Traurig, aber wahr: Auch Anfang 2021 können wir uns nicht gemütlich in eine Bar setzen und uns was Feines bestellen. Viele der vor einem Jahr von Kennern und Könnern ge-orakelten Drink-Trends trafen, Kollege Covid sei Dank, nicht ein. Dafür sah niemand voraus, dass es normal sein würde, dass sich grosse Teile der Bevölkerung bereits am späten Morgen das erste Glas Weisswein gönnten.
Nichtsdestotrotz machen sich Barprofis, Drinks-Hersteller und -Importeure sowie Gastronomen wie jedes Jahr Gedanken, was das neue Jahr bringen wird. Hier einige der meistgenannten Ideen und Trends:
Kurzfristig wird unser Trinkgenuss weiterhin in den eigenen vier Wänden stattfinden müssen. Deshalb setzen nicht wenige Bars und kleinere Hersteller auf das Konzept batch cocktails – in grösseren Mengen fertig gemixte Cocktails, die flaschenweise verkauft werden können – online, versteht sich.
In der Schweiz gibt es dies etwa bei bottled-cocktails.ch oder (bereits seit der Vor-Covid-Ära) Barrel Aged Brothers, die dieses Konzept noch ein Schrittchen weiter verfolgt haben und ihre Cocktails vor dem Abfüllen noch im Fass lagern, was dem Getränk eine weitere Geschmacksfärbung verleiht. Aber auch für einzelne Bars funktioniert das Konzept: Du willst deinen Lieblings-Basil-Smash von deinem Lieblings-Bartender? Soll er dir doch einige auf Vorrat machen und dir als Flasche to go verkaufen. Zuhause brauchst du nur noch das Glas und die Garnitur.
Derweil, im Grosshandel:
2020 kam es bei etlichen Getränkeproduzenten zu Lieferengpässen, da die Aludosen-Herstellung nicht nachkam, weil die gesamte Kundschaft nur noch zuhause statt auswärts zu trinken begann (Dosen = Detailhandel; Flaschen = Gastro). So ziemlich jedes Getränk musste in Dosen erhältlich gemacht werden, da dies die weltweite Norm darstellt. Prosecco aus der Dose gibt's schon seit Längerem. Was aber immer mehr kommt: Mixed Drinks aus der Dose: Gin & Tonics, Rum & Cokes, Margaritas und Co.
Wenn's dann endlich so weit ist und man doch wieder in einer Bar sitzen und einen Drink bestellen darf, dann dürfte der Trend weg von leichteren, erfrischenderen Cocktails mit viel Spritz und Sprutz und hin zu den big classics mit starkem Alkoholgehalt weisen: Negronis, Old Fashioneds, Dry Martinis und Co. Drinks, die man gerne langsam trinkt und in Ruhe geniesst.
Aber eben – wann genau deine Lieblings-Cocktailbar wieder aufmachen darf und wie lange diese abends offen bleiben darf, steht zunächst in den Sternen. Da mittel- bis langfristige Planung schwierig wird, dürften Pop-Up-Bars weiterhin Beliebtheit erfreuen. Und wir alle tun gut dran, diese zu unterstützen. Ein zeitlich begrenztes Pop-Up-Projekt ist oftmals eine gute Überbrückung für die lokale Gastro-Szene.
In dem Sinne gilt auch:
Was für deine örtliche Bar-Szene und unser Ausgangsverhalten gilt, gilt ebenso für die Produkte. Drinks-Multis wie Carlsberg und Diageo dürften die Coronakrise locker überstehen. Deshalb darf man eher in heimischen Gefilden nach Wodka, Whisky, Vermouth und Konsorten suchen. Fündig wird man alleweil.
Unser Trinkverhalten hat sich in die Privatsphäre zurückgezogen; derweil ist unser Unterhaltungsangebot nur noch online zu finden. Dort sind seit neustem auch alle unsere Bartender präsent, die uns vor nicht allzu langer Zeit von Angesicht zu Angesicht mit einem guten Drink und angenehmem Smalltalk erfreut hätten. Heute geben sie YouTube-Tutorials. Oder sie stellen ihr Talent auf TikTok unter Beweis.
