Leben
Film

Darum setzt Netflix immer mehr Serien ab – selbst wenn sie gut sind

Darum setzt Netflix immer mehr Serien ab – und warum wir uns daran gewöhnen müssen

04.12.2018, 16:4905.12.2018, 13:27
Mehr «Leben»

In den letzten Monaten sorgte Netflix bei seinen Kunden immer wieder für Ärger. Denn der Streaming-Anbieter hat mit einer Praktik begonnen, die man sonst nur von TV-Sendern kennt: Serien werden gnadenlos abgesetzt.

Zuletzt bekamen das die Marvel-Fans zu spüren: Gleich drei Produktionen wurden eingestampft, selbst die hochgelobte Serie «Daredevil» musste vergangenen Freitag über die Klippe springen. Insgesamt hat Netflix alleine seit Mai 2018 die Einstellung von zwölf Serien bekannt gegeben.

Und zwar diese hier:

1 / 14
Serien, die von Netflix abgesetzt wurden
«Orange is the New Black»: Abgesetzt nach sieben Staffeln.

Bild: Netflix
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Für die Serien-verwöhnten Netflix-User ist das schon fast ein Schock. Immerhin galt der Streaming-Pionier lange als sicherer Hafen, der sogar abgesetzten TV-Serien wieder Leben einhauchte. Beste Beispiele dafür sind «Black Mirror», «Arrested Development» oder «Lucifer». Warum also dünnt Netflix sein Serienportfolio plötzlich so aus?

Disney ist ein Grund – aber nicht nur

Der Grund, warum Netflix «Iron Fist», «Luke Cage» und «Daredevil» gestrichen hat, scheint klar: Die Verträge zwischen Disney und Netflix laufen Ende 2019 aus. Der Mauskonzern bringt im selben Jahr seinen eigenen Streaming-Dienst «Disney+» an den Start und wird damit zum Konkurrenten für Netflix.

Dennoch müsste man meinen, dass Netflix eigentlich noch die Zeit gehabt hätte, mindestens eine vierte Staffel von «Daredevil» zu produzieren. Immerhin ist die Serie bei Zuschauern und Kritikern ein Hit. Selbst über das Jahr 2019 hinaus hätte Netflix womöglich weiterhin Marvel-Serien produzieren können, wenn es dies gewollt hätte.

Um die ganze Situation zu verstehen, muss man sie aus der Sicht von Netflix betrachten. Warum sollte man Marvel-Serien verlängern, wenn Disney seinen ganzen Content abzieht, um einen eigenen Streaming-Dienst zu starten?

Für Netflix wäre das verschwendetes Geld, denn schlussendlich würde man mit den Serien Werbung für Marvel und damit für Disney machen. Es ist also klar, dass Netflix sein Budget lieber in Eigenproduktionen steckt, deren Markenrechte bei ihnen und nicht bei anderen Studios liegen.

Netflix fehlen zugträchtige Marken

Damit steht auch schon das nächste grosse Problem im Raum: Netflix ist auf neue Abonennten angewiesen, denn es ist im Moment der einzige Weg, wie der Streaming-Riese Umsatz generiert. Bei Investitionen im Milliardenbereich ist das dringend nötig, denn der Aktieneinbruch kürzlich hat gezeigt, dass die Investoren langsam nervös werden.

Aktienkurs Netflix
Der Aktienkursverlauf der letzten drei Monate sieht nicht schön aus.Bild: Screenshot Finanzen.ch

Netflix muss nicht nur den Weggang von Disney, Warner Bros und anderen Studios verkraften, sondern auch noch deren kommenden Konkurrenzdienste. Gleichzeitig muss Netflix immer neue Kunden gewinnen und diese bei Laune halten – nicht einfach, wenn viele bekannte Film- und Serienmarken plötzlich nicht mehr auf Netflix verfügbar sind.

Für den Streaming-Anbieter ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, denn man muss den bevorstehenden Marken-Exodus möglichst rasch mit eigenem Content kompensieren. Es ist die Suche nach Stoffen, die zu grossen Marken ausgebaut werden können und auch nach mehreren Staffeln noch neue Zuschauer anlocken, so wie «Game of Thrones» oder «Breaking Bad».

Zumindest mit «Stranger Things» hat Netflix solch einen begehrten Brand etablieren können. In der Populärkultur ist die Serie bereits verankert, das Merchandising verkauft sich wunderbar und die Stars sind zu begehrten Darstellern geworden.

Stranger Things Weihnachtspullover
Selbst «Stranger-Things»-Weihnachtspullover kann man kaufen.Bild: Bleedingcool

Um solche Marken zu erschaffen, produziert Netflix Serien schon fast in Akkordarbeit. «Trial and Error» scheint die Devise zu sein. Während eine Eigenproduktion von Netflix vor wenigen Jahren auch mal eine weitere Staffel bekam, wenn sie scheinbar nicht mehr so gut lief, wird eine Serie nun gnadenlos abgesetzt. Netflix investiert das Geld lieber in etwas Neues.

