Wir hätten es schon beim Knutschen merken sollen. Statt Lippe auf Lippe und hopp Spass tätschen wir unsere Nasen aneinander, neigen den Kopf beide so, dass wir uns auch hier mehr im Weg stehen als den Weg frei machen für Küsse, die nach mehr schmecken.
Wohlwissend aber, dass erste Küsse und erster Sex selten Feuerwerke sind, lächeln wir uns an und machen weiter. Ich fasse ihm in den Schritt. «Nicht so fest», sagt er. Derweil reisst er mir gefühlt einen ganzen Büschel Haare aus, weil er mich so ungeschickt an sich drückt.
Zwei Stunden vorher: Wir sind bei Cleos Kumpel daheim. Es ist der 26. Dezember. Statt besinnlich das Fest der Liebe zu zelebrieren, hat Luki, Cleos Kumpel, zum traditionellen besinnungslosen Massenbesäufnis geladen.
Zwischen Bowle und Schinkengipfeli treffen wir auf Viktor. Cleo kennt ihn flüchtig. Viktor teilt sich das Büro mit Luki. Ich bin angetan. Und verbringe eine Stunde mit ihm auf dem Balkon. Er, ich, Zigaretten, Wein. Beim Zuprosten verpasse ich es, ihm in die Augen zu sehen. Eventuell aufgrund Verlegenheit. «Das gibt sieben Jahre schlechten Sex», sagt er. Wir lachen. Und trinken weiter.
Bevor wir den Kältetod sterben, gehen wir rein. Hier merke ich, wie angetrunken ich wirklich bin. Während Viktor schwatzt, entscheide ich, dass ich ihn mit nach Hause nehmen will. Was ich ihm, Suff sei Dank, unverblümt sage. Was er sehr löblich findet.
Zum ersten Kuss kommt es vor meiner Haustüre.
Zurück in meine Wohnung: Auch mein zweiter Griff in seinen Schritt ist kein Volltreffer. Während ich finde, dass ich kaum Druck ausübe, findet er es immer noch zu fest.
Wir machen eine Zigipause, reden, lachen, haben es wunderbar. Ich fühle mich in seiner Gegenwart sehr wohl. Heiss finde ich ihn auch. Und Bock auf Sex habe ich auch.
Also, weiter.
Bloss: Es wird nicht besser. Zwischen Viktor und mir passt es einfach nicht. Ich bin sicher, dass wir nicht schlecht im Bett sind. Ich glaube aber an sexuelle Disharmonie/Inkompatibilität.
Während ich im Kopf analysiere, hat er mich ausgezogen. Und sich selber auch. Nun setzen wir auf Oralsex – und failen. Meine Unsicherheit ruiniert ihm den Blow Job, seine Zunge und meine Klitoris harmonieren auch nicht.
Das Szenario, das sich gerade zwischen meinen Beinen abspielt, könnte glatt aus «American Pie» stammen. Alles viel zu schnell, zu fest, zu wettkämpferisch.
Fiese Sackgasse, in die wir uns gerade manövriert haben. Hätte ich wissen können. Zumal ich stets propagiere, One Night Stands aus obigen Gründen abgeneigt zu sein. Aber wer nicht wagt, der gopferdeckel namal nie gewinnt.
Der Sex selber dauert nicht lange. Wir kommen beide nicht. Er schiebts auf den Alkohol. Ich mache mit. Eigentlich ist jetzt der Moment, getrennte Wege zu gehen. Was mich anscheisst. Weil ich Viktor überdurchschnittlich amüsant, unterhaltsam und inspirierend finde.
«Haben die sieben Jahre schlechter Sex bereits begonnen?», frage ich ihn leicht nervös. Er prustet los. «Ja!», sagt er. «Das war nichts, gell?» Ich bestätige, er lacht, ich lache, wir high-fiven uns zum miesesten ersten Sex, den wir jemals hatten.
Ab hier wirds wunderbar. Mit Viktor will ich um die Häuser ziehen, in Freibäder einbrechen, nächtelang clubben. Nur mit ihm schlafen, das will ich nicht mehr. Ihm gehts genau gleich.
Statt einer peinlichen Verabschiedung und auf Nimmerwiedersehen tauschen wir Nummern aus. Bereits am nächsten Abend tanzen wir durch die Nacht.
Wir sind ganz sicher nicht Romeo und Julia. Wir sind aber die perfekte Zürcher Antwort auf J.D. und Turk aus «Scrubs». Bromance statt Romance halt.
Das Beste: Wir haben noch vor unserer Freundschaft rausgefunden, dass wir keine Angst haben müssen, dass uns meine Brüste und/oder sein Penis in die Quere kommen.
Nie hätte ich gedacht, dass ich einen Text, bei dem es um schlechten Sex geht, mit bestem Wissen und Gewissen mit folgenden Worten beenden kann: Ende gut, alles gut.
Adieu,
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch