Mein Kampf um den Fahrausweis beginnt im Jahr 2013. Ich bin gerade 18 geworden und stelle mir das Autofahren ziemlich leicht vor. Schliesslich fährt ja jeder Auto. So schwer kann das nicht sein.
All meine Freunde scheren sich zu diesem Zeitpunkt nicht um den Fahrausweis. Sie sollten ihn alle vor mir in der Tasche haben. Aber fangen wir von vorne an: Nachdem ich mit 18 die Theorieprüfung bestanden habe, geht es jetzt zur Fahrschule.
Mein erster Fahrlehrer hält mich nicht lange aus. Nach den ersten drei Fahrstunden sagt er, er sei ab sofort ausgelastet. So, wie er sich bei den ersten Fahrstunden am Sitz festgekrallt hat, war das vermutlich nicht die ganze Wahrheit ... «Ausgelastet, genauuu», denke ich mir noch.
Aber so schrecklich fahre ich doch gar nicht? Die Kupplung funktionierte die ersten paar Male einfach nicht. Das war nicht meine Schuld. Und das sind ja schliesslich meine ersten Fahrstunden. Da sind doch alle nicht so gut. Ich mache mir keine weiteren Sorgen und wechsle zu einem Freund von ihm, «der hat noch Zeit!».
Innert zehn Fahrstunden fahre ich mit insgesamt drei verschiedenen Autos. Aber denkt jetzt nicht, ich hätte alle zu Schrott gefahren! Ich war nicht schuld. Die Fahrzeuge waren einfach nicht so gut. Ich habe bislang «nur» einen Aussenspiegel beim Einparken verkratzt.
Aber wie bereits angekündigt, wird Nummer 2 nicht mein letzter Fahrlehrer bleiben. Nachdem ich Bekanntschaft mit dem dritten Auto geschlossen habe, muss Lehrer 2 «spontan» sechs Wochen in den WK.
Immerhin weiss ich jetzt, wie die Kupplung funktioniert.
Sechs Wochen Fahrpause kommen für mich nicht in Frage. Deshalb wechsle ich nun also zum dritten Fahrlehrer. Er ist schockiert über meine Fahrkünste.
Klar, eine Rennfahrerin bin ich noch nicht. Aber das ständige Reinbremsen ist meiner Meinung nach nicht nötig. Und ich muss mich ja zuerst noch an das neue Auto gewöhnen.
«Stellen Sie das Fahrzeug aus.» – «Ähm ja, wie geht das nochmals?»
Nach der fünfzehnten Fahrstunde ist das schon ein wenig peinlich.
Jedes Mal erwähnt er, ich solle privat fahren gehen. Es kann doch nicht sein, dass ich beim Lichtsignal immer noch den Motor abwürge. Aber privat fahren geht leider nicht. Mutter schreit schon, wenn wir nur auf dem Parkplatz üben und Papa macht mich ganz nervös mit seinem Rumgefuchtle und «guten Tipps». Aus irgendeinem Grund besuche ich ja die Fahrschule. Bringt mir endlich etwas bei!
Es ist mittlerweile Oktober 2016. Ich versuche nun also schon seit drei Jahren meinen Fahrausweis zu machen.
Meine Theorieprüfung habe ich soeben zum zweiten Mal bestanden. Zum zweiten Mal, weil ich zwischen Fahrlehrer 3 und 4 eine so lange Pause eingelegt habe, dass die zwei Jahre, in denen der Wisch gültig ist, rum waren. Ich hatte aber auch wirklich viel zu tun.
Mit Fahrlehrer Nummer 4 wird jetzt alles besser. Vielleicht. Hoffentlich?
In der Stadt muss ich schliesslich auch fahren können. Also mache ich mich auf die Suche nach ...
Mein vierter Fahrlehrer ist nicht der Organisierteste. Er vergisst mich oft. Oder erscheint am falschen Standort. Aber: Ich verstehe mich ganz gut mit ihm. Und ich kann jetzt wirklich nicht schon wieder wechseln.
Bei Fahrlehrer Nummer 4 missachte ich ab und an eine Rechtsvortritt. Oder einen Fussgänger. Ich fahre zu langsam in die Autobahneinfahrt. Aber die Notbremse und das Wenden habe ich ziemlich im Griff. Das ist doch mal ein Anfang nach 30 Fahrstunden.
Nach 40 Fahrstunden quer durch Zürich meldet er mich allerdings immer noch nicht für die Prüfung an. Ich bettle. Bald gehe ich für drei Monate ins Ausland.
Irgendwie kriege ich ihn rum: Im Juli 2016, einen Tag nach dem Züri Fäscht, muss ich zur Autoprüfung antraben. Oh-oh.
Was habe ich getan?
Ich fühle mich zwar irgendwie sicher im Auto, aber nur, wenn ich weiss, dass neben mir einer sitzt, der jederzeit auf die Bremse treten kann.
Wieso habe ich den Termin nicht verschoben? Einen Tag nach dem Züri Fäscht. Super Timing. Alle Strassen immer noch umgeleitet. Und diese Strecke kenne ich nicht mal.
Aber alles Gejammere nützt nichts. Jetzt sitze ich im Auto und muss beweisen, dass ich es kann. Nach 50 Fahrstunden.
Ich kann es nicht.
Durchgefallen.
