Sag das doch deinen Freunden!
Seit Samstag besetzen Mitglieder einer bewaffneten Miliz die Zentrale eines Nationalparks im US-Bundesstaat Oregon. Die Besetzer wollen zwei Rancher unterstützen, die auf Regierungsland Feuer gelegt hatten und deshalb zu Haftstrafen verurteilt wurden. Zudem soll das Land des Parks, das sich in Bundesbesitz befindet, an Farmer verteilt werden.
Einmal mehr suchen damit Milizen in ländlichen Gebieten der USA die Machtprobe mit der Bundesregierung – im Weltbild der Milizionäre ist Washington ein tyrannisches Regime, dessen verfassungsfeindliche Machenschaften die Freiheit der Bürger bedrohen.
#BundyMilitia sign. It's 20 degrees and snowing in #BurnsOregon. pic.twitter.com/cs3CsGo7uq
— Amanda Peacher (@amandapeacher) 3. Januar 2016
Der Anführer der Besetzer, Ammon Bundy, wirft den Bundesbehörden Machtmissbrauch vor. Die Regierung beanspruche Land und Ressourcen, die in seinen Augen dem Volk gehören.
Bundy weiss, wie man seine Forderungen mit der Androhung von Gewalt durchsetzt: Er ist ein Sohn des Ranchers Cliven Bundy aus Nevada, der 2014 an der Spitze von mehreren bewaffneten Viehzüchtern einem Aufgebot von 200 Bundespolizisten widerstand. Bundy senior hatte seine Viehherde seit Jahren auf Regierungsland grasen lassen – ohne je dafür zu bezahlen. Die Konfrontation endete mit dem Rückzug der Polizisten, die eine Eskalation vermeiden wollten.
Die Zurückhaltung der Behörden ist verständlich. Zwei blutige Schiessereien in den frühen Neunzigerjahren zeigten, was bei einer gewaltsamen Durchsetzung des Rechtsstaats geschehen kann: 1992 kam es zu einem Showdown in Ruby Ridge im Norden von Idaho, als US-Marshals und FBI-Agenten den Farmer Randy Weaver verhaften wollten. Die Frau und ein Sohn von Weaver sowie ein US-Marshal kamen dabei ums Leben.
Weltweites Aufsehen erregte das Drama von Waco im April 1993: In der texanischen Stadt hatten sich Dutzende Sektenmitglieder in einer Ranch verbarrikadiert. 51 Tage lang trotzten die Davidianer unter Sektenführer David Koresh den Beamten von FBI und ATF, der Bundesbehörde für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen. Dann griffen die Sicherheitskräfte an, die Sektenmitglieder legten Feuer. 82 von ihnen kamen um.
Waco und Ruby Ridge, diese blutigen Konfrontationen zwischen Bürgern und Bundesbehörden, verschärften die Paranoia bei extrem rechten, regierungsfeindlichen Gruppierungen. Diese waren ohnehin beunruhigt durch die Unruhen in Los Angeles, die 1992 nach der Misshandlung des Afroamerikaners Rodney King ausgebrochen waren. Zusätzlich fürchteten sie, die Clinton-Regierung könnte die Waffengesetze verschärfen. Ab 1994 begannen sich Teile der extremen Rechten nun auch als Milizen zu formieren; schon 1995 gab es sie in fast jedem US-Bundesstaat.
Exakt zwei Jahre nach Waco zündete der Rechtsextremist Timothy McVeigh vor einem Regierungsgebäude in Oklahoma City einen Lieferwagen voll Sprengstoff. 168 Menschen fanden den Tod. McVeigh war zwar kein Mitglied einer Miliz, sympathisierte jedoch mit ihnen und bewegte sich zeitweise im Umfeld der 1994 gegründeten Michigan Militia. Viele Anhänger der Milizen betrachten den Anschlag indes als False-Flag-Operation der Regierung.
1997 kam es zu einem weiteren Zwischenfall: Mitglieder einer Miliz namens Republic of Texas nahmen in Fort Davis Geiseln, um die Unabhängigkeit von Texas zu erzwingen. Diese Konfrontation endete ohne Blutvergiessen. Danach ging die Popularität der Milizen allmählich zurück – bis sie im Gefolge der Finanzkrise ab 2007 und mit der Wahl von Barack Obama erneut zunahm. Auch die Tatsache, dass die Mehrheit der Weissen in den USA allmählich schwindet, verschafft den Milizen Zulauf.
Obwohl es rechtsextreme Milizen in ihrer heutigen Form erst seit den Neunzigerjahren gibt, bauen sie auf einer langen Tradition von paramilitärischen Gruppierungen in den USA auf. Die antisemitische Silver Shirt Legion und die Christian Front waren vor dem Zweiten Weltkrieg aktiv. Nach dem Krieg begünstigte der Kalte Krieg die Bildung von militanten antikommunistischen Formationen wie den Minutemen, die in den Sechzigerjahren entstanden und sich auf die Milizen des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges beriefen.
In den Achtzigerjahren organisierten sich dann sogenannte Survivalists und rassistische White Supremacists in paramilitärischen Gruppen wie der Christian Patriot-Defense League oder der White Patriot Party, die dem Ku Klux Klan nahestand.
All diese Strömungen finden sich in vielen modernen Milizen wieder: Rassismus, Antisemitismus, christlicher Fundamentalismus, militante Anti-Regierungsideologie und massiver Widerstand gegen die Einschränkung von Waffenrechten. Hinzu kommt eine starke Faszination für Verschwörungstheorien, in deren Zentrum meist die sogenannte «Neue Weltordnung» steht. Hierbei geht es um dunkle Mächte, die angeblich über die UNO die Weltherrschaft anstreben, wobei die US-Regierung in Washington mit ihnen kollaboriert.
Es gibt allerdings eine Vielzahl von Bürgermilizen in den USA. Nicht alle sind rechtsextrem oder regierungsfeindlich – manche sorgen gemäss ihrem Selbstverständnis dort für Ordnung, wo der Staat diese Aufgabe nicht erfüllen kann oder soll. Diese Mentalität findet sich nicht nur bei Milizionären; sie ist besonders in ländlichen, strukturschwachen Gebieten weit verbreitet. Ironischerweise sind es oft ausgerechnet jene Gebiete, in denen die Menschen der Bundesregierung und deren Organen mit Misstrauen begegnen, die einzig mit Finanzhilfen des Bundes überleben können.
"Die Zurückhaltung der Behörden ist verständlich"...aha wenn ein Afroamerikaner ein Stopp Schild überfährt wird er erschossen...(Zynismus).
Schlussendlich und hoffentlich endet dies alles ohne blutvergiessen...