Auf letzterer – wie es sich für die Plattform und ihre Challenge-Meme-Kultur gehört – vor allem mit etwas namens flair bartending. Jenes Flaschenherumjonglieren, das man schmerzlich mit den 1980ern und dem Tom-Cruise-Film «Cocktail» verband ... nun, guess what? It's back. TikTok-Stars wie @annelise_bartender7 oder @valentinluca präsentieren ihre Bartending-Tricks als typische Meme-Challenges, die es nachzuahmen gilt.
Jedenfalls pfeifen es sämtliche Internet-Spatzen von den Drink-Blog-Dächern: Der coolere, rauchigere Bruder des Tequila soll sich 2021 endgültig durchsetzen. Ob er das auch hierzulande schafft? Wünschenswert wär's allemal, denn die Aromen sind schlicht zu fein und die Geschichten, die hinter dem Mezcal und seinen Produzenten stehen, zu schön. ¡Viva México!
Hard Seltzer, fermentiertes Mineral mit einem Alkoholgehalt wie Bier und erstaunlich wenigen Kalorien, ist zwar bei uns angekommen, führt aber ein Nischendasein. Denn während der Hard-Seltzer-Boom in den USA sich in seinem dritten Jahr befindet, blieb der grosse Promo-Push für Europa, der im Sommer 2020 hätte stattfinden sollen, aus – weil, ... nun ja, weil der Partysommer 2020 ausblieb. Dafür sieht's aber immer mehr so aus, als würden wir heuer alles auf einen Chlapf bekommen, was die Bezeichnung hard zugewiesen bekommt: Hard Lemonade, Hard Ice Tea, Hard Kombucha etc. – alle deine Lieblingserfrischungsgetränke, einfach mit ein bitzli Alkohol.
Während unser Mineralwasser alkoholhaltig wird, werden unsere Cocktails alkoholfrei, hiess es. Dieser andere für 2020 angekündigte Drinks-Trend lässt ebenfalls noch auf sich warten. Alkoholfreie Gins und Wodkas gibt es zwar inzwischen einige im Angebot, doch sie passen nicht so recht zum Zeitgeist.
Historisch gesehen wie heute gilt: In Krisenzeiten essen Menschen mehr Schokolade und Chips und sie trinken mehr Bölk. Wenn's rundherum hart wird, «belohnt» man sich. Umgekehrt ist es in den Perioden ökonomischer Booms, dass die Menschen vermehrt Yoga betreiben, auf gesundes Essen achten oder weniger trinken wollen. Die alkoholfreien Cocktails finden irgendwann mal später statt.
So. Alle obigen Trends bleiben letztlich Mutmassungen. Denn erstens kommt's anders und zweitens als man denkt. Werden wir Covid jemals eindämmen können? Falls ja, dann ... könnte es zu dem hier kommen:
So nannte man die 1920er-Jahre, The Jazz Age, als Mode und Moral lockerer wurden und wilde Partys gefeiert wurden, die bis heute ihresgleichen suchen. Eine der Ursachen dieser Feierlaune liegt in der Zeit unmittelbar davor: Zuerst vier lange Jahre Weltkrieg und gleich danach die schlimmste Grippepandemie der Neuzeit. Nach all den Jahren, die vom Tod geprägt waren, wollte man nur noch eines: leben. Da wurde aus dem Vollen geschöpft und gefeiert, gesoffen, gekifft, gebumst, getanzt, gelacht. Sollten wir demnächst einmal ohne Angst wieder aufeinander zugehen können, dürften unsere Zwanzigerjahren ebenso roaring werden. Hoffen darf man zumindest.
Bloss, die 1920er endeten mit dem schlimmsten Börsencrash aller Zeiten, der eine weltweite Wirtschaftskrise auslöste, die unter anderem dem Nationalsozialismus zum Aufstieg verhalf, was zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust führte ... shit.
Daumen drücken, stay safe und prost 2020, allerseits!