Zu wenig gut habe ich in die Spiegel geschaut. Was auch immer das heisst. Das Einspuren soll ich auch falsch gemacht haben. Aber wer macht denn das heute noch?! Ich sei aber auf einem guten Weg. Was soll das bedeuten?! Wie viele Fahrstunden soll ich denn noch nehmen ... Mannnn.
Ich bin wütend, sage dem Fahrlehrer Tschüss und frage mich:
Ich hasse Autofahren jetzt noch mehr.
Aber zum Aufgeben ist es zu spät. Ich habe zu viele Nerven, zu viel Geld und zu viel Zeit in dieses ganze Projekt gesteckt. Aber eins weiss ich: Die Stadt ist nichts für mich.
Ich wechsle wieder zurück ins Dorf. Da ist es einfacher. Sagt man. Aber die, die das sagen, haben ja auch mich noch nicht kennengelernt.
Und so kommen wir nun als zu ...
Eine Frau. Vielleicht ist das ja der Schlüssel zum Erfolg (und zum eigenen Auto, Ha-ha).
Vor meiner dreimonatigen Reise reiche es aber sowieso nicht mehr für den Fahrausweis, sagt sie mir als erstes. Und das Prüfungsgebiet auf dem Land sei ein wenig anders. Wenn ich durchfalle, muss ich die Prüfung wieder in der Stadt absolvieren. Und das würde heissen: Fahrlehrer Nummer 6. Bitte nicht.
Ich lege das Projekt Fahrausweis also für drei Monate auf Eis.
Ich hasse diese Frage.
Alle machen sich mittlerweile über mich lustig. Verständlich. Im Nachhinein finde ich es ja auch amüsant. Aber trotzdem: Alle meine Freunde erhalten den Fahrausweis im Nu. Warum habe ich so Probleme damit? Warum können das Fahrzeug und ich nicht befreundet sein? Ich kann es mir selbst nicht erklären.
Zack, drei Monate sind rum.
Nach meiner Rückkehr habe ich genug Zeit zum Autofahren. Und: Ich verstehe nun endlich, welche Fehler ich in den Fahrstunden mache. Ein bisschen zumindest. Warum ging ich nicht sofort zu einer Frau? Frauen verstehen sich einfach besser. Oder zumindest mich.
Nach so langer Zeit muss mir Fahrlehrerin Nummer 5 als erstes all die alten Gewohnheiten abgewöhnen. Das ist ein grosser Aufwand. Vieles habe ich vergessen. Vieles falsch gelernt. Und ja, oft weine ich nach den Fahrstunden wie ein Schlosshund, da ich immer noch grobe Fehler begehe.
Mangelnde Voraussicht, Vortrittsregeln, die vergessen gehen, zu schnelles Heranfahren an eine Kreuzung.
NACH EINER MILLION FAHRSTUNDEN.
WIESO?
Wir fahren viel. Ich fühle mich nach weiteren 20 Fahrstunden sicher auf der Strasse. Endlich sehe ich mich in einem Fahrzeug – allein. Ich bin bereit für meine zweite praktische Prüfung.
Schweissgebadet starte ich in die Fahrprüfung. Meine Hände zittern noch mehr als beim ersten Mal.
«Biegen Sie hier rechts ab.» – «Wo?» – Ups. Einfahrt verpasst. Das passiert mir aber nicht nur einmal, sondern gleich zweimal. Und das vor der Autobahneinfahrt! Auf der Autobahn fühle ich mich wohl. Denn dort muss ich nicht immer Kuppeln. Scheiss Kuppeln.
Ziemlich gelassen sitzt der Experte auf dem Beifahrersitz. Das bin ich mir gar nicht gewöhnt. Wir plaudern und ich vergesse dabei wie nervös ich bin. Bis ...
«Nun fahren wir ins Parkhaus.» – «Wieso? Müssen Sie was einkaufen? Hehehe ...».
Ich versuche irgendwie lustig und entspannt rüberzukommen. Ich bin die Einzige, die lacht.
Meine Aufgabe: Im Parkhaus einparken. Und an den Ticketautomaten kommen! Ich erspare euch die Einzelheiten, aber irgendwie habe ich das wohl ziemlich gut hingekriegt. Ich musste mich nicht mal aus dem Fenster lehnen. Also nur ein bisschen.
Nächste Aufgabe: nochmal parkieren. Seitwärts. Drei Autos hinter mir. Kein Problem. Endlich etwas, das ich wirklich kann. Das hab ich ja fast 100 Mal geübt. Vermutlich noch mehr.
Wir fahren zurück.
Bevor er mir das Ergebnis mitteilt, testet er mich nochmals. «Fahren Sie ruhig noch etwas nach vorne.» Da ist kaum noch Platz und der will doch einfach, dass ich vor Nervosität in die Schranke fahre. Das wird mir aber nicht passieren. Oder doch? Wieso tut er das. Hilfe.
Ich bin nicht in die Schranke gefahren.
Ich stelle den Motor aus. Mein Puls schlägt auf 120. Ich bin fertig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und dann muss ich auch noch erklären, wie ich die Prüfung einschätze. «Ähm, ich war unglaublich nervös, aber sonst passieren mir solche Fehler eigentlich nie». Haha, da muss ich selbst lachen.
Der Experte ist sich aber sicher:
Nach etlichen Unterbrüchen, 100 Fahrstunden und fünf verschlissenen Fahrlehrern erhalte ich also endlich den langersehnten Stempel in meinem Lernfahrausweis.
Und ja, es war sehr teuer. Meine Fahrausweis hat insgesamt 10'000 Franken gekostet.