Simone, der Architekt, den ich letzte Woche kennengelernt habe, und ich sind um 20 Uhr verabredet.
Um 19.30 Uhr schreibt er: «Ich muss länger bleiben! Schicke Update!»
Ich werde nicht wütend. Bin ja entspannt und locker und so. Weil ich aber nicht zuhause rumsitzen will, gehe ich in eine Bar, trinke ein Bier, trinke noch ein Bier. Ich habe wahnsinnig Hunger, aber ich esse nicht, denn wir sind zum Abendessen verabredet. Um 21 Uhr schreibt er, er könne jetzt los. Ob er schon gegessen habe, wir hätten ja essen gehen wollen, frage ich. Er antwortet, er wolle nicht essen, er sei «too pissed», zu sauer, um zu essen.
Zuerst verschieben, dann schlechte Laune haben... also: Eigentlich geht das nicht. Klar, wenn man ein Paar ist, der Partner einen harten Tag hatte und schlecht gelaunt nach Hause kommt, dann ist das etwas anderes. NatĂĽrlich darf man mal seinen Frust rauslassen. Aber nicht beim allerersten Date!
Aber ich bin ja locker und entspannt und so. Und Simone entschuldigt sich.
Es war irgendwas mit einem grossen Kunden. Eine Verzögerung. Er musste «make a few calls», viel telefonieren. Alles dringend. Alles wichtig. Gehe um viel Geld. Sein Kollege sei ein Vollidiot. Simone musste es in die Hand nehmen – und deshalb länger bleiben.
Damit ist das Thema abgehakt. Also nicht das Thema allgemein, aber die Erklärung, warum er zu spät kam. Sein Job sonst ist noch lange Thema. Wie alle Architekten, die ich kenne, redet Simone gerne über seine Arbeit. Von Fassaden und Fenstern. Von Überstunden und Wettbewerben. Und vor allem von «seinen» Gebäuden.
Er erzählt aber auch von Ex-Affären und One Night Stands. Von Frauen, die abends bei ihm klingeln. Und Frauen, die er auf Tinder kennenlernt. Man muss kein Detektiv sein, um zu merken: Der Typ «hat» viele Frauen.
Das muss nicht per se schlecht sein. Es kann bedeuten, dass er ein fantastischer Liebhaber ist. Was ich ja begrĂĽssen wĂĽrde. Gleichzeitig ist es etwas befremdend, wenn einer so offen und ausfĂĽhrlich darĂĽber berichtet. Simone sagt, er sei einfach ehrlich bei mir, so ehrlich wie selten bei einer Frau. Ich bin geschmeichelt. Und zugegeben auch etwas irritiert.
Aber abgesehen von dieser kleinen Irritation ist der Abend ĂĽberraschend gut.
Bis er eine Frage stellt, die eigentlich ein No-Go ist: «Warum ist denn eine Frau wie du noch Single?»
Ich antworte: WILLST DU DAMIT SAGEN, DASS FRAUEN, DIE NICHT LIIERT SIND, EINEN HAU WEG HABEN? WAS IST MIT DEN FRAUEN, DIE MIT EINEM IDIOTEN LIIERT SIND? HABEN DIE KEINEN HAU WEG? IST IN EINER BEZIEHUNG SEIN BESSER ALS NICHT IN EINER BEZIEHUNG ZU SEIN? HAST DU SCHON MAL WAS VON FEMINISMUS GEHĂ–RT? EMANZIPATION? SEXISMUS? UND ĂśBERHAUPT: WER SAGT, DASS ICH NICHT SINGLE SEIN WILL?
Ich tu’s nicht. In Capslock antworten aka ihn anschreien, meine ich.
Der Rotwein macht mich milde. Und eine Standpauke wäre auch nicht angebracht. Schliesslich verstehen wir uns gut.
Ich sage, da gäbe es keine Erklärung, es sei einfach so.
«Warum bist denn du Single? Du scheinst ja viele Frauen kennenzulernen.»
«Willst du die Wahrheit wissen?», sagt er langsam und nimmt einen Schluck Rotwein. So, als käme jetzt ein erschreckendes Geständnis.
Logisch will ich die Wahrheit wissen, was soll ich mit der Unwahrheit anfangen, denke ich, sage aber, klar, gerne.
«Ich will erobert werden. Ich will, dass eine sich für mich ins Zeug legt. Ich will eine Prinzessin sein. Ich will, dass eine Frau um mich kämpft. Das ist schwierig zu finden, denn Frauen kämpfen nicht gerne um Männer. Frauen wollen selber erobert werden. Aber so ist es nun mal. Das will ich nun mal.»
Ich sage: «Oh.»
Mehr fällt mir nicht ein. Er will Prinzessin sein? Also so Cinderella-Style? Hardcore Stalking bis er gefunden ist? Oder Dornröschen? Er verpennt sein Leben bis ihn eine wach küsst?
«Aber es gibt doch sicher Frauen, die dich wollen?», frage ich.
«Klar. Aber ich will nicht, dass sie mich nur wollen. Ich will, dass sie mich so sehr wollen, dass ich eine Prinzessin sein kann.»
Er geht kurz auf die Toilette und ich überlege, ob ich den Abend auf der Stelle beenden soll. Dieses Geständnis hat mein aufkeimendes Interesse beinahe gänzlich erstickt.
Ich kann mich doch nicht in eine Prinzessin verlieben!
Nicht weil er ein Mann ist. Auch wenn eine Frau so etwas sagen würde, würde ich das Weite suchen. Und ja, es gibt vermutlich mehr Frauen als Männer, die Prinzessin sein wollen. Ich finde es ebenfalls bescheuert.
Kiss und Klits fĂĽr euch,
Cleo
P.S. Ich habe den Abend nicht beendet. Ich habe Simone später nach Hause begleitet. Ich musste schliesslich herausfinden, ob er ein fantastischer Liebhaber ist. (Ihr hättet mir sonst vorgeworfen, ich würde keine sorgfältige Recherche machen …)
Nun. Er ist nicht schlecht, gar nicht. Aber er ist kein Gott im Bett. Nach dem Sex bin ich gegangen. Er musste um halb sieben Uhr aufstehen. Ich wollte ausschlafen. Er verstand.
Wie er da im Bett lag und ich ihn zum Abschied küsste, fühlte ich mich wie der Prinz in Dornröschen. Und wenn er nicht aufgewacht ist, dann liegt er da noch immer.
Okay, okay ich hör’ ja auf.