Die Schere der Zensur war im Land der Mitte wieder einmal fleissig am Werk. Neuestes Opfer: «Bohemian Rhapsody», das Biopic über die britische Rock-Band Queen und Frontmann Freddie Mercury. Insgesamt wurden zwei Minuten mit LGBTQ-Inhalten gestrichen. Der Grund: Sie seien zu schwul für das chinesische Publikum.
Der mit Preisen überschüttete Film startete in China am 22. März, allerdings nur in ausgewählten Kinos.
2016 hat China das Darstellen von «abnormalem sexuellem Verhalten» auf der Leinwand verboten. Die chinesische LGBTQ-Community betrachtete es daher als Sieg, dass «Bohemian Rhapsody» in die chinesischen Kinos kam – auch weil pro Jahr nur ein paar wenige westliche Filme gezeigt werden.
Der chinesische Dokumentarfilmer und LGBTQ-Aktivist Fan Popo relativierte aber: «Wenn alle mit dieser Art von Sieg zufrieden sind, dann wird sich die ganze Welt den Behörden unterwerfen, Schöpfer werden nicht mehr respektiert und es wird keinen Schutz für die Interessen des Publikums geben.»
Diese sechs Szenen wurden aus dem Film geschnitten:
Früh im Film regt sich der BBC-Produzent, der für Queens Live-Auftritt verantwortlich ist, über eine Kamera-Einstellung auf. Die Nahaufnahme zeigt Mercurys anzügliche Hüftbewegungen.
In der chinesischen Version wird der kleine TV-Bildschirm, in dem der Produzent das Live-Bild betrachtet, plötzlich und unerklärlich gestört. Nur für den Bruchteil einer Sekunde sieht man Mercurys Schritt.
Mercurys Freund, Paul Prenter, der von 1977 bis 1986 sein Manager war, küsst in einer Szene den Sänger.
Aber nur in der Originalfassung: In der chinesischen Version fehlt die Szene komplett.
In der ersten Hälfte des Films konfrontiert Mercurys Langzeit-Geliebte und Freundin Mary ihn mit seiner Sexualität. Mercury sagt: «Ich glaub', ich bin bisexuell.» Mary antwortet: «Nein, Freddie, du bist schwul.»
In der chinesischen Version fehlen beide Sätze.
In einer anderen Szene kommentiert der Drummer von Queen, Roger Taylor (gespielt von Ben Hardy), den neuen Haarschnitt von Mercury. «Schwuler?», sagt er über den neuen Stil.
In der chinesischen Version hat Taylor nur einen skeptischen Blick für die Frisur übrig, das Wort «schwul» fehlt.
Nach gut einer Stunde in der Original-Fassung grapscht der betrunkene Mercury nach seinem zukünftigen Partner Jim. Dieser arbeitete als Servierer auf einer Party von Mercury.
Die Szene wurde in der chinesischen Version gelöscht, was eine Handlungslücke hinterlässt. Das Publikum hat keine Ahnung, wieso Jim plötzlich auftaucht und mit Mercury redet. Ein späterer leidenschaftlicher Kuss zwischen den beiden Männern fehlt ebenso.
Die grösste Änderung ist aber gegen Ende des Films zu sehen – oder eben gerade nicht. Die Band verkleidet sich als Frauen, um den mittlerweile legendären Videoclip zu «I Want To Break Free» zu drehen.
In Chinas Kinos verschwindet die Szene. Man sieht nur die erhitzten Reaktionen, als MTV den Videoclip aus dem Programm verbannt, was die Zuschauer verwirrt zurücklässt.
Trotz der vielen Schnitte ist aus dem Film ersichtlich, dass Mercury schwul war. Das Coming-out vor Mercurys Eltern blieb beispielsweise in der finalen Fassung.
Zwar ist Homosexualität in China nicht verboten, und seit 2001 offiziell von der Liste mit geistigen Krankheiten gestrichen, aber Aktivisten und Experten sind sich einig, dass Vorurteile und Diskriminierungen noch immer stattfinden.
Aktivist Fan Popo relativiert aber gegenüber CNN: «Ich glaube, Chinas Zensoren sind eher sexphob als homophob. Die Zensoren sind wahrscheinlich die konservativsten Menschen in China, darum wurden sie wohl für den Job ausgewählt.»
Allerdings glaubt er auch nicht, dass die Veröffentlichung von «Bohemian Rhapsody» eine Lockerung der Zensur darstellt. «Ich denke eher, dass China in letzter Zeit versucht, sich der Welt gegenüber als aufgeschlossen und weltoffen darzustellen.» (jaw)
Die chinesische Version zeigt nicht Freddie Mercurys Leben, weil, naja, ziemlich viel von seinem Leben weggeschnitten wurde...