Es war sein Lachen. Und sein dunkelblaues T-Shirt mit einem 80er-Jahre-Smiley drauf. Und seine Oberarme. Eigentlich war es jede Faser seines Körpers, die mich in Ekstase versetzte. Er, der Fremde, der da an diesem Spätsommerabend am Flussufer an der Bar sass. Und keine Notiz von mir nahm.
Ich tauchte unsere Zukunft in Zuckerwatte, überlegte, welche Band an unserer Vermählung spielen sollte, bevor wir die Party verlassen, um unsere Hochzeitreise quer durch Südamerika zu starten.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Dachte ich. Und irrte mich.
Bevor ich nach Hause fuhr, kritzelte ich meine Nummer auf einen Zettel und drückte sie dem Kellner in die Hand.
Aus sicherer Distanz beobachtete ich die Übergabe. Mein Herz raste. Das Endorphin bescherte mir Chilbi.
1,5 Stunden später: Mein Handy klingelt. Das Display zeigt eine 079-Nummer. Mir stockt der Atem. Ich geh ran. Der Fluss-Traum. Er lobt die Aktion. Bedauert aber, dass ich mich nicht zu erkennen gab. Ob ich das jetzt machen will. Ich will.
Die ersten 15 Minuten sind grässlich. Wegen mir. Devrim (natürlich hiess er nicht wirklich so) raubt mir den Atem, die Worte, die Coolness. Ohne Drinks geht nix. Nach zwei Cocktails kommen wir in Fahrt. Devrim wohnt in einem Luzerner Vorort. Dass er heute in Zürich ist, ist Zufall. Oder eben, Schicksal. Da Liebe.
Er fährt mich nach Hause. Zehn Minuten später ruft er an. Wir telefonieren bis er daheim ist. Schlaf finde ich in dieser Nacht keinen. Ich tanze mit den Schmetterlingen in meinem Bauch durch die Wohnung.
Devrim und ich treffen uns ein paar weitere Male bei mir, bevor er mich zu sich einlädt. Als ich seine Wohnung betrete, wird mir mulmig. Geputzt wurde hier wahrscheinlich noch nie. Als wäre das nicht schon schlimm genug: Die Wände im Schlafzimmer sind überfüllt mit Sado-Maso-Bildern, Peitschen, Handschellen und Masken. Bei der Leder-Maske mit Reissverschluss übers Gesicht ist bei mir Ende Gelände.
Devrim sagt, die meisten Frauen seien am Anfang verunsichert. Die aber, die sich auf ihn uns seine sexuellen Vorlieben eingelassen haben, wollten nie wieder normalen Sex. Er hingegen, er stehe sehr auf gewöhnliche Nummern. «Das andere», sagt er, «ist nur ein kleiner Teil von mir.»
Während er noch redet, fällt mir auf, wie es hier abgesehen von dem SM-Zeugs auch noch aussieht. Senfgelbe Vorhänge im Wohnzimmer, Buddha-Altar im Büro, ungemachtes Bett im Schlafzimmer, kalter Rauch in der Luft.
Ich will raus. Bevor ich es sagen kann, hat er's schon geschnallt. Das sei kein Problem. Er könne und wolle sowieso auch nicht mit jemandem sein, der sich in seiner Welt unwohl fühlt. Ausserdem hatte er von Anfang an ein mulmiges Gefühl. Er! Ähä!
Bevor er mich an den Bahnhof fahre, habe er nur eine kleine Frage. Ich könne natürlich nein sagen. Ich solle aber rasch in mich gehen. Weil das, was er sich wünsche, ihm maximale Lust verschafft.
Ich halte den Atem an.
Ich schüttle den Kopf.
Ich schüttle den Kopf.
Jetzt kann's Devrim nicht schnell genug gehen. 15 Minuten später stehe ich am Provinz-Bahnhof. Obwohl der nächste Zug erst in 34 Minuten fährt. Es ist finster, kalt und sehr verlassen hier.
Mir wird bewusst, dass jeder Horrorfilm genau so anfängt.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich lebend aus dieser Nummer komme. Ich wünsche es mir aber sehr. Wer will schliesslich schon, dass sowas wie «Die vermeintliche Liebe auf den ersten Blick hat sie ins Grab gebracht» auf seiner Ruhestätte geschrieben steht?
Ich schonmal ganz ganz ganz sicher nicht!
Merde und Adieu,
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch