnten Medien nicht solch einen Einfluss haben, da es immer einer Person auffallen würde, es Demos gäbe etc...
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die Schüler erhielten die freiwillige (!) Hausaufgabe, bis zur nächsten Stunde Pluspunkte zu sammeln, damit sie in der 1. Reihe sitzen dürfen.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die „Hausaufgabe“ wurde belächelt. (Meine Schüler sitzen sonst am liebsten so weit hinten wie möglich.)
Überraschenderweise sammelten 19 von 20 Schülern durch Hilfe im Haushalt, Gassi gehen, freundliches Grüßen der Lehrer usw. Pluspunkte.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Außer Nico.
Ich ließ Nico nicht in meinen Klassenraum und stellte ihm einen Stuhl vor die Türschwelle. (Natürlich fand er das albern.)
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Und dann geschah, was ich nicht erwartet hatte:
Alle Schüler wiesen Nico zurück. Er würde den Unterricht gefährden; solle draußen bleiben. (Nach einem Tag!)
Ich besprach die Erfahrungen der letzten 24h. Nahezu alle Schüler meldeten sich lächelnd. (Gruselig!)
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Nico saß vor der Türschwelle - wurde sogar von den SuS ermahnt, den Fuß zurückzuziehen.
Ich zeigte den Schülern das Ende der Folge: Die Frau wird wahnsinnig, „verkauft ihre Seele“ und kommt ins Gefängnis, wo sie zu spät merkt, welche Gefahr von Medien ausgehen kann.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Ich meine, einzelne waren beschämt. Ich hatte ihr Zitat aus der Vorstunde, dass das System so nieeemals funktionieren würde, an die Tafel geschrieben und gemeint, dass ich nicht einmal 24h gebraucht hätte. Die Reflexion der Schüler war einsichtig und machte dann wieder Mut.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Im Anschluss fand eine Reflexion statt, ja. Nico habe sich ausgeschlossen gefühlt, weil sogar sein „Buddy“ nicht half. Er habe das am Anfang nicht ernst genommen und plötzlich waren alle „drin“, er „draußen“. (Er ist sonst beliebt.) Einzelne SuS schämten sich auch (meine ich).
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Fazit: Ein Leistungskurs voller cleverer, fast erwachsener Menschen ließ sich (sicherlich auch mir zu Liebe) innerhalb von 24h in ein System drängen, das sie von Beginn an falsch fanden.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die Sequenz läuft sehr gut an. Die Schüler haben (hoffentlich) ihre Lektion gelernt.
Erinnert ein wenig an "die Welle "
— Doctor Who Mädchen (@talking_stuff) 8. Januar 2019
Riesenkompliment für die tolle & engagierte Idee & Durchführung. Hast du allerdings dazu gesgat, dass ein sehr ähnliches System in China bereits eingeführt wurde / wird und sehr wohl "funktioniert" (allerdings ist China keine Demokratie)?
— Sidis (@LouvaMustDie) 9. Januar 2019
Ob 1984 oder Die Welle. Immer noch aktuell. Ich glaube, wir haben noch viel zu lernen, um als Menschen miteinander mit Akzeptanz und Wertschätzung zu begegnen.
— Frank Lindecke (@Kimayoi) 9. Januar 2019
Gruselig, da so ein System in China gerade aufgebaut wird.
Lesen und selber ein Urteil für das eigene Verhalten finden. https://t.co/Z2XQsHSvjA
(pls)