Sehgewohnheiten der User helfen

Eine weitere Strategie, auf die Netflix setzt, sind lokalisierte Serien – also speziell auf ein Land zugeschnittene Formate. Allein für Deutschland hat Netflix sieben Produktionen in Auftrag gegeben, nachdem «Dark» so ein Erfolg war.

Auch hier wird also produziert, bis die Schnittprogramme glühen. Und wenn viel produziert wird, wird auch mehr abgesetzt, denn wenn Netflix seinen ganzen Output an Serien andauernd verlängern würde, ginge dem Unternehmen das Geld wohl ziemlich schnell aus.

Wenn Netflix eine alte Serie zugunsten einer neuen absetzt, hat das für den Streaming-Dienst sogar Vorteile. Eine neue Serie bedeutet, dass Blogs und Medien darüber schreiben, Leute darüber reden und schliesslich neue Abos abgeschlossen werden. Eine solche Medienaufmerksamkeit kriegt eine Serie, die verlängert wird, nur, wenn sie ein Hit à la «Stranger Things» ist.

Dank Binge-Watching wird die neue Serie dann in einem Durchgang konsumiert. Wenn es schliesslich nicht mehr weiter geht, empfiehlt einem Netflix netterweise eine andere Serie, die perfekt zu einem passt. Wird die Show, für die man sich ursprünglich angemeldet hat, dann irgendwann klammheimlich abgesetzt, stört das nicht mehr wirklich.

Und selbst wenn es einen wütenden Aufruhr gibt, wie es beispielsweise nach der Absetzung von «American Vandal» der Fall war, werden die Wenigsten ihr Abo wirklich kündigen. Schliesslich gibt es ja genug neue Serien, mit denen man sich über den Verlust hinwegtrösten kann.

Weil du die Netflix-App ja schon hast: Diese super-nützlichen Apps solltest du unbedingt kennen:

1 / 45
Diese super-nützlichen Apps solltest du unbedingt kennen
Die App Photomath zeigt den Lösungsweg von Matheaufgaben. Man richtet die Kamera auf den mathematischen Ausdruck und schon wird das Resultat mit der Schritt-für-Schritt-Lösung auf dem Display angezeigt. Die App hat eine Handschrifterkennung und unterstützt Gleichungssysteme, Logarithmen, Ableitungen, Integrale etc.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Von wegen Netflix & Chill! So sieht es in Wirklichkeit aus:

Video: watson/Knackeboul, Lya Saxer

Mehr aus der Film- und Serienwelt:

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
64 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
taisho-corer
04.12.2018 17:29registriert Februar 2016
Cool, wenn ich in Zukunft Serien schauen möchte muss ich 7 Abos à 15 Stutz pro Monat abonnieren...

Willkommen zurück JDownloader!
43510
Melden
Zum Kommentar
avatar
Theor
04.12.2018 17:27registriert Dezember 2015
Also mir tut der Verlust von Daredevil weh und Netflix hat mir disher keine Kompensation anbieten können. Generell finde ich es mist, dass nun wieder jeder versucht beim Geschäft mitzumischen. Am Ende hat man zehn Anbieter mit zehn unzureichenden Programmangeboten statt ein guter, wo sich wirklich lange Mitgliedschaft lohnt.
2278
Melden
Zum Kommentar
avatar
conszul
04.12.2018 17:02registriert August 2014
Ist doch richtig, dass sie Serien sofort wieder kippen, wenn sie beim bezahlenden Kunden nicht ankommen. Ich würde auch nicht weitere Staffeln finanzieren, von einer Serie, die (fast) niemand schaut. Finde das nur konsequent.
22327
Melden
Zum Kommentar
64
Wie du deinem Portfolio mit preisgekrönten «Strukis» Pep geben kannst
Was strukturierte Produkte sind, wie du sie nutzen kannst und interessante Beispiele der Preisträger der 19. Swiss Derivative Awards.

Letzte Woche am Donnerstag war es dann so weit, das Aura in Zürich knisterte nur so vor Spannung bei der Preisverleihung der 19. Swiss Derivative Awards co-hosted von SIX und Payoff. Anwesend eine grosse Community von Finanzexperten, prämiert wurden die von einer namhaften Jury bewerteten besten strukturierten Produkte respektive deren Emittenten nach verschiedenen Kriterien wie Originalität der Idee, Realisierung und Struktur des Produktes. Berücksichtigt wurden alle Produkte, die bis Ende 2023 in der Schweiz emittiert und an der SIX Swiss Exchange gelistet wurden. Ich war zum ersten Mal an den Derivative Awards und fand den kurzweiligen Anlass enorm spannend, viel spannender noch die vorgestellten Produkte, von denen ich euch hier im Artikel eine kleine Auswahl zeigen möchte.

Zur Story