Israel
Gesellschaft & Politik

Jerusalem ist ein Pulverfass und der Tempelberg die Lunte

Solche Bilder wecken Erinnerungen an die Intifada. (Ramallah 6. November 2014)
Solche Bilder wecken Erinnerungen an die Intifada. (Ramallah 6. November 2014)Bild: ATEF SAFADI/EPA/KEYSTONE
Drei Attentate

Jerusalem ist ein Pulverfass und der Tempelberg die Lunte

Ist das schon die nächste Intifada oder der Vorbote für einen dritten Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzung? Diese Frage wird gegenwärtig allerorten in Jerusalem kontrovers diskutiert, nachdem binnen zwei Wochen drei Attentate verübt worden sind.
06.11.2014, 16:5206.11.2014, 18:14
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Obwohl Polizeiführung und Sicherheitsexperten noch nicht davon sprechen wollen, kursieren schon eine Menge einschlägige Namensgebungen: Jugend-, Stadt-, Böller- oder Fahrzeug-Intifada wird sie genannt. Von der zuerst aufgekommenen Bezeichnung «stille Intifada» ist keine Rede mehr.

Seit dem Sommer brechen mehrfach wöchentlich Strassenschlachten in Brennpunktvierteln Ost-Jerusalems und in der Altstadt aus. Der massive Einsatz von Schockgranaten durch die Polizei und von gebündelten Knallkörpern durch die Demonstranten begleitet die Zusammenstösse mit ohrenbetäubendem Lärm.

In einem sind sich die Beobachter einig: Jerusalem ist ein Pulverfass und der Tempelberg ist die Lunte, an der sich eine flächendeckende Revolte entzünden könnte.

Intifada
Die erste Intifada begann als so genannter «Krieg der Steine» 1987. Der zivile Ungehorsam der Palästinenser endet mit Terror und Gewalt. Bis zum Osloabkommen 1993 wurden nach Zählung 1162 Palästinenser von israelischen Kräften getötet. 160 Israelis wurden von palästinensischen Kräften getötet.
Die zweite Intifada begann im September 2000. Der angekündigte Besuch des damaligen Oppositionsführers Ariel Scharon auf dem auch für Moslems heiligen Tempelberg führte zu heftigen Protesten unter den Palästinensern. Die Israelis zählten in den 1558 Tagen der Al-Aqsa-Intifada 20'406 Anschläge, darunter 138 Selbstmordanschläge und 13'730 Schussüberfälle sowie 460 Angriffe mit Qassam-Raketen. Sie dauerte bis zum Februar 2005.

Krieg heizte Proteste an

Binnen vier Monaten hat sich die aktuelle Lage zusammengebraut: Es begann mit dem Mord an einem palästinensischen Jugendlichen in Ost-Jerusalem, der von jüdischen Rechtsextremisten offenbar aus Rache für die Entführung und Erschiessung von drei Talmudschülern begangen wurde.

Der siebenwöchige Gazakrieg heizte die Proteste weiter an. Seit September verkündete die israelische Regierung danach in kurzer Abfolge weitere Stufen zum Siedlungsausbau im besetzen Ost-Jerusalem; vor allem der verdeckte Ankauf von Wohnhäusern mitten in arabischen Vierteln durch nationalreligiöse Siedlergruppen löste weitere Barrikaden und Strassenkämpfe aus.

Knackpunkt Al-Aksa-Moschee und Felsendom

Dass dann rund um die gehäuften jüdischen Feiertage im Herbst in grösserer Zahl religiöse Eiferer auf das Felsplateau zwischen der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom strömten, um dort jüdische Gebetsrituale zu verrichten, tat ein Übriges. 

Israelische Sicherheitskräfte vor dem Felsendom.
Israelische Sicherheitskräfte vor dem Felsendom.Bild: AFP

Weil das Oberrabbinat den Besuch des allerheiligsten Bergs, auf dem bis zum Jahr 70 die jüdischen Tempel standen, aus religiösen Gründen untersagt und die israelischen Behörden aus Sicherheitsgründen dort Gebete nur für Muslime erlauben, hatten gläubige Juden das Hochplateau in der Altstadt bis vor wenigen Jahren gemieden.

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Zutritt für Muslime lockern

Nach Angaben der für die Altstadt zuständigen Polizeipräfektur ist die Zahl jüdischer Besucher aber inzwischen auf rund tausend monatlich gestiegen. Die radikalsten unter ihnen engagieren sich eifrig dafür, den im siebten Jahrhundert zu Ehren der Himmelfahrt Mohammeds errichteten Felsendom abzureissen, um an Originalstelle den Dritten Jüdischen Tempel zu errichten.

Um eine anhaltende Gewaltexplosion noch abzuwenden, müssen dringend Entspannungssignale gesendet werden, fordern die Experten. Dekel plädiert dafür, «Provokationen israelischer Extremisten auf dem Tempelberg zu unterbinden und zugleich die Restriktionen für den Zutritt muslimischer Gläubiger zu lockern». (whr/sda/afp)

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